Karl Gladeck, neuer Präsident der HSV-Handballer, über seine Ziele, die Finanzen des Clubs und den Umgang mit Hauptsponsor Andreas Rudolph

Hamburg. Das Telefon von Karl Gladeck, 47, steht auch während des Interviews selten still. Die meisten Anrufer werden vertröstet, einige Gespräche nimmt der neue Präsident des Handball-Sport-Vereins Hamburg dann doch an. Nach dem letzten strahlt Gladeck: „Wenn das klappt, sind wir auf einem sehr guten Weg.“ Ein potenzieller Sponsor hatte offenbar gerade eine Zusage über einen namhaften Betrag gegeben.

Hamburger Abendblatt:

Herr Gladeck, seit 2011 hat der HSV-Präsident fünfmal gewechselt. Wie viel Zeit geben Sie sich selbst in diesem Amt?

Karl Gladeck:

Das entscheidet allein die Qualität meiner Arbeit. Wenn ich keinen guten Job mache, fliege ich raus, so einfach ist das. Ich habe mir für meine Arbeit kein zeitliches Ziel gesetzt, nur ein inhaltliches: den Verein wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen und ihn zukunftsfähig zu machen.

Ist die Lage denn so dramatisch?

Gladeck:

Heute nicht mehr. Es fehlt nur noch ein überschaubarer Betrag.

Solche und selbst größere Summen waren in der Vergangenheit für Ihren Clubmäzen Andreas Rudolph nie ein Problem.

Gladeck:

Wir wollen den HSV ja von ihm unabhängig machen – wirtschaftlich wohlgemerkt, nicht personell. Auch deshalb ist er am 8. Mai ja als Präsident zurückgetreten: weil nicht jeder im Verein sein Engagement anerkannt hat. Stattdessen wurde entweder gesagt: Zahl und mach dich vom Acker! Oder: Zahl und bleib dabei. Niemand hat ihm angeboten: Wir finden Ersatz für dich, brauchen dich aber trotzdem. Das ist für mich unanständig. Auch wenn Rudolph jetzt kein Amt mehr bekleidet: Er wird diesen Verein immer lieben, der Club ist schließlich sein Kind.

Ist Rudolphs großes finanzielles Engagement hinderlich bei der Sponsorensuche?

Gladeck:

Unseren Partnern geht es doch nicht darum, wer die handelnden Personen sind. Sie wollen eine Werbeleistung. Die geben wir ihnen. Schauen Sie sich die Palette unserer Sponsoren an: Das sind alles Topadressen. Die machen das für den HSV, wollen ein gutes Produkt bekommen für ihr Geld. Schon jetzt konnten wir unsere Geldeinnahmen durch Sponsoring im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent steigern.

Woher kommt der plötzliche Zuspruch?

Gladeck:

Weil wir uns den Sponsoren öffnen und mit ihnen ausführlich reden. Wir haben am 2. Juli, dem Tag nach der Lizenzerteilung, alle eingeladen, ihnen die neue Situation genau erklärt, sie um Hilfe gebeten. Viele haben sich spontan bereit erklärt, ihr Engagement zu verstärken. Bei den Sponsoren herrscht Aufbruchstimmung.

Das kann man von den Fans nicht gerade behaupten. Genügen 5800 Zuschauer wie zuletzt im Heimspiel gegen die HSG Wetzlar den Ansprüchen des HSV?

Gladeck:

Das fragen Sie, weil Sie die besten Zeiten beim HSV vor drei, vier Jahren erlebt haben, als durchschnittlich fast 11.000 Fans kamen. Ich frage Sie: Nennen Sie mir mehr als drei Vereine auf der Welt, die gegen Wetzlar 5800 Zuschauer haben! Wir haben in diesem Jahr noch die Füchse Berlin, die Löwen und Lemgo als Heimspielgegner. Wenn sich dann unser Zuschauerschnitt bei 6300 einpendelt, sind wir nicht unglücklich. Im Lizenzantrag haben wir 6000 als Kalkulation genannt.

Heißt das, Sie kommen diese Saison ohne eine Patronatserklärung Rudolphs aus?

