Sie war die erste Frau Ottos des Großen. Liegen ihre sterblichen Überreste in dem jetzt entdeckten Scheingrab?

Hamburg/Halle. "Ihre adeligen Züge erstrahlten in herrlicher Schönheit", rühmt die heilige Roswitha von Gandersheim die junge Königin. "Dank ihres vollkommenen Wesens und Wandels war sie im eigenen Land so gepriesen, dass nach dem einmüt'gen Urteil des Volkes sie als die herrlichste galt unter sämtlichen Frauen."

Die Verse der berühmten Mystikerin und ersten deutschen Dichterin feiern eine historische Figur von ungewöhnlichem Format: Edgitha, als blutjunge Gemahlin eines großen Herrschers eine im Volk tief verehrte Mitbegründerin des ersten deutschen Kaiserreichs.

Jetzt haben Archäologen in einem Bleisarg aus dem Magdeburger Dom Gebeine geortet, die wohl von der hohen Toten stammen. Der 70 Zentimeter große Sarg wurde in einem bislang für ein Scheingrab gehaltenen Sarkophag entdeckt und enthält eine Inschrift von 1510. Der Fund wirft Licht auf ein anrührendes Frauenschicksal in finsterer Zeit.

Ottos Vater König Heinrich I. herrscht seit 918 über das Ostfrankenreich, ein wackeliges Gebilde aus zerstrittenen sächsischen, fränkischen, bayrischen und schwäbischen Herzogtümern. Die erst eine Generation zuvor nach Europa eingefallenen Ungarn ziehen plündernd zu Elbe, Weser und Rhein. Im Osten widersetzen sich die Slawen der christlichen Umwandlung zu sächsischen Untertanen und massakrieren Missionare.

Im Jahr 929 will der König seine junge Dynastie durch Verschwägerung mit dem mächtigen angelsächsischen König Aethelstan von Wessex festigen und bittet um eine Braut für seinen Sohn. Der Brite schickt seine Halbschwestern Edgitha und Edgiva nach Quedlinburg. Der 17-jährige Thronfolger wählt die gleichaltrige Edgitha. Die noch etwas jüngere Edgiva zieht weiter und heiratet einen Bruder des Königs von Burgund.

Der Plan gelingt, Edgitha verschafft dem neuen sächsischen Königshof das nötige Prestige: Ihr Ahnherr ist der heilige Oswald, der drei Jahrhunderte zuvor im Kampf gegen die Heiden fiel und in ganz Europa verehrt wird. Und ihr Großvater Alfred wird als Sieger über die wilden Wikinger längst "der Große" genannt.

Ihre Heimat sieht die junge Prinzessin nie wieder. Otto verehrt seiner Braut als Morgengabe das neu gegründete Magdeburg. Sie schenkt ihm Sohn Liudolf und Tochter Liudgard, kultiviert den etwas groben Gemahl und läutert ihn zu Liebe und Milde. Als er den Thron besteigt, kümmert sie sich um Klöster und Arme. Nach ihrem frühen Tod 946 schildern Legenden viele Wundertaten der Königin, die im Volk lange als "heilige Edith" weiterlebt.

962 lässt sich Otto in Rom zum Kaiser krönen und gründet damit das später Heilige Römische Reich Deutscher Nation. An seiner Seite herrscht seine zweite Ehefrau Adelheid von Burgund, doch die Fundamente hat eine andere gelegt: Jene junge Engländerin von, so Roswitha, "reiner und edler Stirn, anmutigem Wesen und wahrhaft königlicher Gestalt", deren Gebeine jetzt das Landesamt für Archäologie in Halle untersucht.

Eine Kamerafahrt zeigte Langknochen und Stoffreste. Landesarchäologe Harald Meller erwartet "einen der bedeutendsten Funde seit Jahrzehnten". Mit C14-, DNA-, Sauerstoff-, Strontium- und Stickstoff-Analysen lasse sich etwa nachweisen, ob die Tote "Wasser getrunken " oder "Stress gehabt" und auch, was sie gegessen habe. Die Schönheit, Liebe und Menschlichkeit dieses viel zu kurzen Frauenlebens bleiben physikalischen Messungen allerdings entzogen.