Die Beachvolleyballer Sara Goller und Axel Hager über olympische Ambitionen, gestiegene Professionalität und die oft schwierige Kommunikation im Team.

Hamburg. Axel Hager, 43, Bronzemedaillengewinner 2000 in Sydney, kommt im legeren Anzug ins BeachCenter Hamburg, Sara Goller, 28, mit ihrer Partnerin Laura Ludwig, 26, zwei Tage zuvor beim Weltcup-Turnier in Rom Zweite geworden, trägt schon Trainingskleidung. "Um zehn Uhr muss ich auf dem Platz stehen", sagt sie mit einem Blick auf die Uhr. Es bleiben 45 Minuten für ein Gespräch über Medaillen, japanische Kugelstoßer und Kommunikationsprobleme.

Hamburger Abendblatt: Herr Hager, Sie waren 1996 dabei, als Beachvolleyball olympisch wurde. Was hat sich seitdem verändert?

Axel Hager: Rein sportlich gehen die Beachvolleyballer so ein Turnier heute viel professioneller an als wir damals. Wir waren Hobbyspieler. Hobbyspieler mit einem sehr großen Trainingsaufwand. Heutzutage sind die Spieler in großen Teams unterwegs, mit Trainern, Physios, zum Teil mit Mentaltrainern. Es wird ja immer ein bisschen gestritten, ob dadurch der Charme verloren gegangen ist, aber ich glaube, es ist genau der richtige Weg.

In London wird es ein Stadion geben, das die Kapazität des Centre-Courts in Wimbledon hat. Macht Sie das nervös?

Sara Goller: Wie viel ist das?

Etwa 15 000 Zuschauer.

Goller: Ui! Es gibt genug, was mich nervös macht, über den Punkt habe ich bisher noch gar nicht nachgedacht. Ich freue mich sehr darauf. Beachvolleyball ist das angesagteste Event bei den Spielen. Die Tickets sind am schnellsten weg gewesen, es ist direkt vor dem Buckingham Palace, mehr geht ja nicht.

Können Sie Frau Goller erklären, wie es sich anfühlt, eine Medaille zu gewinnen?

Hager (lacht): Puh, nee, ich glaube nicht. Das muss man selbst erfahren. Das Besondere bei Olympia ist, dass das Turnier über einen langen Zeitraum geht. Normalerweise spielt man drei, vier Tage durch, mehrere Spiele am Tag und hat einen engen Zeitplan. Bei Olympia sind es zwei Wochen. Das ist mir im Kopf geblieben. Viel Zeit zu haben, sich körperlich zu regenerieren und in Ruhe auf das nächste Spiel vorzubereiten. Deswegen baut sich eine besondere Spannung auf. Und wenn es dann wirklich hinhaut, fällt einem eine riesige Last von den Schultern. Mehr als bei anderen Turnieren.

Was war rückblickend der größte olympische Moment?

Hager: Das sind bestimmte Spielzüge, die ich noch ganz klar vor Augen habe, wo ich im Nachhinein weiß, dass es an diesen Punkten hätte kippen können. Oder Dinge, die mir sonst nicht gelungen sind, mit denen ich mich zum Teil selbst überrascht habe.

Muss man über sich hinauswachsen, um eine olympische Medaille zu gewinnen?

Hager: Das macht man automatisch.

Inwiefern hat das Ihr Leben verändert?

Hager: In vielerlei Hinsicht. Mit einer olympischen Medaille kann man einen Haken an seine Karriere machen. Das ist das Highlight, das i-Tüpfelchen, und man hat etwas zum Abschluss gebracht. Und letztlich bekommt man Aufmerksamkeit. Wir konnten noch mal schöne Sponsorenverträge abschließen.

Welchen Tipp haben Sie an Frau Goller?

Hager: Ich halte es für sinnvoll, sich mental auf den Druck vorzubereiten. Wer sich zu früh Gedanken übers Scheitern macht, hat schon verloren. Man sollte es immer positiv angehen, Spaß haben, die Atmosphäre aufsaugen.

Goller: Deshalb haben wir ja einen Mentaltrainer. Ich halte es für sehr wichtig, dass da jemand ist, mit dem man alles besprechen kann. Es gibt so viele verschiedene Sachen, mit denen wir umgehen müssen, die auf einen einprasseln.

Welche Erfahrungen können Sie aus Peking nutzen für das Turnier in London?

Goller: Es könnte ein Vorteil sein, dass nicht alles ganz neu und groß und toll ist. Trotzdem wird es eine Mensa geben, wo den ganzen Tag Sportler an dir vorbeilaufen, und du rätst, okay, das könnte ein japanischer Kugelstoßer sein, das ist eine kubanische Turnerin. Man guckt und guckt, und schon ist der Tag wieder vorbei. Das sind sehr viele Eindrücke, und das hat uns in Peking ein bisschen überwältigt.

