Der deutsche Pferdesport ist nach einer positiven Probe bei Christian Ahlmanns Pferd Cöster vom schlimmsten Doping-Fall seit den Olympischen Spielen 2004 in Athen erschüttert worden. Dem Wallach wurde die in einer durchblutungsfördernden Salbe enthaltene verbotene Substanz Capsaicin nachgewiesen.

Hongkong. Sofort sind die Erinnerungen an den Doping-Skandal bei den Olympischen Spielen von Athen vor vier Jahren wieder da. Damals hatten die deutschen Springreiter ihre Team-Goldmedaille wegen einer verbotenen Medikation von Ludger Beerbaums Pferd Goldfever zurückgeben müssen. Der neueste Dopingfall der Peking-Spiele schlägt dem deutschen Pferdesport erneut mitten ins Gesicht.

Die Nachricht über Christian Ahlmanns positiven Doping-Test schlug wie eine "Bombe" ein. Bei seinem Wallach Cöster wurde, wie bei drei anderen Pferden, die verbotene Substanz Capsaicin festgestellt. Diese ist nach Angaben des deutschen Mannschafts-Tierarztes Björn Nolting ein Bestandteil der Chilischote und kann zur Durchblutungsförderung eingesetzt werden. Möglich ist aber auch der Einsatz der Creme an den Vorderbeinen oberhalb des Hufes, um die Haut zu reizen, was das Anschlagen an die Stangen schmerzhafter macht. Capsaicin fällt grundsätzlich in die Klasse der verbotenen Medikation, im Falle des Missbrauchs allerdings unter Doping.

"Der Schatten fällt auch auf alle anderen im Team", sagte Verbands- Generalsekretär Hanfried Haring in Hongkong und befürchtet einen großen Imageschaden: "Ich schwanke zwischen Unverständnis und Wut." Zweifel an der Schuld hat Haring trotz des fehlenden Ergebnisses der B-Probe nicht: "Kann doch keiner sagen, dass das vom Himmel fällt."

Auch drei andere Reiter sind erwischt worden: Denis Lynch (Irland) mit Lantinus, Tony Andre Hansen (Norwegen) mit Camiro und Bernardo Alves (Brasilien) mit Chupa Chup. Alle wurden suspendiert und durften nicht mehr am Einzel-Finale teilnehmen. Die norwegische Equipe könnte ihre Bronzemedaille an die Schweiz verlieren, sollte sich das Ergebnis bei Hansens Camiro in der B-Probe bestätigen. Die vier positiven Proben sind durch ein neues Testverfahren zustande gekommen, erklärte Paul Farrington, Mitglied der Veterinär-Kommission im Internationalen Reiterverband FEI. Bei 15 untersuchten Pferden und vier Positiv-Fällen spricht vieles dafür, dass Capsaicin im Springreiten systematisch zur Hyper-Sensibilisierung der Pferdebeine eingesetzt wird. "Jetzt haben wir unser Epo-, unser Radfahrer-Problem", meinte dazu Generalsekretär Haring.

"Ich bin fassungslos", sagte der deutsche Delegationsleiter Reinhard Wendt zum Fall Ahlmann. "Das ist ein Desaster." Der Betroffene selbst verließ nach einer Anhörung fluchtartig Hongkong. Der Springreiter ist aus der deutschen Olympia-Mannschaft ausgeschlossen und ab sofort vom Turniersport suspendiert worden.

Nolting versicherte, dass er von keiner Behandlung des Pferdes Cöster gewusst habe. Alle deutschen Reiter haben unterschrieben, dass die Tiere acht Wochen vor sowie während der Spiele nicht ohne Absprache mit dem Veterinär behandelt werden dürfen. "Wir haben zigfach darüber gesprochen", berichtete Nolting. Die Reiter seien "mehrfach aufgeklärt" worden.

"Wir stehen trotzdem heute da wie vor vier Jahren", klagte der Veterinär. "Die Enttäuschung ist auch deshalb so immens, weil wir wissen, was wir unternommen haben, um so etwas zu unterbinden", sagte Delegationsleiter Wendt. "Ich dachte, wir hätten nach Athen ausgiebig genug darüber gesprochen."

Die Zahl von insgesamt vier positiven Fälle bezeichnete Peter Hofmann, der Vorsitzende des deutschen Springausschusses, als "Supergau für den Sport" und als "absolute Katastrophe". Da denke "man natürlich darüber nach, welche Auswirkungen, dass auf den olympischen Reitsport hat". Die drei Pferdesport-Disziplinen gelten wegen der hohen Kosten seit Jahren als Streichkandidaten für das olympische Programm. Die neuen Doping-Fälle vergrößern das Problem. Vor vier Jahren hatte auch der Springreiter Cian O'Connor seine Medaille nach einem Positiv-Test verloren.

"Das wird davon abhängen, wie die FEI damit umgeht", sagte Haring zur Zukunft des Reitsports und forderte eine schnelle Aufarbeitung. Zur Behandlung des Ahlmann-Falles durch den deutschen Verband meinte er: "Da gibt es keine alten Verdienste und keinen Artenschutz." Ahlmann hatte nach Angaben des Verbandes bei der Anhörung gesagt, dass er sich die positive Probe nicht erklären könne und dass er mehr Zeit für die Recherche benötige.

Ahlmann gehörte zur deutschen Equipe, die am Montag im Mannschafts-Wettbewerb Fünfte geworden war. Die Probe war einen Tag zuvor genommen worden. Nach der Öffnung der B-Probe morgen im "Hong Kong Analytical Laboratory" soll das Ergebnis drei Tage später vorliegen. Vor dem Abflug zu den Spielen in Hongkong hatte es eine interne Kontrolle der deutschen Olympia-Teilnehmer gegeben. Dabei sind nach Angaben des deutschen Tierarztes alle Proben negativ gewesen.