Regionalligist Victoria verteidigt den Titel im Hamburger Amateurpokal mit einem 2:1 über den Oberligisten FC Elmshorn und darf nun im DFB-Pokal ran.

Hamburg . Ohne Mütter wäre das Leben halb so schön. Sie schenken es uns nicht nur, sie geben uns auch viele nützliche Tipps, wie wir es gestalten können, und sie sind bei uns, in guten wie in schlechten Tagen. Manchmal fiebern sie sogar auf der Tribüne eines Fußballstadions mit, wenn ihr Sohn eine wichtige Partie zu bestreiten hat. So geschehen Montag im Stadion Hoheluft beim Endspiel um den Hamburger Amateurpokal vor 4044 Fans zwischen dem Regionalligisten SC Victoria und dem FC Elmshorn. Der Sohn war in diesem Fall kein kleiner Knirps, sondern ein 36-jähriger, der die Begegnung mit einem Traumtor entschied. Roger Stilz, im schweizerischen St. Gallen aufgewachsen, seit sechs Jahren in Diensten des SC Victoria, nahm sich kurz nach Beginn der Verlängerung in der 93. Minute ein Herz und ballerte die Kugel aus 25 Metern trocken in den Winkel.

Danach gab Stilz zu Protokoll, "heute nicht bis in die Puppen zu feiern. Meine Mutter Hilde ist extra aus St. Gallen hergekommen und ich nehme mir heute Zeit für sie.". Er, der clevere Oldie in Reihen der Blau-Gelben, sagte auch noch anderes. Wie es seine Art ist vor allem so manches, was nicht dem üblichen Klischee entspricht. Statt Dortmund oder Bayern wünschte sich Stilz "einen schlagbaren Bundesligisten im DFB-Pokal, so blöd das klingt. Denn ich bezweifle, dass es viel Spaß macht gegen Dortmund zu spielen."

Das Tor von Stilz war jedoch mehr wert als die Titelverteidigung im Oddset-Pokal und die 100.000 Euro Antrittsgeld, die Vicky im DFB-Pokal erhalten wird. Es hat eine Wachablösung im Hamburger Amateurfußball mindestens um eine Woche verschoben.

Vor dem Duell des um den Klassenerhalt in der Regionalliga kämpfenden Traditionsclubs von der Hoheluft und dem frischgebackenen Oberligameister aus Elmshorn war vielfach die Frage gestellt worden, welches Team das stärkere sei. Ein echter Favorit war kaum auszumachen. Zu dominant waren die Elmshorner durch die Oberliga gerauscht. In der ersten Hälfte gab Vicky, nur 48 Stunden nach dem 2:1-Sieg im Punktspiel bei Weiche Flensburg, eine eindrucksvolle Antwort. "Wir sind gut in die Partie hineingekommen und hatten vier bis fünf hundertprozentige Chancen", analysierte Victorias Trainer Lutz Göttling zu Recht. Victoria spielte Elmshorn an die Wand. Vorzugsweise über die linke Angriffsseite und das Dreigestirn Jakob Sachs, Benny Hoose und Conrad Azong. Beste Chancen (Azong/7., Hoose/13., 29. Brüning/25. und Sachs/27.) ließ die Mannschaft aber aus. "Nur" Hoose war per Beinschuss gegen Ole Springer nach Zuckerpass von Sachs zum 1:0 (14.) erfolgreich. Elmshorn traf durch Patrick Zillers verrutschte Flanke (8.) einmal die Latte - sonst kam nichts vom fast körperlos agierenden Oberligachampion.

In Hälfte zwei musste Victoria der hohen Belastung des Flensburg-Spiels Tribut zollen. Elmshorn, allerdings ebenfalls mit einer hohen Belastung an Spielen in der Rückrunde, gestaltete die Partie nun ausgeglichen ohne gefährlich zu werden. Bis Tim Jeske einen eigentlich zu langen Pass von Jan Lüneburg mit einem Grätschschritt quer in der Luft liegend völlig überraschend zum 1:1 einnetzte (78.).

Nun war der Moment da, der die Wachablösung hätte bedeuten können. Doch Victoria rettete sich in die Verlängerung - und als keiner damit rechnete schlug der Altmeister mit seinem Altmeister zurück. Stilz traf, Elmshorn vergab drei Ausgleichschancen (Ziller/113., Jeske/114., Gersdorf/117.) - der Rest war blau-gelber Jubel

"Wir bleiben die Nummer drei der Stadt und haben das auch durch unsere Leistungen in der ganzen Saison gezeigt", sagte Manager Ronald Lotz, bevor er dem Elmshorner Trainer Achim Hollerieth fair zur Vorstellung seiner Mannschaft gratulierte. Hollerieth gab zu, dass er sich "über ein 0:3 oder 0:4 zur Pause nicht hätte beschweren können". Nach dem Ausgleich habe er ein gutes Gefühl gehabt, "und dann packt Roger da so ein Ding aus".

Für Elmshorn heiße es jetzt, sich die Wunden zu lecken, um dann die Aufstiegsrunde anzugehen. Der SC Victoria will die durch den DFB-Pokal entstehenden Zusatzeinnahmen wie schon zweimal zuvor (2010 und 2012) in den letzten drei Jahren klug investieren. "Wir werden uns sicher wieder infrastrukturell weiter entwickeln", sagte Lotz. Stars sollen keine geholt und weiter sparsam gewirtschaftet werden. "Unser Weg gibt uns ja recht", so Lotz.

Bezüglich des Spiels am Sonnabend in Kiel, bei dem der SC Victoria noch einen Punkt braucht, um die Regionalliga Nord zu halten, sei er "sehr optimistisch". Noch ist Vicky nicht ab- und Elmshorn nicht aufgestiegen. Und so heißt das Aushängeschild des Hamburger Fußball-Verbandes zunächst weiterhin SC Victoria - und das wird nicht nur Mutter Hilde Stilz freuen.