Gladeck:

Der Saisonetat (rund sechs Millionen Euro, die Red.) ist gedeckt. Wir können also in Ruhe Hauptsponsoren für die neue Saison suchen und dem Lizenzierungsverfahren im Frühjahr entspannt entgegensehen.

Was ist Ihre persönliche Motivation, beim HSV einzusteigen?

Gladeck:

Ich wollte einmal im Leben etwas Cooles machen. Aber ich gebe zu: Als ich am 1. Juli hier angetreten bin, erschien die Aufgabe unlösbar. Heute ist sie lösbar, weil unsere Partner uns sensationell geholfen haben. Diese Art des Engagements ist genau das, was sich Andreas Rudolph in der Vergangenheit immer gewünscht und erhofft hatte.

Einige bezweifeln, dass Sie die Integrationsfigur sind, die die Lager von Rudolph-Gegnern und -Befürwortern versöhnen könnte. Sie gelten als kompromissloser Rudolph-Mann.

Gladeck:

Ich bin ein Teamplayer und suche immer nach Lösungen. Aber ich erwarte von allen, die sich beim HSV in eine Funktion wählen lassen, dass sie ihre Versprechungen halten. Der Verein braucht in seiner jetzigen Situation, dass alle immer hundert Prozent geben.

Was sehen Sie als Ihre wichtigsten Aufgaben in Ihrem neuen Amt an?

Gladeck:

Ich will, dass dieser HSV ein richtiger Verein wird, glaubwürdig und seriös. Wir wollen weitere Mitglieder anwerben. Und der Traum von meinem Stellvertreter Gunnar Sadewater, unserem Jugendkoordinator, und mir ist es, jedes Jahr einen Jugendspieler in die Profimannschaft zu bringen. Wir haben jetzt mit Torsten Lucht und Anja Detmers zum ersten Mal zwei Fanvertreter im Aufsichtsrat. Die Kritik, dass sie keine Strahlkraft hätten, kann ich nicht nachvollziehen. Entscheidend ist doch, dass sie ihren Job seriös machen. Ich will einen Verein, in dem lebhaft diskutiert wird, wir wollen einen Dialogkreis einrichten. Jeder hat meine Handynummer und kann mich jederzeit anrufen, wenn er ein Problem hat.

Werden diese Diskussionen irgendeine Auswirkung haben, oder entscheidet am Ende doch wieder Andreas Rudolph?

Gladeck:

Seit ich beim HSV bin, hat er von zwölf wichtigen Personalentscheidungen nur eine einzige gefällt, nämlich die Bestellung von Christian Fitzek zum Geschäftsführer der Spielbetriebsgesellschaft. Über alles andere, Vertragsverlängerungen mit Spielern zum Beispiel, oder die Verpflichtung unseres neuen Trainers Christian Gaudin, haben wir ihn lediglich umgehend informiert. Das ist sein Anspruch. Er will bloß wissen, was mit seinem Geld geschieht, und das ist auch sein gutes Recht. Mehr will er gar nicht.

Entspricht die sportliche Ausbeute der Mannschaft von derzeit 12:10 Punkten Ihren Erwartungen?

Gladeck:

Ich bin überzeugt, hätten wir am dritten Spieltag gegen den THW Kiel nicht unglücklich 19:20 verloren, wären wir jetzt mit 18:4 Punkten Tabellenerster. Natürlich haben wir heute rund drei Millionen Euro weniger im Etat. Aber die Jungs hängen sich ganz anders rein, da ist ein ganz anderer Wille als noch vergangene Saison zu spüren. Die kämpfen für ihren Verein, das ist schon sensationell. Jetzt müssen viele, die sich bisher ein bisschen verstecken konnten, Verantwortung übernehmen. Und das wollen sie auch. Wir haben bis auf die erste Halbzeit bei den Rhein-Neckar Löwen, als wir 8:17 zurücklagen (Endergebnis: 26:28, die Red.), immer glaubwürdigen, kampfbetonten Handball gespielt. Und die Stimmung auf den Rängen ist besser als im Vorjahr – und das bei 2500 Zuschauern weniger. Ich bin überzeugt davon, dass wir uns am Saisonende als Fünfter oder Sechster für den Europapokal qualifizieren können – und dass wir demnächst auch wieder um die drei Champions-League-Plätze mitspielen.