ast 30 Menschen liegen mit schweren Symptomen im Krankenhaus. Auf der Suche nach der Ursache führt eine Spur in die Kantinen einer großen Beratungsgesellschaft nach Frankfurt.

Frankfurt/Wiesbaden. Das gefährliche Darm-Bakterium EHEC hat sich in Hessen nach ersten Erkenntnissen unter anderem über rohes Obst oder Gemüse in einer Frankfurter Beratungsgesellschaft ausgebreitet. Das Essen in der Kantine soll verunreinigt gewesen sein. Alle 19 bisher in der Main-Metropole Erkrankten haben in denselben beiden Kantinen gegessen, sagte Oswald Bellinger vom Gesundheitsamt der Stadt am Dienstag. Die beiden Kantinen der Gesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) im Messeturm und im Mertonviertel waren bereits am Montag vorsorglich geschlossen worden. Insgesamt mussten in Hessen bis zum Nachmittag 27 Menschen wegen schwerer EHEC-Symptome in Krankenhäusern behandelt werden.

Auch in Darmstadt steht eine Großküche im Verdacht, eine mögliche Quelle der Infektionen zu sein, wie das Regierungspräsidium Darmstadt mitteilte. Dort ist die sogenannte Task Force Lebensmittelsicherheit angesiedelt, bei der die Ermittlungen der Behörden in Sachen Lebensmittelrecht aus ganz Hessen zusammenlaufen. Nun würden die Speisepläne, Lieferanten und Vertriebswege der drei Küchen abgeglichen.

Schuld sei wahrscheinlich eine belastete Lieferung an die PwC-Kantinen, erklärte das Frankfurter Gesundheitsamt. „Wir gehen davon aus, dass die Infektionsquelle in Norddeutschland liegt“, sagte Bellinger. Derzeit werteten die Veterinäre die Lieferscheine aus. „Wir gehen immer noch davon aus, dass die Übertragung durch Rohkost stattgefunden hat.“ Sicherheitshalber würden auch die Küchenmitarbeiter untersucht, Ergebnisse seien bis Ende der Woche zu erwarten. So lange blieben die Kantinen geschlossen.

PwC steht mit dem Gesundheitsamt in engem Kontakt, wie ein Sprecher sagte. Schon vergangenen Donnerstag habe man die erste interne Information an alle Mitarbeiter in Frankfurt herausgegeben, auf die Gefahr hingewiesen und über die Symptome einer EHEC-Erkrankung aufgeklärt. Der Betreiber der Kantine, Sodexo, wies die Vorwürfe allerdings zurück: „Wir gehen derzeit davon aus, dass die Infektionen nicht durch unsere Kantinen und nicht durch unsere Zulieferer ausgelöst wurden“, sagte Sprecher Stephan Dürholt. Als Vorsichtsmaßnahme sei jetzt auf mit Wasser und Zitronensäure vorbehandeltes Rohgemüse umgestellt worden.

Das Gesundheitsministerium in Wiesbaden wollte die vom Frankfurter Gesundheitsamt veröffentlichte Ursache der Infektionen nicht kommentieren. Die Suche nach der EHEC-Quelle dauere an, sagte eine Sprecherin lediglich.

Das Ministerium meldete am Dienstag zwei weitere Fälle schwerer EHEC-Verläufe. Damit sind in Hessen inzwischen fast 30 Menschen am sogenannten hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) erkrankt, das von dem Darmbakterium verursacht werden kann. Alle hätten sich Mitte Mai angesteckt, sagte die Ministeriumssprecherin.

Mehrere Patienten mussten intensivmedizinisch versorgt werden; unter anderem wurden aus Darmstadt zwei schwere Erkrankungen gemeldet, im Wetteraukreis leiden ein Mann und eine Frau an der schweren Verlaufsform und liegen mit Nierenversagen im Krankenhaus. Auch sie sollen sich in einer PwC-Kantine angesteckt haben. Die Uniklinik Frankfurt berichtete, ihre elf EHEC-Patienten seien stabil.

Die Behörden riefen weiter dazu auf, Gemüse und Obst gründlich zu waschen und wenn möglich über 70 Grad zu erhitzen, sowie die grundlegenden Hygieneregeln einzuhalten. Das Frankfurter Gesundheitsamt schaltete eine Hotline. „Viele Bürger wissen nicht mehr, was sie noch essen können“, sagte Bellinger. Bei Gemüse aus der Region oder aus dem eigenen Garten sei die Gefahr am geringsten. Menschen mit Durchfall, insbesondere blutigem, sollten sofort zum Arzt gehen.

Der Darmkeim EHEC

Der Darmkeim EHEC kann Durchfall auslösen aber auch zu schweren Nierenschäden und zum Tod führen. Wenn zur gleichen Zeit bei einem Patienten die Nieren ihren Dienst verweigern, eine Blutarmut auftritt und die roten Blutplättchen weniger werden, sprechen Mediziner vom hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Dieses Syndrom ist meistens eine Folge der EHEC-Erkrankung. Es kann aber auch andere Ursachen haben.

In Folge des HUS können der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie zufolge weitere Organe geschädigt werden. Betroffene erleiden nach Angaben der Nierenärzte oft eine gefährliche Schwellung des Gehirns. Eine „Blutwäsche“ könne den Heilungsprozess beschleunigen. Sie eliminiere die schädlichen Stoffe im Blut und ersetze körpereigenes Plasma. Auf diese Weise ist es möglich, lebensbedrohliche Komplikationen wie Hirnödeme und Nierenversagen zu verhindern.

Im Jahr 2010 registrierte das Robert Koch-Institut nach eigenen Angaben 65 HUS-Fälle. Davon waren nur sechs Betroffene älter als 18 Jahre. Die seit Mitte Mai in Deutschland vermehrt festgestellte Infektion betrifft allerdings vor allem erwachsene Frauen.

(dpa/abendblatt.de)