Die Schmach wollte Kurt Demmler nicht mehr erleben. Als gestern kurz nach 13 Uhr die Richter im Saal 806 des Berliner Landgerichts zusammentraten,

Berlin. Die Schmach wollte Kurt Demmler nicht mehr erleben. Als gestern kurz nach 13 Uhr die Richter im Saal 806 des Berliner Landgerichts zusammentraten, blieb die Anklagebank leer. Der ostdeutsche Liedermacher und wohl erfolgreichste Songautor der DDR hatte sich wenige Stunden zuvor das Leben genommen. Dem 65-Jährigen wurde der Missbrauch an sechs Mädchen vorgeworfen.

Mit einem Gürtel hatte sich Demmler in seiner Zelle der Untersuchungsanstalt Moabit am Morgen des zweiten Prozesstages erhängt. Ein Justizbediensteter entdeckte die Leiche um 6.20 Uhr. Demmlers Anwältin Nicole Bede geschockt: "Ich hätte das absolut nicht erwartet." Die Juristin hatte ihn noch am Vortag besucht. "Er hatte keine Perspektive", selbst wenn sich seine Unschuld erwiesen hätte - der Vorwurf war in der Welt, beschrieb die Anwältin Demmlers Zerrissenheit. Ein Abschiedsbrief wurde nicht gefunden.

Mit Spannung war der Tag der Verhandlung erwartet worden. Die 23 Jahre alte Hauptbelastungszeugin und drei andere mutmaßliche Opfer sollten erstmals vernommen werden. Für die Mädchen werde die Aufarbeitung nun viel schwieriger, sagte Nebenklägerin Eva Kuhn. Sie seien bis heute traumatisiert, so die Anwältin. Die sechs Schülerinnen, damals zehn bis 14 Jahre alt, sollen von Demmler 212-mal missbraucht worden sein. Er hatte sie zwischen 1995 und 1999 zu Casting-Terminen in seine Berliner Wohnung eingeladen.

Demmler war der bekannteste Songtexter der DDR, Generationen wuchsen mit seinen Liedern auf. Nina Hagen wurde mit "Du hast den Farbfilm vergessen" berühmt, für Bands wie Karat schrieb er Ohrwürmer wie "König der Welt". Auch die Puhdys, Veronika Fischer, Frank Schöbel, Katja Ebstein und Karel Gott sangen seine Texte.