Trainer Martin Schwalb über verpasste und neue Ziele der HSV-Handballer in schwierigen Zeiten des Vereins

HAMBURG :: Nach dem frühen Ausscheiden im deutschen Pokal gegen Göppingen und im Achtelfinale der Champions League gegen den mazedonischen Meister Vardar Skopje müssen die HSV-Handballer die Saison jetzt in der Bundesliga retten. Sieben Spieltage vor Schluss liegen die Hamburger als Tabellenvierter einen Platz hinter den drei Champions-League-Plätzen. Am Mittwoch (20.15 Uhr) beginnt beim abstiegsgefährdeten Tabellen-13. GWD Minden der Endspurt.

Torhüter Marcus Cleverly (Schulter) und der Halbrechte Zarko Markovic (Knie) kehrten angeschlagen von ihren Nationalmannschaftseinsätzen zurück, Spielmacher Domagoj Duvnjak „todmüde“. Abwehrchef Davor Dominikovic ist im Training mit dem rechten Fuß umgekickt, klagt über eine Bänderdehnung; Einsatz ungewiss. In Minden soll Rechtsaußen Hans Lindberg (Bänderriss im Ringfinger der rechten Hand) nach acht Wochen Pause wieder werfen. „Minden spielt sehr aggressiv in der Abwehr, da müssen wir uns sehr gut bewegen“, fordert Trainer Martin Schwalb, 50, von seiner Mannschaft.

Hamburger Abendblatt:

Herr Schwalb, zwei Saisonziele hat der HSV bereits verfehlt, wie steht es um das dritte, das Erreichen der Champions League?

Martin Schwalb:

Keine Mannschaft der Welt erreicht immer alle ihre Ziele. Damit müssen Leistungssportler umgehen können und entsprechende Energie für die anstehenden Aufgaben freisetzen.

Mit dem bisher Erreichten können Sie aber nicht zufrieden sein bei den Ansprüchen des Vereins.

Schwalb:

Wir hatten den größten Umbruch aller Bundesligamannschaften. Sechs Spieler, nicht die schlechtesten, haben uns vergangenen Sommer verlassen, acht neue mussten wir danach integrieren. Das braucht Zeit. Das haben wir immer gesagt. Für einige ist es die erste Saison in der Bundesliga, für andere die erste beim HSV. Wir hatten nach der anstrengenden Vereins-WM Ende August in Katar einen holprigen Start in die Saison. Von dem haben wir uns gut erholt, sodass wir jetzt um die Champions-League-Plätze mitspielen können. Im Pokal gegen Göppingen und in der Champions League gegen Vardar Skopje sind wir sicherlich unter unseren Möglichkeiten geblieben. Das passiert, wenn noch nicht alle Automatismen greifen.

Ist es schwierig, eine Mannschaft einzuspielen, die aus 19 Spielern besteht, dem größten Kader aller Bundesligaclubs?

Schwalb:

Nach den Erfahrungen der vorherigen Spielzeiten mit vielen Verletzten wollten wir uns breiter aufstellen. Das hat sich insofern ausgezahlt, dass wir diesmal kein Problem hatten, stets sieben gesunde Spieler zusammenzubekommen. Ansonsten ist es natürlich schwieriger, die Spielanteile auf 19 statt auf 14 Spieler zu verteilen. Das haben wir vielleicht unterschätzt.

Ihre Rückraumschützen Petar Djordjic und Zarko Markovic mussten deshalb oft zuschauen. Zu oft, sagen viele. Dafür mussten Sie sogar Kritik aus Ihren eigenen Reihen einstecken.

Schwalb:

Gerade Zarko hat viel gespielt, weil Adrian Pfahl, sein Pendant im rechten Rückraum, öfter verletzt war. Petar ist ein großartiger Shooter, der noch ein paar Entwicklungsschritte gehen muss, um in unser Spielsystem zu finden. In der Bewegung ohne Ball hat er noch Potenzial. Daran arbeiten wir. Ich habe die Mannschaft fast täglich im Training, ich sehe, was die Spieler leisten können und was nicht. Danach stelle ich auf. Es ist großartig, wenn sich viele Leute Gedanken über uns machen, aber ich behaupte nun mal, dass ich den besten Einblick in die Struktur des Teams habe. Dass ich auch Fehler mache, will ich dabei nicht abstreiten. Aber über die Jahre haben wir doch den einen oder anderen Erfolg feiern dürfen.

Die Feierlaune scheint vielen vergangen, wenn sie angesichts der finanziellen Engpässe des Clubs an die nächste Saison denken. Bisher stehen zehn Spieler unter Vertrag, und Ihr Nationaltorhüter Johannes Bitter fürchtet, das könnte eine sehr lange Serie werden, wenn nicht alsbald Verstärkungen geholt werden.

Schwalb:

Es ist die Aufgabe eines Trainers, aus den vorhandenen Spielern die bestmögliche Leistung herauszuholen. Und sollten wir keine Neuen mehr bekommen, was nicht passieren wird, werde ich genau das wieder tun. Dann müssen wir nur die Ansprüche der Wirklichkeit anpassen. Damit hätte ich kein Problem.

Das klingt nach Frust.

Schwalb:

Erstens hätten wir weiter eine sehr gute Mannschaft, und zweitens kann aus solch einer Konstellation auch viel Energie wachsen.

Die Qualifikation für die Champions League wäre eine Herausforderung.

Schwalb:

Die Champions League ist ein finanziell lukratives Zubrot, die Bundesliga bleibt unser Kerngeschäft. Das bewiesen die Zuschauerzahlen. Gegen die Füchse Berlin kommen fast 10.000, drei Tage später gegen Skopje zu einem wichtigen K.-o.-Spiel nicht mal 3000.

Wie sieht Ihr Budget für die kommende Spielzeit aus?

Schwalb:

Das kenne ich noch nicht.

Stehen Sie dennoch in Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen?

Schwalb:

Ich höre mich um, sondiere den Markt, mir fehlt derzeit aber die Entscheidungsgrundlage.

Und das nervt Sie?

Schwalb:

Sehe ich etwa genervt aus?

Ja!

Schwalb:

Die Situation ist, wie sie ist.