Russen und Kanadier überwachen argwöhnisch die Aktivitäten der US-Marine. Sie “übt“ die Kommunikation.

Lehnin. Pressluft drückt das Wasser aus den Ballasttanks des amerikanischen Atom-U-Boots "Helena". Um das Gewicht des verdrängten Wassers erleichtert, steigt das 6300 Tonnen schwere Jagd-U-Boot aus der Tiefe auf und stößt gegen eine vielleicht zwei Meter dicke Eisdecke, wie sie für das Nordpolarmeer Ende März typisch ist. Es knirscht und kracht gewaltig im Eis, dann bricht sich die 110 Meter lange Stahlröhre ihren Weg an die Oberfläche. Nur der Turm des U-Bootes ragt aus dem Eis, der Rumpf ist zwar ebenfalls ein wenig aus den Fluten aufgetaucht, bleibt aber unter den weißen Schollen unsichtbar, die das Boot nur etwas angehoben hat. Am Turm öffnet sich eine Luke, Marineangehörige klettern heraus und vertreten sich die Füße auf dem Eis. So harmlos kann eine geheime Mission aussehen.

Weshalb aber gibt der Kapitän der "USS Helena" überhaupt den Befehl zum Auftauchen, wenn er dazu erst eine Eisdecke durchbrechen muss? Nur um frische Luft zu schnappen nach Wochen in der muffigen Atmosphäre einer überdimensionalen Konservenbüchse, das kann kaum der Grund sein. Denn schon seit Jahrzehnten unterqueren Atom-U-Boote verschiedener Nationen das Eis des Nordpolarmeeres nonstop. "Im Arktischen Ozean ist oft recht dichter Verkehr", erklärt der Umweltphysiker Christian Melsheimer, der mit Satellitendaten die Eisentwicklung im Nordpolarmeer beobachtet.

Russen und Amerikaner erreichen so ziemlich unbemerkt den "Hintereingang" des jeweils anderen. Allerdings sind die U-Boote unter dem ewigen Eis weitgehend auf sich allein gestellt. Normaler Funkverkehr funktioniert nämlich nicht, weil Salzwasser Funkwellen kaum durchlässt. Einzig mit extrem niedrigen Frequenzen von 80 Hertz kann die Marinebasis das U-Boot in Tiefen bis zu 300 Metern erreichen. Damit aber lassen sich nur ganz kurze Nachrichten übermitteln, mehr als ein Codewort mit der Bedeutung "Taucht doch mal auf und meldet euch" ist nicht drin. Weil solche kurzen Mitteilungen aber im Ernstfall wenig bringen, haben die USA und Russland die einzigen Sender mit solchen extrem niedrigen Frequenzen seit einigen Jahren eingestellt.

Zur Kommunikation mit ihren untergetauchten U-Booten nutzen die Marinestäbe auch Frequenzen zwischen zehn und 30 Kilohertz, die immerhin gut zehn Meter tief ins Wasser eindringen und so von einem U-Boot knapp unter dem Meeresspiegel empfangen werden können. Antworten aber kann der Kapitän nur, wenn er zumindest die Antennen des U-Bootes über Wasser bringt. Da die Antennen aber nicht durch meterdickes Eis stoßen können, muss das U-Boot zum Senden von Nachrichten im Polarmeer eben selbst durchs Eis brechen - und das ist nicht gerade unauffällig.

Um die Kommunikation zu "üben" und zu verbessern, sind die "USS Helena" und die "USS Annapolis" jetzt im Rahmen ihrer Mission im Polarmeer weit vor der Küste Alaskas aufgetaucht: Die US-Marine hält zurzeit das Manöver "Ice Exercise 2009" ab, in dem U-Boote ihre Manövrierfähigkeit und Kampfkraft bei Einsätzen unter dem Eis des Polarmeeres testen. Vor allem der Funkverkehr zwischen den beiden beteiligten U-Booten "USS Helena" und "USS Annapolis" untereinander und mit der Heimatbasis steht dabei im Brennpunkt. Über kurze Entfernungen von vielleicht zehn Kilometern geht das mit sogenannten Unterwassertelefonen, die aber leicht abgehört werden können. Ansonsten lässt der Kapitän eben die Pressluftventile öffnen und befiehlt: "Eisdecke durchbrechen und auftauchen."

Verschiedene Beobachter nehmen dieses Manöver genauer unter die Lupe: Eisbären interessieren sich ohnehin für alles in ihrer Umgebung. Kanadische Behörden sorgen sich um die Verletzung ihrer Hoheitsrechte, weil die Amerikaner von der Atlantikküste normalerweise einen 2000 Kilometer langen Umweg an der Ostküste Grönlands vorbei Richtung Alaska fahren müssen. Erheblich kürzer ist dagegen die Nordwestpassage, die aber durch kanadische Hoheitsgewässer führt und daher angemeldet werden müsste. Besonders neugierig auf das nur wenig aus dem Eis ragende Atom-U-Boot aber sind die Russen, vor deren Haustür das Manöver stattfindet.