Das frühe Champions-League-Aus lässt an den HSV-Handballern zweifeln. Eine Vision, wie es aufwärtsgeht, fehlt

Hamburg. Zwei freie Tage – für einen Spitzenhandballer muss sich das, so mitten in der Saison, schon anfühlen wie ein Jahresurlaub. Doch die Spieler des HSV Hamburg, die sich am Montagmittag im Café des Fitnessclubs Aspria in Hummelsbüttel versammelten, sahen nicht so aus, als würden sie sich darauf freuen. Mit leeren Blicken rührten sie in ihren Getränken, jeder in den eigenen Gedanken versunken. Der Schock, den das Achtelfinal-Aus des Titelverteidigers in der Champions League am Vorabend gegen Vardar Skopje verursacht hatte, wirkte auch nach dem Regenerationstraining noch nach.

Nicht einmal dem sonst so geselligen Martin Schwalb war noch nach einem Plausch zumute, der Trainer war der Erste, der sich auf den Weg machte. Was passiert war, hatte ihn vielleicht am wenigsten überrascht. „Wir sind als Mannschaft nun einmal noch nicht stabil genug, um in jedem Spiel 60 Minuten durchzuziehen“, sagte Schwalb, „das ist angesichts der vielen Neuzugänge auch normal.“ Man befinde sich inmitten eines Umbruchprozesses, der noch lange nicht abgeschlossen sei.

Die Frage ist nur, ob der HSV diesen Prozess auch abschließen darf. Andreas Rudolph, der Präsident und Mäzen, soll im ersten Unmut sogar sein auf mindestens drei Millionen Euro jährlich geschätztes Engagement infrage gestellt haben. Nachfragen mochte der Ahrensburger Medizin-Mann anderntags nicht beantworten: „Kein Kommentar.“

Wie abhängig der Club von seinem Gönner ist, wird in diesen Tagen der sportlichen und finanziellen Krise wieder einmal besonders deutlich. Schon nach der Bundesliga-Niederlage in Kiel am zweiten Weihnachtstag hatte Rudolph alle Personalplanungen für kommende Saison auf Eis gelegt. Mitte Februar dann entschied er, dass keiner der acht auslaufenden Spielerverträge verlängert werde. Die Maßnahme sollte der Sanierung des HSV dienen. Von einer Etatdeckungslücke von 1,7 Millionen Euro war die Rede. In Wirklichkeit soll das für das Saisonende zu erwartende Minus noch deutlich höher sein.

Das allein wäre nicht weiter alarmierend – in den zehn Jahren seines Engagements für den HSV hat Rudolph noch jedes Finanzloch gestopft. Nun aber stellen sie sich beim HSV die bange Frage, ob der 59-Jährige womöglich die Lust an seinem Hobby verloren haben könnte. Schon zur Rückkehr ins Präsidentenamt hatte sich Rudolph im Herbst eher widerwillig drängen lassen. Und an großen sportlichen Zielen bleibt nach der Meisterschaft 2011 und dem Champions-League-Sieg 2013 wenig zu wünschen übrig.

Dabei böte die zehntägige Spielbetriebspause die Gelegenheit, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. Noch immer warten altgediente Spieler wie Matthias Flohr und Torsten Jansen auf ein klares Signal, ob und in welcher Funktion es für sie beim HSV weitergehen könnte. Rudolphs letzte Einlassungen diesbezüglich klingen wenig ermutigend – und sie fielen noch unter dem Eindruck des phasenweise berauschenden Sieges gegen Berlin am vergangenen Donnerstag. Die Mannschaft, ließ der Präsident wissen, wäre auch ohne weitere Verpflichtungen oder Vertragsverlängerungen stark genug, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

Mit dem Wissen vom Sonntagabend scheint die Einschätzung hinfällig. Bei der 29:30-Heimniederlage gegen den personell sogar noch dezimierten mazedonischen Meister ließ der HSV die Qualität einer Spitzenmannschaft vermissen. Von den entscheidenden Spielern im Rückraum stemmte sich Domagoj Duvnjak noch am wirkungsvollsten gegen das Ausscheiden. Doch der Welthandballer wird den Verein am Saisonende ebenso verlassen wie Marcus Cleverly, einer der besten zweiten Torhüter, die der HSV je hatte.

So sinnvoll es auch wäre, den auf 17 Spieler aufgeblähten Kader zu verkleinern: Ohne Verstärkungen dürfte es die Mannschaft schwer haben, in der nächsten Saison einen der dann nur noch zwei Startplätze für die Champions League zu sichern. Holger Liekefett allerdings, der neue Geschäftsführer, gab sich zuversichtlich: „Wir wollen nicht die besten sieben haben, sondern die beste Sieben. Und ich bin überzeugt, dass die Spieler dafür an Bord sind.“

Seine Aufgabe, die von Rudolph gekündigten Mitarbeiter der Geschäftsstelle bei Laune zu halten und den Mäzen durch neue Sponsoring-Verträge zu entlasten, ist durch den sportlichen Rückschlag nicht leichter geworden. Noch in der Nacht der Niederlage setzte sich Liekefett an seinen Heimrechner und bastelte am Zukunftskonzept. Auf zwei freie Tage am Stück wird er wohl noch etwas warten müssen.