Zweieinhalb Wochen nach dem Amoklauf von Winnenden wollen sich Opferfamilien in der Frage des Waffenrechts nicht von der Politik vertrösten lassen. In einem zweiten offenen Brief fordern die Familien von fünf getöteten Schülern einen eingeschränkteren Zugang zu Waffen. Bilder des Amoklaufs. Bilder der Trauermesse in Winnenden.

Winnenden. Zweieinhalb Wochen nach dem Amoklauf von Winnenden wollen sich Opferfamilien in der Frage des Waffenrechts nicht von der Politik vertrösten lassen. In einem zweiten offenen Brief fordern die Familien von fünf getöteten Schülern: "Wir wollen, dass der Zugang junger Menschen zu Waffen eingeschränkt wird." Sie wenden sich mit ihrem Schreiben an die Innenminister und reagieren auf einen Antwortbrief der Vorsitzenden der Regierungsfraktionen CDU, CSU und SPD, die nur eine Prüfung dieser Frage angekündigt hatten. Dagegen ging Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), Vorsitzender der Innenministerkonferenz, direkt auf die Forderungen ein. Er will den Umgang mit Sportwaffen und Munition stark einschränken. Dieser Vorschlag soll am Dienstag in Berlin bei einer Sondersitzung der Innenstaatssekretäre von Bund und Ländern diskutiert werden.

Die Familien Kleisch, Marx, Minasenko, Nalepa, Schober und Schweitzer schreiben in dem Brief, der in der "Winnender Zeitung" erscheint: "Wir erwarten aber, dass die Fraktionen nach der Prüfung unserer Forderungen auch als Gesetzgeber tätig werden. Denn nach Winnenden können wir nicht einfach zur Tagesordnung zurückkehren ­ ohne etwas zu tun." Weiter heißt es darin: "Die derzeitige gesetzliche Regelung ermöglicht die Ausbildung an einer großkalibrigen Pistole bereits ab dem 14. Lebensjahr. Bedenkt man, dass ein junger Mensch gerade in dieser Zeit durch die Pubertät mit sich selbst beschäftigt und häufig im Unreinen ist, so ist die Heraufsetzung der Altersgrenze auf 21 Jahre unerlässlich."

Grundsätzlich müsse auch die Frage erlaubt sein, "ob der Schießsport nicht gänzlich auf großkalibrige Waffen verzichten kann". Bis heute seien die olympischen Wettkämpfe auf Luftdruck- und Kleinkaliberwaffen beschränkt. Sollte ein solcher Verzicht nicht möglich sein, müssten die Schüsse beschränkt werden. "Bei der Jagd sind die Magazine der automatischen Waffen auf maximal zwei Schuss begrenzt. Warum nicht auch beim Sport?"

Die Eltern forderten zudem, dass der Gesetzgeber Verstöße gegen das geltende Waffenrecht deutlicher und stärker ahnden müsse. "Außerdem ist zu überlegen, ob für Sportschützen Waffen und Munition nicht örtlich getrennt verwahrt werden können."

Das sieht der Bremer Innensenator laut Medienberichten ähnlich. Er will, dass Munition künftig getrennt von den Waffen und zentral in Vereinsgebäuden und Schießstätten gelagert werden. Außerdem sollten Schützen erst nach drei Jahren regelmäßigen Schießens im Verein eigene Waffen erwerben dürfen, nicht wie bisher nach einem Jahr.

Auch die Anzahl und die Auswahl an Waffen will Mäurer einschränken: Er schlägt eine Begrenzung auf in der Regel fünf Pistolen oder Gewehre vor. Es sollte zudem grundsätzlich gelten, dass Schusswaffen, die bei der Polizei und oder beim Militär eingesetzt werden, im Schießsport nichts zu suchen haben.

Ein weiterer Punkt sind die Aufbewahrungsregeln: Es könnte dem Papier zufolge ein Straftatbestand für unzureichende Aufbewahrung geschaffen werden, wenn dadurch Straftaten möglich geworden sind. Schließlich sollten Spiele, bei denen man mit Farbkugeln aufeinander schießt, verboten werden, da sie insbesondere Jugendlichen das Schießen als anregendes Spiel näher brächten.

Bei dem Amoklauf hatte der 17-jährige Tim K. am 11. März mit einer großkalibrigen Pistole in Winnenden und Wendlingen 15 Menschen erschossen, bevor er sich selbst richtete. In der Albertville- Realschule in Winnenden ermordete er neun Schüler und drei Lehrer. Die Tatwaffe sowie die Munition befanden sich unverschlossen in der elterlichen Wohnung - was nach dem Waffengesetz verboten ist.

Unterdessen hat der Vater des Amokläufers von Winnenden seinem Verteidiger Achim Bächle (57) angeblich das Mandat entzogen. Grund dafür sei, dass der Stuttgarter Anwalt in der Öffentlichkeit zu viele Details über die Familie und die prekäre geschäftliche Situation des Vaters preisgegeben habe.