Der 18 Jahre alte Skeetschütze Vincent Haaga ist deutscher Jugendmeister und träumt von Tokio 2020. Das Waffengesetz hält er teilweise für „Blödsinn“.

Ratzeburg. „Schießplatz!“, „Vorsicht!“, „Lebensgefahr!“, „Betreten verboten!“ Will man da wirklich weiter? Die Schilder im Waldstück Hundebusch bei Ratzeburg lassen keinerlei Missverständnisse zu. „Was wir machen, ist völlig ungefährlich“, sagt jedoch Vincent Haaga, „aber viele Leute haben Angst vor Waffen.“

Das Clubhaus des Wurftaubenclubs Ratzeburg liegt abseits der Landstraße mitten im Wald. Immer den Schildern und dem Lärm nach. Es knallt. Der Parkplatz ist voll. Viele Hamburger Autos sind zu sehen, knapp 64 Kilometer sind es aus der Hansestadt. Der Ofen bollert, es gibt heiße Würstchen und Kaffee. Es ist gemütlich. Die Schützen tragen überwiegend Erd- und Waldfarben, von hellem Braun bis zu dunklem Grün.

Nur Haaga strahlt in leuchtendem Rot, fällt schon deshalb besonders auf. Der 18-Jährige trägt – wenn man so will – das Nationaltrikot. Schwarz-Rot-Gold am Arm, „GER“ auf dem Rücken und seinen Namen. Der angehende Abiturient aus Heringsdorf bei Oldenburg ist deutscher Jugendmeister 2013 im Skeetschießen, WM-Teilnehmer, der Star und Stolz der Jäger und Sportler vom Hundebusch. „Ein großes Talent, ganz fokussiert, ruhig, ehrgeizig“, lobt Landestrainer Rolf-Herbert Leppin.

Mit 90 bis 100 km/h fliegen die „Tauben“ aus zwei Wurfmaschinen auf dem Stand. Acht Positionen müssen die Schützen in einem Durchgang einnehmen, insgesamt 125 Wurfscheiben sind in einem Wettkampf zu treffen. Haagas Bestmarke ist 118. Das klingt viel, würde aber für einen Wettkampf bei den Senioren über 21 Jahren überhaupt nicht reichen. 123 bis 125 sind da schon die Regel. Der junge Mann aus Holstein ist aber überzeugt, dass er dieses Niveau erreichen wird. „Mein Fernziel ist natürlich irgendwann die Teilnahme an Olympischen Spielen“, sagt er, „von 2020 an halte ich das für möglich.“

Dafür trainiert und arbeitet er intensiv. Es ist Leistungssport, keine Frage. Fünfmal die Woche auf den Schießstand, er wird von einem Physiotherapeuten betreut, macht Fitnesstraining, Stabilisation, Krafttraining. Seit seinem achten Lebensjahr hatte er intensiv Eishockey in Timmendorf gespielt, doch das hat er nun aufgegeben. „Schießen ist deutlich anspruchsvoller, die Koordination, die Konzentration, Kopfhaltung. Viel Training ist unerlässlich“, sagt Haaga. Einmal in der Woche geht er außerdem zum Standardtanzen, auch das hilft beim Körpergefühl. Eine Freundin hat er nicht.

In diesem Sommer baut er sein Abitur im naturwissenschaftlichen Profil am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Oldenburg. „Ich werde bestehen, ein Einser-Abi wird es aber nicht. Dafür müsste ich zu viel Zeit zum Lernen aufwenden, dann hätte ich nicht mehr genug Zeit zum Schießen“, sagt er. Das alles wirkt reif, entschlossen und vernünftig. Die Zukunft nach dem Abitur ist auch schon entschieden. Vincent Haaga beginnt eine Ausbildung zum Industriekaufmann im Betrieb seines Vaters. Der stellt Schlauchfolie, Flachfolie und Verpackungsfolie her, ein solventer Betrieb. Vater Karl ist Jäger, ist Heimtrainer und Förderer seines Sohnes. „Sponsored bei mum and dad“, steht auf Vincent Haagas körpergenau angepasster Flinte. 8000 bis 10.000 Euro kostet solch ein Leistungssportgerät. Ohne Hilfe der Familie geht es nicht. Sponsoren? Praktisch keine, 100 Euro monatlich zahlt die Sporthilfe. Randsportarten-Schicksal. Vielleicht auch Schützenschicksal.

„Waffengesetz zum Teil Blödsinn“

„Ich war schon als Kind ein Waffenfan, Autos haben mich dagegen nie fasziniert“, erzählt Haaga. Das sagt er ganz selbstbewusst. Waffen waren im elterlichen Haushalt immer zugegen, er hat sie als Kind schon gern geputzt. Er kennt natürlich die Diskussionen über Schützen, Gewehre und die Assoziation zu Gewalt und Amoklauf. Wie wahrscheinlich fast jeder Sportschütze und Jäger. Das Eis ist dünn, Haaga und seine Schützenfreunde laufen darauf aber mit großer Selbstsicherheit.

„Dass Waffen gefährlich seien, höre ich natürlich oft. Schießen hat leider ein schlechtes Image“, sagt er. Woher das kommt, das weiß er auch. Jeder kennt schließlich die Orte der Schul-Amokläufe in Deutschland und den USA. Dass in Winnenden und Erfurt Eltern und Täter Mitglied in Schützenvereinen waren, ist auch bekannt und hilft der Sache der Vereine nicht.

„Nur drei Prozent aller Straftaten in Deutschland werden mit legalen Waffen verübt“, sagt Vincent Haaga allerdings. „Das Waffengesetz schränkt einen total ein und ist zum Teil Blödsinn. Wenn einer wirklich vorhat, mit seiner Waffe etwas anzurichten, dann schafft er das auch.“ Irgendwann sagt dann noch einer im kuscheligen Clubhaus, dass man nach der Logik des Waffengesetzes auch den einfachen Zugang zu Messern verbieten müsse. Dazu fällt einem nichts Passendes ein.

Außerdem benutzen Wurftaubenschützen Schrot im Gegensatz zu Kugelwaffen der „statischen“ Sportschützen, die versuchen, in das Schwarze von bewegungslosen Scheiben zu treffen. Die Reichweite ist begrenzt, die Durchschlagskraft der Waffe auch. Die Dynamik aber ist viel größer. „Kugelschießen finde ich völlig langweilig“, sagt Haaga. Erst seit zwei Jahren betreibt er seinen Sport. Dazugekommen ist er mit 16, nachdem er seinen Jugendjagdschein gemacht hat. Es müssen eben nicht nur Tontauben sein, auch die echte Jagd hat es ihm durchaus angetan. „Die Ruhe und das Naturerlebnis auf dem Ansitz“, das genießt er schon. Aber das ist mit dem Sport natürlich gar nicht zu vergleichen: „Jagdliches Schießen ist schwieriger. In der Natur fliegen die Ziele viel unberechenbarer.“