Fritz Bahrdt war bis Ende September Teil des HSV-Aufsichtsrates. Nun spricht er mit dem Abendblatt über die Abhängigkeit des HSV Handball von Andreas Rudolph und seinen Rücktritt.

Hamburg. Der neue, vierköpfige Aufsichtsrat der HSV-Handballer hat sich auf einen neuen Vereinspräsidenten geeinigt. Für Reiseunternehmer Karl Gladeck, 47, der seit Juli den Vertrieb des Clubs leitet, fand sich jetzt eine Mehrheit. Er folgt damit Andreas Rudolph nach, der am 8. Mai zurückgetreten war.

Bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung am 29. September gehörte auch Fritz Bahrdt, 75, in den 1960er-Jahren Kapitän der deutschen Handball-Nationalmannschaft, dem HSV-Aufsichtsrat an. Bahrdt trat zurück, nachdem Torsten Lucht, 40, in das Kontrollgremium gewählt worden war. Neben persönlichen Gründen störte ihn, dass der ehemalige HSV-Fanbeauftragte als Angestellter von Gladecks Aschaffenburger Firma Teamsportreisen nicht die von ihm gewünschte Unabhängigkeit von den Rudolph-Brüdern Andreas, 59, und Matthias, 56, hat.

Hamburger Abendblatt: Herr Bahrdt, Ihre Entscheidung, während der Mitgliederversammlung durch Verlesen eines Briefes zurückzutreten, hat im Verein damals großes Unverständnis ausgelöst. Wie stehen Sie heute zur ihr?
Fritz Bahrdt: Einerseits hat es im Präsidium und Aufsichtsrat des HSV Handballs in den vergangenen Wochen schon viele bedauerliche Rücktritte gegeben, im Aufsichtsrat Wolfgang Fauter, Maximilian Huber und Uwe Wolf, im Präsidium Frank Spillner und Jens Lingthaler. Andererseits bin ich zwar mit mir im Reinen, aber doch traurig, dass es so gekommen ist. Ich hatte auf eine andere Besetzung des Aufsichtsrats gehofft, fürchte nun, dass er in der jetzigen Zusammenstellung seine Funktion als Kontrollorgan nicht wahrnehmen wird.

Das hat der Aufsichtsrat selbst in Ihrer langen Amtszeit nur selten geschafft.
Bahrdt: Das ist richtig. Und das ist ein weiterer Grund meines Rückzuges. Wie fast alle Mitglieder des Gremiums habe auch ich mich jahrelang bis zur Selbstverleugnung in den Dienst der Sache gestellt. Unser Ziel aber, den Verein in die von allen gewünschte Richtung zu entwickeln, zum Beispiel zu mehr Unabhängigkeit von Andreas Rudolph, scheint mir in der jetzigen Konstellation kaum zu erreichen zu sein.

Dabei wurde Ihnen immer ein besonders gutes Auskommen mit den beiden Rudolphs nachgesagt.
Bahrdt: Das Verhältnis zu den Brüdern Andreas und Mathias Rudolph ist von meiner Seite durchaus intakt. Beide haben Großartiges für diesen Verein geleistet. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Als Andreas Rudolph am 26. Dezember 2004 seine Bereitschaft erklärte, in einer äußerst schwierigen Situation Präsident des HSV Handball zu werden und den Club vor der damals drohenden Insolvenz zu retten, sagte er: „Jetzt wollen wir ein vernünftiger Verein werden.“ Das haben wir aber bis heute nicht geschafft.

Christian Fitzek wiederum, der neue Geschäftsführer der Spielbetriebsgesellschaft, hat gesagt, der HSV wird immer ein Rudolph-Verein bleiben. Und das sei auch gut so, einen derartig großzügigen Gönner an seiner Seite zu wissen.
Bahrdt: Wenn er das so gesagt hat, verstehe ich ihn aus seiner persönlichen Situation heraus sehr gut. Das heißt für mich jedoch nicht, dass man alle vermeintlichen Fehlentwicklungen tolerieren muss. Andreas Rudolph erklärt seit zehn Jahren, dass der Verein unabhängig von seiner Person werden müsste. Gehandelt haben beide Brüder in diese Richtung aber eher weniger.

