Rio de Janeiro. Auf Marco Koch ruhen die Hoffnungen des deutschen Schwimmteams. Seine Schnelligkeit verdankt er auch seinem Körperbau.

Dieser Mann ist so herrlich uneingebildet. Wenn Marco Koch, die große Goldhoffnung des deutschen Schwimmteams bei den Olympischen Spielen in Rio, über sich und seinen Sport erzählt, ist nicht ein Fünkchen von Arroganz zu spüren. Koch weiß, was er in den vergangenen vier Jahren alles auf sich genommen hat für seinen Start am Dienstag über 200 Meter Brust (Vorlauf 18 Uhr MESZ, Halbfinale Mittwoch, 3 Uhr MESZ), aber macht darum kein großes Aufheben.

Wie jeder Sportler träumt auch der 26-Jährige vom Olympiasieg, doch ein solches Ziel würde er niemals ausgeben. „Ich strebe nicht Titel oder Medaillen an“, sagt Koch. „Ich bin nur für meine Leistung verantwortlich. Was die anderen bringen, kann ich nicht beeinflussen. Für mich zählen nur Zeiten. Ich will unter dem Weltrekord bleiben. Wenn andere trotzdem noch schneller sind, kann ich mir keinen Vorwurf machen.“ Den Weltrekord hält Akihiro Yamaguchi seit 2012 mit 2:07,01 Minuten. Als Koch vor einem Jahr bei der WM in Kasan als Weltmeister anschlug, geriet er nicht etwa außer sich vor Freude, sondern ärgerte sich vielmehr über seine Zeit (2:07,76). Schon damals hatte er sich den Weltrekord vorgenommen.

Koch ist ein Mann der Gegensätze. Einerseits trainiert er in seiner Heimatstadt Darmstadt in einer alten Halle gemeinsam mit dem normalen Badegast. Andererseits tüftelt er mit seinem Trainer Alexander Kreisel immer an Möglichkeiten, um die Technik zu verbessern. Nichts dem Zufall überlassen, jede Hundertstelsekunde zählt.

PDF: Das sind Hamburgs Olympioniken

Die Badegäste, die Koch nicht kennen, werden bei seinem Anblick in Badehose nicht auf die Vermutung kommen, dass vor ihnen der Europameister von 2014, der Weltmeister von 2015 steht. Koch sieht nicht wie ein Muskelprotz aus. Auf manche wirkt er sogar nicht ganz austrainiert.

Das ist allerdings ein Trugschluss. Koch hat nur eine ganz spezielle Figur. Sein Trainer sagt, er habe eine fließende Körperform: „Eine Art Pinguinform, sehr weiche Haut, sehr außergewöhnlich, kein Schwabbel. Ich kenne keinen anderen Athleten, der so aussieht.“ Die besondere Stärke: Koch ist ein begnadeter Gleiter. Man sieht kaum einen Spritzer, wenn er auftaucht. Spritzer bremsen.

Das TV-Programm von Rio

Pinguin Koch hat für seine Gold-Mission auch seine Ernährung vollständig umgestellt. „Ich habe mich manchmal nicht so gut gefühlt“, sagt Koch, „es hat sich herausgestellt, dass ich gegen einiges allergisch reagiere. Seitdem ernähre ich mich glutenfrei, fast schon vegan.“ Bei seiner größten sportlichen Enttäuschung, dem Aus im olympischen Halbfinale 2012, war er noch ein Frust-Fresser. „Damals habe ich mittags etwa 54 Chicken Nuggets gegessen, abends noch mal“, blickt er zurück. „Dazu kamen Süßigkeiten und so ein Mist.“

Die süßen und fetten Zeiten sind längst vorbei. Koch hat nicht nur fünf Kilo abgenommen. „Ich kann härter trainieren“, erzählt Marco Koch. „Ich regeneriere schneller und bin stärker geworden.“

Seine alleinerziehende Mutter hat große Opfer gebracht, um ihrem Sohn den Leistungssport zu ermöglichen. Sie fuhr Marco von der Wohnung im Odenwald Tag für Tag zum Training. 40.000 Kilometer pro Jahr. Eine ebenso anstrengende wie teure Angelegenheit, bis sie nach Darmstadt umgezogen sind. Koch weiß, was er seiner Mutter zu verdanken hat. Inzwischen kann Koch von seinem Sport leben.

Eine Reihe von kleinen regionalen Sponsoren unterstützt ihn. Reichtümer hat er nicht verdient. Aber Koch beklagt sich nicht: „Ich werde mich nicht mit 30 zurücklehnen und sagen, so, Freunde, jetzt spiele ich nur noch Golf“, sagte er dem Abendblatt. „Aber es ist okay so. Ich habe im Alter von acht Jahren mit dem Schwimmen angefangen. Da hatte ich doch nicht das Ziel, durch den Sport Millionär zu werden. Es ist ein schönes Hobby, und ich verdiene jetzt sogar noch damit Geld.“

Für den Olympiasieg würde er von der Sporthilfe 20.000 Euro kassieren. Und egal wie er in Rio abschneidet, Koch fliegt sofort wieder nach Hause, um sofort auf die Weltcup-Serie zu gehen. Feiern kann er später, erst muss er Geld verdienen.