Hager: Ich habe die These, dass man einmal bei den Spielen dabei gewesen sein muss, bevor man erfolgreich sein kann. Weil diese Atmosphäre wirklich eine ganz spezielle ist, und die lenkt einfach ab. Ich erinnere mich noch, damals im olympischen Dorf, wir wohnten immer zu viert in einem Haus, da hatte der erste Athlet am zweiten Tag schon seine Medaille um den Hals hängen. Stefan Vukovic war das, der Triathlet. Der hat dann Party gemacht, und wir hatten nicht mal angefangen. Es ist schwer, dann die Konzentration zu behalten. Man sieht auch immer wieder Favoriten scheitern, die krasse Leistungsabfälle haben. Da passieren Sachen, die sind einfach nicht zu erklären.

Sie hatten diese Saison ein paar Probleme mit der Schulter. Auf welche Faktoren wird es abgesehen von der Gesundheit noch ankommen?

Goller: Auf die Psyche. Im richtigen Moment müssen wir uns alles zutrauen und sagen: Wir machen das jetzt! Und es wird auf ganz viele Kleinigkeiten ankommen, darauf, wer zum richtigen Zeitpunkt sein bestes Beachvolleyball spielen kann. Wir haben schon die ganze Saison und auch jetzt in der Vorbereitung das Gefühl, dass wir noch mal besser geworden sind. Aber es ist dieses Jahr auch alles noch viel enger geworden. Wir fahren als Weltranglistensiebte hin, aber am Ende entscheiden ein, zwei Punkte, die Tagesform oder ein Netzroller. Natürlich wollen wir eine Medaille holen, aber ich weiß auch wie schwer es wird, Neunter zu werden.

Ahmann/Hager hatte in Sydney niemand auf der Rechnung. Sie mussten dreimal den Rückflug umbuchen, weil Sie offenbar selbst nicht daran glaubten, bis zum Finale dabei zu sein. War das ein Vorteil?

Hager: Ja. Es ist etwas anderes, als Medaillenfavorit zu starten oder als Team, das sein Ziel schon erreicht hat, weil es starten darf. Trotzdem: Jeder, der da ist, will so weit kommen, wie es geht, und jeder rechnet sich insgeheim eine Chance aus, sieht sich schon auf dem Podest und fühlt vor, wie es sein könnte. Davon kann sich keiner freimachen.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die Beziehung zu seinem Partner?

Goller: Für uns im Speziellen ist es ein großes Plus, dass wir ein gutes Team, eine gute Teamdynamik haben. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Teams, die sich gut verstehen, ein bisschen mehr aus sich herausholen können. Wir haben uns schon in so vielen Situationen erlebt und wissen genau, wann man den anderen in Ruhe lassen muss oder wann er Zuspruch braucht. Das sehe ich als Vorteil.

Hager: Jörg Ahmann und ich hatten damals ein spezielles Miteinander. Ohne unseren Trainer Burkhard Sude wären wir wohl nie so erfolgreich gewesen in Sydney. Burkhard hat echt Feingefühl bewiesen und dafür gesorgt, dass wir uns auf uns selbst und unsere Leistung fokussieren konnten. Unser Vorteil war, dass wir so zu diesem Zeitpunkt schon seit acht Jahren miteinander gespielt und uns auch in kritischen Spielsituationen quasi blind verstanden haben. Viele Worte waren auf dem Platz nicht mehr nötig, so konnten wir uns auf das Wesentliche, nämlich das Spiel und unseren Erfolg, konzentrieren.

Goller: Das ist doch auch gut, wenn sich jeder auf sich selbst konzentriert (lacht).

Hager: Genau. Im Nachhinein war das der Schlüssel zum Erfolg. Klar mussten wir ein paar Sachen absprechen, aber ich habe im olympischen Dorf geschlafen, Jörg in einer Wohnung, die wir angemietet hatten. Wir haben uns eigentlich nur auf dem Platz gesehen.

Goller: Ich kann mir das gar nicht vorstellen. Wir gucken uns vor jedem Spiel gemeinsam die Gegner an, besprechen die Taktik, Plan A, Plan B. Das muss ja abgestimmt sein, damit ich weiß, was Laura hinten macht und umgekehrt.

Hager: Das haben wir auch gemacht. Aber wir haben irgendwie mehr für uns allein gespielt. Als wir später mal darüber gesprochen haben, stellte sich heraus, dass Jörg das gar nicht so empfunden hat. Ich aber schon. Es gab wenig Kommunikation, das war schon irre.

Hätten Sie Lust, Olympische Spiele noch einmal ganz entspannt mitzuerleben?

Hager: Ja, hätte ich. Aber so ganz ohne Funktion, nur zum Zuschauen, das würde mir auch keinen Spaß machen. Ich will jedoch noch eins sagen: Es ist an der Zeit, dass die Beachvolleyballer mal wieder eine Medaille mitbringen. Es kann nicht sein, dass wir die einzige Medaille gewonnen haben. Ich habe den Eindruck, dass unsere heutigen Spieler so viel besser geworden sind. Das muss jetzt einfach passieren, ich bin mir sicher. Und warum nicht ihr?

Goller: Ich glaube auch, dass irgendwer mit einer Medaille nach Hause kommt.

Hager: Ich hoffe sehr, dass es unsere Hamburger sind. Ihr macht das schon.

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