An 40 Tatorten in drei Ländern sind DNA-Spuren der Frau aufgetaucht. Jetzt hat die Justiz erhebliche Zweifel.

Hamburg. Die Staatsanwaltschaft in Stuttgart hat "begründete Zweifel", dass die seit 15 Jahren gesuchte "Phantom-Mörderin" je existiert hat. Es bestehe der Verdacht, dass die DNA-Spur zu mehreren Morden und Überfällen gar nicht von der vermeintlichen Serientäterin stamme. Vielmehr könnte sie bereits auf den Wattestäbchen gewesen sein, die von der Polizei zur Spurensicherung verwendet werden. Dies wird nun überprüft, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ernst Meiners.

Die "Frau ohne Gesicht" soll unter anderem 2007 eine Polizistin (22) in Heilbronn erschossen haben. Bisher sind DNA-Spuren der Unbekannten an 40 Tatorten in Deutschland, Österreich und Frankreich aufgetaucht. Die meistgesuchte Verbrecherin Deutschlands wird mit sechs Morden in Verbindung gebracht. Das erste Mal wurde die DNA der Frau im Mai 1993 in Idar-Oberstein bei dem Mord an einer Rentnerin gesichert. Dann war lange Zeit Ruhe, bis im März 2001 in Freiburg ein Rentner umgebracht wurde. Auch hier wurde die genetische Spur des "Phantoms" gefunden.

Nach Informationen des Magazins "Stern" hingen die Fälle möglicherweise gar nicht miteinander zusammen. Vielmehr könnten die Wattestäbchen, die die Fahnder zur Sicherung von DNA-Spuren verwendet hatten, schon vorher mit genetischem Material kontaminiert worden sein - etwa von einer unachtsamen Mitarbeiterin eines Herstellers dieser Wattesticks. Nach der jüngsten Entdeckung einer Spur auf einer Cola-Dose in Saarbrücken sei eine interne Untersuchung eingeleitet worden. Das baden-württembergische Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart nahm erneut Ermittlungen auf. Laut "Stern" sollen inzwischen Packerinnen eines norddeutschen Unternehmens Speichelproben abgegeben haben.

Diese immer als "minimale Möglichkeit" abgetane Lösung des Falls hatte schon Ende 2008 der Münsteraner Rechtsmediziner Bernd Brinkmann nicht ausschließen wollen. Bereits im April 2008 hatte das LKA in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt (BKA), den Landeskriminalämtern Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und dem Landeskriminalamt Oberösterreich die Möglichkeit einer Verunreinigung geprüft. Im Kriminaltechnischen Institut des LKA seien mehrere Hundert unbenutzte Wattestäbchen als sogenannte Leerproben untersucht worden. "Diese Untersuchungen verliefen ohne Ergebnis und ergaben keinen Hinweis auf Fremdkontaminationen", teilte das LKA mit. Sollte die Theorie stimmen, müssten Rechtsmediziner in drei Ländern seit 15 Jahren Wattestäbchen aus einem Werk beziehen.

Holger Vehren, Sprecher der Hamburger Polizei: "Ich weiß nur, dass es bei uns immer mal wieder einen Produktwechsel gegeben hat." Der Hamburger Rechtsmediziner Professor Klaus Püschel hält die Verunreinigungstheorie zwar für eher unwahrscheinlich. Er könnte sich jedoch vorstellen, dass die Lieferanten der Wattestäbchen ihrerseits Teilprodukte etwa aus dem Ausland beziehen und dass dort die Kontaminationen geschehen sein könnten. Diese Möglichkeit vermutet auch Staatsanwalt Meiners. Zweifel kamen nämlich bei der Abklärung der Identität einer verbrannten Leiche auf - ein 2002 verschwundener Asylbewerber. Von ihm lagen Fingerabdrücke bei der Polizei vor. Auf einem der untersuchten Papiere dieser erkennungsdienstlichen Behandlung in Völklingen fand sich überraschend die DNA-Spur des "Phantoms", "was eigentlich nicht sein konnte", so Meiners. Dies steht seit vorigem Donnerstag fest. Theoretisch könne die DNA deshalb schon beim Pflücken der Baumwolle übertragen worden sein, meint Meiners.