Wie Stephanie Pohl und Okka Rau, die Europameisterinnen von 2003, den Spaß am Beachvolleyball wiederfanden.

Hamburg. Es sollte nur ein kurzer Anruf werden mit den Glückwünschen zum historischen Turniersieg in Marseille und der Bitte, den Olympiafragebogen des Abendblatts doch bis zum nächsten Tag auszufüllen. Das Gespräch dauerte fast eine Stunde, und die Wortbeiträge waren sehr einseitig verteilt. Stephanie Pohl hatte viel zu erzählen, vom Stress der letzten Wochen und Monate, dem Bangen um die Olympiaqualifikation für Peking, dem Zittern und Zaudern, dem Gutzureden, dem Mutmachen und schließlich dem Triumph des vergangenen Sonntags. Sie redete fast ohne Punkt und Komma, voller Euphorie über das Erreichte. Das Handy schien vor Glück zu vibrieren. Erst ein leerer Akku setzte ihrer Mitteilsamkeit ein jähes Ende.

Stephanie Pohl (30) und Okka Rau (31), die beiden blonden Beachvolleyballerinnen des Hamburger SV, haben sich zum zweiten Mal nach 2004 zu Olympischen Spielen geschlagen. Sie taten es mit einem Big Bang. In Marseille gewannen sie als erstes deutsches Frauenteam ein Turnier der Weltserie. "Wir sind doch immer die Ersten", sagt Stephanie Pohl, "2003 waren wir die ersten deutschen Europameisterinnen, 2006 haben wir als Erste drei europäische Turniere in Folge gewonnen - und jetzt dieser Erfolg auf der Worldtour. Wow!"

Seit acht Jahren spielen Pohl/Rau zusammen im Sand - und nie waren sie besser als heute. Das hat viele überrascht. "Das Schlimmste für einen Sportler ist, wenn er stehen bleibt, sich nicht mehr entwickelt. Dann fragt man sich schon, ob der ganze Aufwand, der ständige Verzicht, sich noch lohnt", sagt Okka Rau. Dieser Zeitpunkt des Zweifelns schien im vergangenen Herbst zu nahen, nach einer Saison ohne Titel, mit zwar guten, soliden Leistungen, die Höhepunkte aber fehlten. Erste Anflüge von Gedanken ans Aufhören, die sie heute bestreiten, mögen ihnen in den Sinn gekommen sein.

Vorher jedoch versuchten sie es mit einem neuen Trainer. Ihr Hamburger Headcoach Bernd Schlesinger, der ohnehin die meiste Zeit im Hintergrund gearbeitet hatte, entwarf weiter die Pläne für sie, beim Training vor Ort in Kiel oder in Bordesholm übernahm aber jetzt Gerald Maronde die Kommandos. Er hatte bereits die Kieler David Klemperer und Eric Koreng in die Weltspitze - und dieses Jahr zu Olympia - geführt, und er konnte auch für Pohl und Rau neue Reize setzen. "Er versteht es perfekt, uns auf den Punkt fit zu machen. Er ist genau der richtige Mann für uns", sagt Stephanie Pohl. Und Sätze wie diese sagt sie immer mit dem gehörigen Schuss Hochgefühl in der Stimme. Das klingt dann ein bisschen wie: "Er ist der beste Trainer, den wir je hatten."

Okka Rau teilt die Begeisterung für Maronde, nur mit anderen Worten: "Er hat uns den Spaß am Spiel zurückgegeben." Manager Rüdiger Franzen bestätigt das: "Ich habe die beiden noch nie so fighten sehen wie in diesem Jahr. Jeder Zuschauer spürt, wenn er sie spielen sieht, dass Okka und Stephie wieder heiß auf Beachvolleyball sind." Als in Marseille ihre Kräfte im Finale, es war ihr achtes schweres Spiel in fünf Tagen, nachzulassen drohten, puschten sie sich gegenseitig zum Erfolg. "Wir wollten lieber kämpfen und tot umfallen, als hier zu verlieren", erzählt Stephanie Pohl. Sie schafften gleich beides: überleben und siegen.

Beachvolleyballer, sagen Kenner der Szene, pflegen die schwierigste Zweierbeziehung, die Menschen miteinander haben können. Die gegenseitige Abhängigkeit auf dem Feld, jeder Fehler, den man im Spiel immer auch für den anderen mit macht, führt zwangsläufig zu Spannungen. Mit diesen positiv, nicht selbstzerstörerisch umzugehen, und das über Jahre hinweg, will gelernt sei. Eine reine Zweckgemeinschaft ertragen wenige auf Dauer. Die Schweizer Brüder und ehemaligen Weltranglistenersten Paul und Martin Laciga schafften es einst nur mit radikalen Maßnahmen. Beim Training und im Wettkampf redeten sie kein Wort mehr miteinander. 2004 trennten sie sich nach zehn Jahren. "Dass wir irgendwann, das war vor rund vier Jahren, aufgegeben haben, den anderen ändern zu wollen", darin sieht Okka Rau die Lösung ihrer zwischenzeitlichen Partner-Probleme. "Jetzt wissen wir genau, was der andere im Spiel in kritischen Situationen an Unterstützung braucht. Auch das hat uns weitergebracht."

Die beiden, sagt Manager Franzen, "haben gelernt, an dem anderen das zu schätzen, was sie früher vielleicht störte. Da ist Okka, die Verbissene, und da Stephie, die Lockere. Beide Eigenschaften können sich wunderbar ergänzen. Das haben beide erkannt." Er sei wohl wie in einer Ehe, sagt die unverheiratete Okka Rau, "erst übertüncht die Liebe alles, dann erschlagen die Probleme vieles, und später weiß man ganz genau, was man wirklich aneinander hat."

Zum gemeinsamen Glück, sagen Stephanie Pohl und Okka Rau, fehle deshalb nicht unbedingt eine Medaille in Peking. "Schön wär's trotzdem", meint Okka Rau, "und wir gehören sicherlich zu einer ganzen Reihe von Paaren, die den Sprung aufs Treppchen schaffen könnten." Eines steht für die beiden schon heute fest: "Wir machen nächstes Jahr weiter. Unsere Lust auf Beachvolleyball ist noch lange nicht gestillt."


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