Berliner Polizei musste Schlag gegen Hells Angels früher als geplant durchführen. Jetzt sucht sie auch in den eigenen Reihen nach einem Verräter.

Berlin. Es sollte ein großer Schlag gegen die Berliner Rockerszene werden. 550 Polizisten, darunter 150 Spezialkräfte aus anderen Bundesländern, rückten am Mittwochmorgen aus, um ein vom Berliner Innensenator Frank Henkel (CDU) verordnetes Verbot der berüchtigten Hells-Angels-Untergruppe Berlin City durchzusetzen. Daraus wurde nicht viel. Der Rockerklub wusste von dem Plan und hatte sich zuvor kurzerhand selbst aufgelöst. Jetzt sucht die Polizei nach der undichten Stelle - auch in den eigenen Reihen. "Es wurden Ermittlungen wegen Geheimnisverrats gegen unbekannt eingeleitet", sagte Polizeisprecher Thomas Neuendorf gestern.

Das Berliner Informationsleck ist kein Einzelfall. Bundesweit gab es wiederholt ähnliche Probleme - etwa in Wiesbaden oder zuletzt in Kiel. Experten gehen davon aus, dass die Rocker über gute Kontakte bei der Polizei, Kommunalverwaltungen und sogar Justizbehörden verfügen. Im Kampf gegen kriminelle Rockerklubs bedeutet das gegebenenfalls herbe Rückschläge. Ermittler und Behörden sind alarmiert.

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In Berlin hatte die Polizei jahrelang ermittelt, um genügend Beweise für ein Verbot zu sammeln. In der Zwischenzeit lieferte sich die Rockerszene Machtkämpfe, bei denen es um Drogen- und Waffengeschäfte, Zuhälterei und Türsteherposten ging. Es gab Tote und Verletzte, auch Unbeteiligte traf es.

Die mächtige Hells-Angels-Gang Berlin City um den ehemaligen Anführer der gegnerischen Bandidos, den Türken Kadir P., entledigte sich ihrer martialischen Symbole, bevor die Hundertschaften anrückten. Immerhin: Weil auch die Einsatzführung von dem Verrat der Razzia erfahren hatte, waren noch am Dienstagabend im Vereinsheim der Hells Angels an der Residenzstraße in Reinickendorf 50 Polizisten aufgetaucht und hatten die 38-seitige Verbotsverfügung einem Rocker übergeben.

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Da aber hatten die Hells Angels schon das Vereinsschild abmontiert und ihre Kutten - Lederjacken mit geflügeltem Totenkopf - abgelegt und gegen unverfängliche weiße T-Shirts getauscht. Auch waren am Dienstag Mitglieder der Bandidos zu den rivalisierenden Hells Angels in Potsdam übergewechselt. Ein Kenner der Szene erklärte das damit, dass sie fürchteten, auch gegen sie werde polizeilich vorgegangen; außerdem hätten sie die Übermacht der Hells Angels eingesehen.

Mittwochmorgen durchsuchten die Beamten 30 Wohnungen von Mitgliedern der Hells Angels sowie drei ihrer Lokale. Sie beschlagnahmten das Inventar aus dem Vereinsbesitz sowie mehrere Hieb- und Stichwaffen, ein Gewehr und acht schwere Motorräder. Am Klubhaus übersprühten sie die "81", die für die Anfangsbuchstaben von Hells Angels steht.

Aber wer hat den Rockern den Tipp gegeben? Innensenator Henkel äußerte sich am Mittwochnachmittag "entsetzt". Per schriftlicher Erklärung ließ er verbreiten: "Ich habe die Polizeivizepräsidentin (Margarete Koppers; Anm. d. Red.) aufgefordert, die Umstände der Einsatzplanung und -durchführung genau zu prüfen und Konsequenzen zu ziehen." Offiziell wird vermutet, dass aus den Reihen der Polizei Informationen über das bevorstehende Verbot der Hells Angels an Medienvertreter weitergegeben wurden.

Gegenüber der "Berliner Morgenpost" äußerte ein Polizeiführer jedoch den Verdacht, dass die Interna den Hells Angels gezielt gesteckt wurden. "Wir müssen leider davon ausgehen, dass Personen aus den eigenen Reihen gegen Geld Informationen an diese Verbrecher weitergegeben haben", sagte der Beamte. Dies sei nicht nur gefährlich für die Ermittlungen, sondern vor allem für die Polizisten, die bei den Einsätzen ihr Leben riskierten.

Der Verdächtigenkreis innerhalb der Polizei ist offenbar überschaubar. Nur wenige wussten von der geplanten Razzia. Im Landeskriminalamt beschäftigen sich zwei Fachkommissariate mit Rockerkriminalität. Man will aber auch nicht ausschließen, dass die Warnung aus der Verwaltung kam. Geprüft wird ebenso, ob die Rocker aus den Medien von dem Einsatz erfahren haben, sagte Polizeisprecher Neuendorf. Klaus Eisenreich von der Gewerkschaft der Polizei nannte den Vorfall "sehr verwunderlich. So etwas kenne ich nur aus Kriminalromanen." Sollte in der Polizeibehörde ein Maulwurf sitzen, müsse dieser "mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden".