Fabian Hambüchen hat sich zurück in die Weltspitze geturnt. Bei Olympia plant Deutschlands Turnstar mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad.

Kienbaum. Testimonial nennen Fernsehmacher jene kleinen Einspieler, in denen Stars ein Event anpreisen. Fabian Hambüchen spricht an diesem drückend heißen Julitag in die Kamera, beteuert wie sehr er sich auf die Olympischen Spiele freut. Und wie sehr er den Sportkanal schätzt, der die Zuschauer mit Informationen aus London versorgen wird. Doch Hambüchens Augenzwinkern wirkt müde, sein Lächeln gezwungen. Dem 24-Jährigen ist anzumerken, dass er jetzt viel lieber das machen würde, was er besser kann als die meisten anderen Menschen auf der Welt: turnen.

Im Bundesleistungszentrum Kienbaum bereitet sich der Bronzemedaillengewinner von 2008 darauf vor, auch noch den Rest der Konkurrenz hinter sich zu lassen. „Form, Kondition und Kraft: Das stimmt alles. Es geht jetzt nur noch um den Feinschliff – darum, perfekt zu turnen“, sagt Hambüchen. Perfektion: Nicht mehr und nicht weniger erwartet er von seinem Auftritt in London. Damit es endlich klappt mit dem Gold bei Olympia.

2004 erschien der damals 16-Jährige als jüngster deutscher Starter auf der Bildfläche und avancierte mit seinen energiegeladenen Auftritten – insbesondere am Reck – zum Publikumsliebling. Nach WM-Gold 2007 schienen höchste olympische Weihen im Folgejahr bereits beschlossene Sache, am Ende scheiterte Hambüchen am öffentlichen Hype um die eigene Person und wurde Dritter. Die Enttäuschung von Peking hinterließ ihre Spuren, er übernahm sich: „Früher war ich selten verletzt, ich war der Dauerbrenner. 2009 kamen die ersten Erscheinungen, ich war ein bisschen ausgebrannt.“

+++ Was wäre, wenn Hamburg Olympia ausgerichtet hätte +++

Nach mehreren kleineren Verletzungen folgte im Januar 2010 die Hiobsbotschaft: Hambüchen riss beim Training die Achillessehne, nur anderthalb Jahre vor Olympia musste er für unbestimmte Zeit pausieren.

In der wahrscheinlich schwersten Phase seiner Karriere offenbarte sich die enorme mentale Stärke des 30-maligen deutschen Meisters. „Ich habe mich monatelang mit dieser Achillessehne herumgeplagt. Jetzt weiß ich endlich, woran ich bin“, sagte er bereits wenige Tage nach dem Riss. Und: „Was bringt es, jetzt Trübsal zu blasen? Olympia motiviert mich.“

Deutlich weniger verbissen als in seinen frühen Jahren erkämpft sich Hambüchen seinen Spitzenplatz im deutschen Team zurück, turnt bei den Meisterschaften im Mehrkampf die Weltklasseleistung von 91,10 Punkten und verspricht: „Da geht noch mehr!“

In Kienbaum sind die ewigen Testimonials endlich vorbei. Hambüchens Augen leuchten, als er sich auf sein Schautraining konzentriert: „Ich bereite eine Übung mit dem Schwierigkeitswert von 7,7 vor – den höchsten, den ich je hatte“, sagt er und legt los.

Für eine kurze Minute vergisst sogar die selten um Worte verlegene Medienschar ihre kollektive Coolness, als Hambüchen das tut, was er am besten kann: turnen.