Ohne das Geld der Rudolphs wäre der HSV 2011 nicht Meister und 2013 nicht Champions-League-Sieger geworden.
Bahrdt: Das ist richtig. Anderseits kann ich mir vorstellen, dass man sogar mit weniger Aufwand, sprich Geld, mehr Erfolg und vor allem größere Nachhaltigkeit hätte erreichen können. Nicht wir, der Aufsichtsrat und das Präsidium, haben den Etat aufgebläht, Andreas Rudolph hat ihn verantwortlich bestimmt.

Sie hätten gegensteuern können. Haben Sie da als Aufsichtsrat nicht Ihre Pflichten verletzt?
Bahrdt: Der damalige Vizepräsident Dierk Schmäschke hatte vor Jahren ein Modell entwickelt, wie der HSV weitere Einnahmequellen erschließen kann. Damit sollte Andreas Rudolph finanziell entlastet werden und der Verein unabhängiger von seinen Zuwendungen werden. Das hatte Andreas Rudolph ja auch stets gefordert. Als Schmäschke dann mithilfe des ehemaligen Lufthansa-Chefs Jürgen Weber eine hochkarätig besetzte Runde aus Hamburger Wirtschaftsgrößen und Vertretern der Stadt zusammenhatte, hat Andreas Rudolph das anberaumte Treffen im letzten Moment abgesagt.

Warum? Es hieß, Rudolph wolle keine „kleinteilige Sponsorenstruktur“. Fürchtete er, Macht und Einfluss zu verlieren?
Bahrdt: Dazu kann ich nichts sagen. Da müssen Sie Andreas Rudolph fragen.

Hätte der Aufsichtsrat in diesem Fall nicht intervenieren und auf dieses Treffen bestehen müssen?
Bahrdt: Hätte das dem HSV-Handball-Projekt wirklich gedient, wenn wir die Konfrontation mit Andreas Rudolph gesucht hätten? Wir wären zu diesem Zeitpunkt und mehrmals später in derselben Situation mit denselben dramatischen Folgen gewesen wie wir sie in diesem Sommer erlebt haben, als der Zwangsabstieg und die Insolvenz der Spielbetriebs GmbH & Co. KG im letzten Moment nur auf wundersame Weise abgewendet werden konnte.

Haben Sie deshalb nach den monatelangen Turbulenzen um die Bundesligalizenz für einen Neuanfang in der Dritten Liga plädiert?
Bahrdt: Das wäre wahrscheinlich die sauberste Lösung gewesen.

Sind Sie aus diesem Grund bei Andreas Rudolph in Ungnade gefallen?
Bahrdt: Das vermute ich. Ich habe ihn zuletzt am 9. Juli angerufen und um ein klärendes Gespräch gebeten. Auf den versprochenen Rückruf warte ich bis heute.

Wie geht es mit dem HSV Handball jetzt weiter?
Bahrdt: Sportlich sehe ich die Mannschaft auf einem guten Weg, da entwickelt sich etwas. Von unserem Trainer Christian Gaudin habe ich einen hervorragenden Eindruck. Mir gefällt vor allem, dass jetzt öfter und intensiver trainiert wird. Ich befürchte allerdings, dass im nächsten Frühjahr das Theater von vorn beginnt, falls für die nächste Bundesligalizenz – für die Saison 2015/2016 – wieder finanzielle Garantien benötigt werden sollten. Ich hoffe sehr, dass es nicht so weit kommen wird. Der HSV Handball hätte das nicht verdient.

Bleiben Sie dem Verein verbunden?
Bahrdt: Ich werde weiter zu den Spielen gehen, helfen, wo ich kann, – schließlich hat der Handballsport 65 Jahre meines Lebens eine große Rolle gespielt –, und der HSV ist ein Club, in dem großartige Menschen arbeiten, der es verdient, sich weiterentwickeln zu können.

Mit Ihren Aussagen werden Sie für neue Unruhe im Verein sorgen. Ist Ihnen das bewusst?
Bahrdt: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil ich es gewohnt bin, meine Meinung zu sagen und zu ihr zu stehen. Ich habe immer im Interesse des Vereins gehandelt, was mir Andreas Rudolph auch bestätigt hat. Und das glaube ich, auch hiermit getan zu haben.