Beim 34:26 der Hamburger Handballer gegen N-Lübbecke darf der lange verletzte Halblinke neun Minuten aufs Feld.

Hamburg. Es war die 51. Spielminute, als HSV-Kapitän Pascal Hens den Rückkehrer Petar Djordjic auf der Bank kurz umarmte und ihm ins Ohr flüsterte: „Du bist fit, hab keine Angst!“ Und dann kam der serbische Rückraum-Shooter ewige 293 Tage nach seinem zweiten Kreuzbandriss auf die „Platte“, die halbe O2 World rief in Sprechchören seinen Namen. Es war der emotionale Höhepunkt eines befreienden 34:26 (14:12)-Bundesligaheimsiegs des HSV Hamburg. „Das war unbeschreiblich. Mir war kalt, gleichzeitig habe ich geschwitzt“, sagte der 24-Jährige in den Arena-Katakomben nach seinen neun Einsatzminuten. „Ich war voller Gefühle wie ein kleiner Junge.“

Eigentlich war sein Wiedereinstieg nicht geplant. „Ich hatte ihn inaktiv hinter der Bank sitzen“, erklärte Trainer Jens Häusler, der den auf sein Comeback brennenden Heißsporn behutsam heranführen wollte. „Aber dann haben wir mit zehn Toren geführt, und ich habe ihm diesen Moment gegeben.“

Nach den ersten zehn Minuten hatte es nicht danach ausgesehen, als sollte es zu diesem Polster und dem Djordjic-Auftritt kommen. Flugs lag der Tabellenzehnte gegen den Vierzehnten mit 1:4 und dann 2:6 zurück, ganz so, als hemmte den HSV nach der Blamage in Wetzlar (25:32) nun Versagensangst. Die Abwehr bekam keinen Zugriff auf das montenegrinische 2,03-m-Rückraum-Ass Vuko Borozan, dem Torhüter Johannes Bitter eine „Riesenfackel im Arm“ attestierte. Doch dann stellte der HSV in einer Auszeit um: Man packte in der Verteidigung viel aggressiver zu, wechselte die Torwartecke. Und für den unglücklich agierenden Halblinken Alexandru Simicu kam Hens (fünf Tore) von der Bank, der mit Hans Lindberg (elf Tore) die Wende einleitete.

Mit einer Aufholjagd glich der immer besser aufspielende HSV zum 6:6 aus. Bis zum 11:11 ging es hin und her. Mit dem 14:12 zur Halbzeit konnte man sich nicht in Sicherheit wiegen, aber dann schien es, als hätten sich die HSV-Profis vom anregenden Halbzeit-Music-Act inspirieren lassen. „The Cinderellas“, vier mit schwarzen Negligés bekleidete Künstlerinnen, sangen per Playback die Soft-Cell-Schnulze „Tainted Love“ und bewegten sich burlesk auf Stühlen. Naja, jedenfalls legte der HSV nach der Pause griffig bis unter die Haarspitzen los. Häusler und Bitter (13 Paraden) hoben die gelungenen Gegenstöße und die zweite Welle hervor. „Wir haben uns bewiesen, dass wir ein Spiel drehen können“, meinte Bitter.

Eine starke Partie machte auch der französische Weltmeister Kentin Mahé, der Zweifeln an seiner Eignung als Spielmacher eine klasse Antwort gab. Obendrein sorgte er für ein Kuriosum: In der 48. Minute traf der 23-Jährige per Aufsetzer Latte und Innenpfosten zugleich. Doch statt ins Tor abzuprallen, blieb das harzige Leder im rechten Winkel kleben! Weil man ja so hoch führte, lachte sich Mahé tot und meinte stolz: „Das habe ich noch nie geschafft.“

In den letzten zehn Minuten bescherte Häusler auch noch Bankdrückern Spielpraxis, etwa Torwart Max-Henri Herrmann. „Jens hat es auch geschafft, einen Richard Hanisch als gefährlichen Faktor ins Spiel zu bringen. Da wächst etwas zusammen für die Rückrunde“, lobte Christian Fitzek. Der Geschäftsführer freute sich auch über Djordjics Gänsehaut-Rückkehr, die in seinem Tor zum 32:22 und anschließendem Brüllen gipfelte („Ich habe alles herausgeschrien“). Bei der weiteren Wurfauswahl haperte es noch. Djordjic: „Ich will wieder voll durchstarten, aber ich brauche noch Zeit.“ Nach dem Abpfiff musste er sich vor der Fantribüne immer wieder verbeugen und schloss dann seine Frau Jelena und sein Töchterchen Klara, 1, in die Arme. Am Mittwochabend im schweren Auswärtsspiel in Melsungen dürfte er jedoch wieder hinter der Bank Platz nehmen. „Ihm fehlt noch einiges in der Abstimmung mit dem Team“, sagte Trainer Häusler.

Tore, HSV Hamburg: Lindberg 11 (2 Siebenmeter), Hens 5, Pfahl 5, Toft Hansen 4, Mahé 4, Jansen 2, Hanisch 2, Djordjic 1; TuS N-Lübbecke: Borozan 7, Pieczkowski 4, Vukovic 4, Langhans 3, Wöss 2, Dissinger 2, Klimek 2, Tauabo 1 (1), Loke 1. Schiedsrichter: Geipel/Helbig (Steuden/Landsberg). Zuschauer: 6733. Zeitstrafen: 2; 6.