Im ersten Punktspiel nach seinem Kreuzbandriss sichert der Torwart den HSV-Handballern ein 35:29 beim TBV Lemgo.

Hamburg. Hatte Johannes Bitter wirklich neun Monate nicht spielen können? Und war dieses wirklich erst sein zweites Spiel gewesen, sein erstes richtiges, nachdem er seinen Kreuzbandriss kuriert hatte und am vergangenen Mittwoch beim Pokalspiel in Emsdetten erstmals für zwei Siebenmeter zum Einsatz gekommen war? Diese Fragen müssen sich viele der 6400 Zuschauer gestellt haben, die am Sonntag im Haller Gerry-Weber-Stadion Zeugen des 35:29-(19:15)-Sieges der HSV-Handballer beim TBV Lemgo waren.

Eines Spiels, das ansonsten viele Antworten gegeben hatte: Ja, die Hamburger haben immer noch viele der Stärken bewahrt, die sie im vergangenen Jahr zum deutschen Meister gemacht haben. Ja, sie können einen schwächer besetzten Gegner auch auswärts noch dominieren. Und ja, sie können in dieser oder einer besseren Form in der Bundesliga-Rückrunde vielleicht sogar den Spitzenklubs gefährlich werden, zumindest aber sicher die Champions-League-Qualifikation schaffen.

Und schließlich bewahrheitete sich auch eine alte Handballerweisheit: dass man das Torhüterspielen nämlich nicht verlernt. 40 Minuten waren gespielt, als Bitter bei einer 26:22-Führung des HSV Dan Beutler ersetzte. Der Schwede hatte nur vier Bälle abwehren können, was einer Erfolgsquote von 17 Prozent entsprach. Bitter konnte schon nach wenigen Sekunden die erste Saisonparade verbuchen und gleich darauf die zweite. Sieben sollten es werden, womit er durchschnittlich jeden zweiten Lemgoer Wurf pariert hatte. "Jogi hat uns in einer wichtigen Phase des Spiels die nötige Sicherheit gegeben", sagte Trainer Martin Schwalb.

Allein Timm Schneider hätte in der Schlussphase dem Spiel noch eine schmerzhafte Wende geben können, doch er scheiterte zweimal ebenso freistehend an Bitter wie kurz darauf Rolf Hermann. Und weil die Lemgoer mehrere Konterchancen durch Abspielfehler zunichte machten, wurde der neunte Sieg des HSV noch deutlich. Er war natürlich nicht nur Bitter zu verdanken. Die Abwehr legte eine Aggressivität an den Tag, die bei den Niederlagen in Berlin oder Göppingen noch schmerzlich vermisst worden war. Das ermöglichte vor allem den schnellen Hamburger Flügelspielern Hans Lindberg und Fredrik Petersen Gegenstoßtreffer.

Aber auch die herausgespielten Tore sahen an diesem Sonntag einfach aus. Die Lücken in Lemgos offensiver Deckung nutzte Schwalb aus, indem er einen zweiten Angreifer an den Kreis bestellte. Früher oder später fanden die Hamburger so fast immer einen freien Mitspieler, der aufs Tor gehen konnte.

"Wir haben von der ersten Minute an gezeigt, dass wir nichts anbrennen lassen wollten", sagte Bitter und wagte einen positiven Ausblick: "Wenn wir unsere Abwehr stabilisieren, wird es solche Spiele wie zuletzt auch nicht mehr geben." Ein wichtiges Element hat sich in Lemgo schon einmal vorsichtig angekündigt. Torsten Jansen nahm erstmals in dieser Saison auf der HSV-Bank Platz. Womöglich kann nach Bitter auch der frühere Nationallinksaußen schon am Mittwoch beim Heimspiel gegen Melsungen (20.15 Uhr/O2 World) sein Comeback feiern. Jansen, 35, hatte sich vor vier Monaten an der Patellasehne im Knie operieren lassen.

"Für diese Mannschaft ist es wichtig, dass die Verletzten zurückkehren, das hat man heute ganz deutlich gesehen", sagte Präsident Matthias Rudolph und bekannte sich klar zu Schwalb, nachdem es zuletzt einige Misstöne gegeben hatte: "Wir haben einen hoch engagierten und hoch qualifizierten Trainer, mit dem wir sehr zufrieden sind."

Ein erfolgreicher Jahresabschluss würde Schwalbs Position weiter festigen. In dieser Woche kann der HSV gleich zwei Konkurrenten um die Champions-League-Startplätze hinter sich bringen: am Mittwoch Melsungen, am Sonnabend ebenfalls zu Hause Wetzlar. Gegen die HSG waren die Hamburger mit einer 26:33-Auswärtsniederlage in die Saison gestartet. An Gelegenheiten, etwas wiedergutzumachen, sollte es dem HSV in der Rückrunde nicht mangeln.

Tore, Lemgo: Dietrich 7, Preiß 6, Strobel 5, Hermann 4, Bechtloff 4 (3 Siebenmeter), Schneider 2 (1), Pekeler 1; HSV Hamburg: Lindberg 12 (5), Duvnjak 4, Lijewski 4, Nilsson 4, Petersen 4, Vori 3, Hens 3, Kraus 1. Schiedsrichter: A. und M. Pritschow (Leinfelden-Echterdingen/Stuttgart). Zuschauer: 6400. Zeitstrafen: 7; 6.