Hamburg. Wer gern wissen möchte, wie es um die deutschen Handballer steht, sollte sich an Hanniball halten. Hanniball, 4, brachte es als Maskottchen der Weltmeisterschaft in Deutschland 2007 zu einiger Berühmtheit. Seither ist es ein wenig still geworden um das lustige Hörnchen mit der quietschgelben Irokesenbürste. Gestern nun turnte es quicklebendig durch die Hamburger O2 World, trieb allerlei Schabernack und winkte so aufgeregt zu den 11 502 Zuschauern, als wollte es uns zu verstehen geben: Ich bin auch noch da. Nicht jede Aktion kann man als gelungen bezeichnen. Aber an Engagement war am Ende nichts zu wünschen übrig.

Die Stimmung wäre sicher auch ohne Hanniball prächtig gewesen. Dafür haben die deutschen Handballer mit ihrem gefälligen 28:23-(14:12-)Sieg gegen Schweden schon selbst gesorgt. Er fiel überzeugend aus, wenn man bedenkt, dass Bundestrainer Heiner Brand erst am Vorabend jene Mannschaft zum ersten Training beisammenhatte, mit der er in zehn Tagen in die WM im Land des gestrigen Gegners zu gehen gedenkt. Er schien sogar all denen recht zu geben, die behaupten, dass dem Weltmeister von 2007, dem seither nicht sonderlich viel gelungen ist, bei diesem Turnier alles zuzutrauen ist - auch im Positiven.

"Es ist ein schönes Gefühl, so in die Vorbereitung zu starten", sagte Pascal Hens. Der Hamburger soll die Mannschaft als Kapitän durch das Turnier führen. Die sportliche Qualifikation dafür blieb er gestern schuldig: Von vier Würfen brachte er nur einen ins Tor, und auch seine Anspiele wollten nicht ankommen. Doch das fiel am Ende nicht ins Gewicht, weil Brand in Lars Kaufmann und später Sven-Sören Christophersen zwei hochwertige Alternativen für die linke Rückraumposition zur Verfügung stehen. Das konnte man vor einem wichtigen Turnier lange nicht mehr behaupten.

"Die neuen Leute haben Schwung in unser Spiel gebracht", sagte Hens, "das war der Pluspunkt." Streng genommen waren es natürlich keine neuen Leute, sondern gestandene Spieler wie Michael Kraus vom HSV. Er war wie Hens und Kaufmann und Hanniball einer der Hauptdarsteller der Heim-WM. Seither pflegt er seinen Ruf, ein schlampiges Genie zu sein. Brand versuchte seinen Spielmacher in die Pflicht zu nehmen, indem er ihn bei der Europameisterschaft in Österreich vor einem Jahr zum Kapitän machte. Der Plan scheiterte grandios.

Gestern konnte Kraus mit einigem Recht darauf verweisen, dass 2011 ein ganz neues Jahr ist: "Wenn ich mir die EM-Spiele anschaue, erkenne ich mich ja kaum wieder." Der Kraus von gestern war der von vor vier Jahren: dynamisch, antrittsschnell und mit einem seltenen Armzug gesegnet. Kraus' 100. Länderspiel war eines seiner besten und auch Brand eine lobende Erwähnung wert: "Mimi hat nach langer Zeit einmal wieder gezeigt, was in ihm steckt."

Kraus ist einer von denen, auf die Brand in Schweden unter keinen Umständen verzichten kann. Das gilt auch für seine Torhüter Johannes Bitter, Silvio Heinevetter und Carsten Lichtlein, von denen die beiden Erstgenannten gestern je eine Halbzeit lang gut parierten. Drei Spieler aus seinem 19er-Aufgebot muss Brand aber bis zum 13. Januar noch streichen. Als Entscheidungshilfe sind zwei Testspiele am Wochenende auf Island angesetzt. Sie werden es ihm nicht viel leichter machen, zumal dort Holger Glandorf nach auskurierter Knieverletzung in die Mannschaft zurückkehren wird. Seinen Vertretern Adrian Pfahl und Steffen Weinhold bescheinigte Brand wie überhaupt "allen Beteiligten eine gute Form".

Linksaußen hat sich der Bundestrainer selbst in Bedrängnis gebracht. Erstmals geht er mit einer zweiten Abwehrvariante in ein Turnier. Der erste Stresstest der Fünf-eins-Deckung gestern verlief Erfolg versprechend. Dominik Klein spielt die Rolle des vorgezogenen Störenfrieds auch beim THW Kiel. Torsten Jansen vom HSV wiederum gilt in der klassischen Sechs-null-Deckung als unverzichtbar. Uwe Gensheimer aber ist von allen wohl der sicherste Schütze. "Die Entscheidungen werden mir schwerfallen", ahnt Brand. Seit gestern weiß er, dass er Alternativen hat.

Tore, Deutschland: Kraus 7 (2 Siebenmeter), Gensheimer 3, Weinhold 3, Klein 2, Pfahl 2, Christophersen 2, Heinl 2, Jansen 2 (1), Hens 1, Preiß 1, Sprenger 1, Kaufmann 1, Haaß 1; Schweden: Carlén 6, Doder 3, Ekberg 3 (2), Andersson 3, Gustafsson 2, Källman 2, Larholm 2, Lennartsson 1, Petersen 1. Schiedsrichter: Stark/Stefan (Rumänien). Zuschauer: 11 502. Zeitstrafen: 3; 2.