Die Europameister im Beachvolleyball, Julius Brink und Jonas Reckermann, kämpfen heute gegen die Weltmeister Alison und Emanuel um Gold.

London/Hamburg. Wenn sich ein Zweimetermann in kurzer Hose bei gefühlten 13 Grad freiwillig in den nassen Sand legt, muss schon etwas Besonderes vorgefallen sein. Jonas Reckermann tat es sich an, und Julius Brink sank nach kurzem Innehalten auf ihn. Derweil die Hamburgerin Laura Ludwig, im Viertelfinale des olympischen Beachvolleyballturniers mit Partnerin Sara Goller ausgeschieden, auf der Tribüne als eine der Lautstärksten jubelte.

Die 26-Jährige war in der Nacht zum Mittwoch Zeugin des bisher größten Erfolgs der deutschen Strandflugballer , seit die Freiluftvariante des Volleyballs 1996 in Atlanta das (Sonnen- und Flut-)Licht des olympischen Programms erblickte. Und nach dem souveränen 2:0 (21:14, 21:16) im Halbfinale gegen die Niederländer Reinder Nummerdor und Richard Schuil schlagen und blocken Brink/Reckermann heute (22 Uhr, ZDF) um Gold. Gegner sind die topgesetzten Weltmeister Alison Cerutti/Emanuel Rego aus Brasilien.

Doch das macht dem nur 1,86 Meter großen Brink, der beim Matchball mit einer sensationellen einarmigen Überkopfabwehr, einem Hechtbagger und einem finalen Shot über den gegnerischen Block all sein Können konzentrierte, und dem Weltklasse-Blockspezialisten Reckermann bei den nasskalten Abendveranstaltungen an der Horse Guards Parade ebenso wenig aus wie die vorherigen Gegner. Mit schwarzer Funktionskleidung unter weißen Trikots und Shorts sind die gebürtigen Westfalen mit ihren bisher sechs Siegen nicht nur äußerlich gut präpariert.

Beide haben als Kleinunternehmer auf Sand gebaut. Mit Jürgen Wagner, Hans Voigt und Markus Dieckmann trainiert ein Trio das Duo in Köln. Wagner ist als Headcoach der ruhige beobachtende Analytiker. Sein ehemaliger Dozent Voigt, Sport- und Bewegungswissenschaftler, ist nicht nur für die Spielanalyse und Gegnerbeobachtung zuständig, Voigt hat für die beiden unterschiedlich konstituierten Athleten ein individuelles Krafttraining konzipiert. Das war umso wichtiger, weil Reckermann wegen einer hartnäckigen Schultereckgelenksprengung im Frühjahr sechs Wochen lang keinen Ball schlagen konnte und der auf vier Jahre angelegte Masterplan zu scheitern drohte. Brink musste mit Balltrainer Markus Dieckmann im Sand mehr arbeiten als geplant. Vorübergehend kein Problem, war der heute 36-Jährige doch bis 2005 selbst als Profi aktiv. Mit dem eloquenten Heißsporn wurde Reckermann zweimal Europameister, gewann 2004 in Rio und Berlin als erstes deutsches Duo Welttourturniere und reiste als Medaillenkandidat zu Olympia nach Athen. Dort kam schon im Achtelfinale das Aus. Ebenso wie 2008 in Peking das in der Vorrunde für Brink mit Markus' Zwillingsbruder Christoph Dieckmann.

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Mit dem Sportpsychologen Lothar Linz, dem vierten Coach im Team, hat Brink sein erstes olympisches Versagen aufgearbeitet. Auch Reckermann nutzten die Gespräche: Der oft sehr "Fokussierte" hatte 2008 mit dem Elmshorner Mischa Urbatzka (jetzt FC St. Pauli) nach anderthalb Jahren Anlauf den Sprung nach Peking verpasst, weil sie nur drittbestes deutsches Duo waren.

Jetzt aber haben Brink, 30, und Reckermann, 33, garantiert Silber am Hals und Jörg Ahmann und Axel Hager in den Schatten gestellt. Die Hamburger hatten 2000 am Bondi Beach von Sydney mit Bronze die bisher einzige deutsche Olympiamedaille erbaggert.

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Als Brink/Reckermann gleich in ihrer ersten Saison 2009 Weltmeister wurden, galt das noch als Sensation. Doch mit WM-Bronze im Vorjahr hatten die zweimaligen Europameister (2011 und 2012) ihren Platz in der Weltspitze längst bestätigt. "Wir werden den Brasilianern nicht kampflos das Feld überlassen und ihnen ein hartes Match liefern", kündigte Brink an. Im WM-Halbfinale hatten er und Reckermann noch gegen die späteren Titelträger Alison/Emanuel verloren. Der bereits 39 Jahre alte Emanuel ist mit 76 Turniersiegen eine elegante Legende, sein bei jedem Angriff brüllender Blockpartner Alison, 26, ähnelt mit 2,03 Metern und 110 Kilo eher einem Diskuswerfer.

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Doch wenn Brink, einst die "Heißdüse" der deutschen Strandflugballer, sowie der Lehramtsstudent und werdende Vater Reckermann wie beim 2:0 im Viertelfinale gegen Cunha/Ricardo (Brasilien) noch einmal kühlen Kopf und ihre variable Aufschlagstärke bewahren, können sie heute als erste Europäer Beachvolleyball-Olympiasieger werden. Und sich dann im Sand wälzen, bis ihre Frauen dazukommen.