Der Ex-Weltmeister über die Mentalität beim THW, die Bestechungsaffäre und seine Freude auf das Final Four.

Abendblatt:

Herr Klein, HSV-Präsident Andreas Rudolph hat sich kürzlich nach Ihrem Fernsehauftritt im NDR sehr angetan über Sie geäußert. Sie seien sympathisch und intelligent. Wann wechseln Sie nach Hamburg?

Klein:

Das steht nicht zur Debatte.

Abendblatt:

Hier erzählt man, es seien einige Kieler auf der Flucht vor der Manipulationsaffäre.

Klein:

Dann sind diese Leute nicht gut informiert. Wir sind ein eingeschworener Haufen, der hinter dem Verein steht. Für uns Spieler hat sich nichts geändert, die Zuschauer unterstützen uns.

Abendblatt:

Spielt die ganze Affäre für die Mannschaft keine Rolle?

Klein:

Meine Gegenfrage: Was kann ich als Spieler tun? Nichts!

Abendblatt:

Nervt es nicht?

Klein:

Nein, weil ich bewusst keinen Artikel darüber gelesen habe. Ich will mich damit nicht belasten, solange nicht irgendwann mal alle Fakten auf dem Tisch liegen. Ich mache meinen Job wie alle im Team. In der Halle war es übrigens nie ein Thema unter uns Spielern.

Abendblatt:

Wollen Sie nicht wissen, ob Ihr größter Triumph, der Champions-League-Sieg 2007, auf Betrug beruht oder auf Leistung?

Klein:

Wir haben diese Leistung ja erbracht. Dass wir zum dritten Mal hintereinander im Champions-League-Finale stehen und wieder das Tripel schaffen können, ist die Bestätigung dafür.

Abendblatt:

Einige meinen, die Affäre habe Kiel noch stärker gemacht.

Klein:

Ich habe es bei Wallau-Massenheim erlebt: Kein Geld, Insolvenzantrag - das hat uns zusammengeschweißt. Aber das kann man nicht vergleichen. Wir sind Typen, die einfach erfolgsgeil sind. Unsere Siegesserie hat daran nichts geändert, im Gegenteil: Es macht noch mehr Spaß.

Abendblatt:

Macht diese Erfolgsgeilheit letztlich den Unterschied zum HSV aus?

Klein:

Für andere kann ich nicht sprechen. Wenn du zum THW kommst, hast du nur ein Ziel: auf dem Rathausplatz zu stehen. Dies zu erleben, wie 20 000 das nachschreien, was du ins Mikro brüllst, ist gigantisch. Als Jugendlicher, als ich die schwarz-weiß gestreiften Zebras nur aus dem Fernsehen kannte, hatte ich davon gehört. Das konnte ich mir nicht vorstellen. Jetzt bin ich hier, bei meinem Traumverein. Dieses Bild von den feiernden Fans habe ich stets vor Augen, dafür quälen wir uns.

Abendblatt:

Ist der THW stärker geworden oder die Konkurrenz schwächer?

Klein:

Beim HSV kann davon angesichts der Neuzugänge wohl keine Rede sein, bei anderen auch nicht. Olympia hat die Vorbereitung vieler Klubs sicher gestört, während wir bis auf einen Torwart als Mannschaft zusammengeblieben sind. Wobei der Start mit dem Unentschieden gegen Aufsteiger Dormagen auch uns misslang.

Abendblatt:

Inzwischen sind drei Niederlagen hinzugekommen. Stecken Sie in einer Formkrise?

Klein:

Sie sprechen jetzt über Holstein Kiel?

Abendblatt:

Über Ciudad Real, Lemgo und die Rhein-Neckar Löwen.

Klein:

Stimmt, ja. Das einzig Blöde daran ist, dass wir danach im Training nicht Fußball zum Aufwärmen spielen durften. Das ist hart.

Abendblatt:

Ist diese Einstellung das Geheimnis der Kieler Erfolgsserie? Oder sind die Spieler einfach im positiven Sinne bekloppter, wie manche sagen?

Klein:

Mag sein. Der Verein sucht sich die Spieler auch danach aus. Und ich wäre auch zu Fuß nach Kiel gegangen, um in diesem Verein und damals mit Trainer "Noka" Sedarusic und heute mit Alfred Gislason zu arbeiten. Diese Geilheit, immer wieder zu gewinnen, treibt uns an. Bei uns hasst es jeder zu verlieren. Aber Sie werden es nie erleben, dass sich die Spieler verbal oder mit Gesten niedermachen. Respekt wird bei uns ganz großgeschrieben.

Abendblatt:

Am Wochenende steht das Final Four in Hamburg an. Sind Sie in Gedanken nicht schon beim Champions-League-Finale gegen Ciudad Real?

Klein:

Was du beim THW eingeimpft bekommst: dass du nicht an das übernächste Spiel denkst. Da wird auch nicht gerechnet, wo man wie viel Punkte holen könnte. Ich habe die ganze Saison nicht einmal auf die Tabelle geschaut. Auch das macht diese Mannschaft aus. Nein: Ich freue mich unglaublich auf das Wochenende. Wer das einmal erlebt hat, diese vier Kuchenteile der Fangruppen in der Color-Line-Arena, will das immer wieder. Das wird ein heißes Ding.

Abendblatt:

Sie hatten ja auch neun Tage kein Spiel mehr!

Klein:

Das ist in der Tat völlig ungewohnt. In diesem Jahr spüre ich den Dreitagerhythmus unseres Terminplans extrem. Ich weiß nicht, ob es mit Olympia und der WM zusammenhängt ...

Abendblatt:

... oder damit, dass Sie älter werden.

Klein:

Das hat der Toto (HSV-Linksaußen Torsten Jansen, die Red. ) auch gesagt. Fakt ist, dass wir so viele Spiele wie noch nie hatten. Ich war an Ostern acht Tage mit einer Lungenentzündung außer Gefecht. Da hat zum ersten Mal mein Kopf gesagt hat: Es geht nicht mehr. Vielleicht hat mein Körper diese Pause gebraucht. Die letzten fünf Jahre gab es nur Vollgas. Aber das soll nicht nach Jammern klingen: Ich will ja jedes Spiel mitmachen.

Abendblatt:

Sie sind Weltmeister, deutscher Meister, Champions-League-Sieger, Pokalsieger. Was treibt Sie noch an?

Klein:

Als Sportler kämpfst du letztlich dafür, belohnt zu werden: auf dem Podest zu stehen und den Pokal überreicht zu bekommen.

Abendblatt:

Am heutigen Sonnabend reicht es wohl, die Namen von Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen und Manager Thorsten Storm zu erwähnen. Beide gelten in Kiel als Buhmänner.

Klein:

Ich spiele nicht gegen Funktionäre, sondern um Titel zu gewinnen, für die man das ganze Jahr arbeitet; oder um die besondere Stimmung in der Halle zu erleben, darauf freut man sich schon beim Aufstehen. Und wenn dieses typische Ostseehallenlicht angeht und alles angerichtet ist, willst du nur noch raus und zeigen, dass du es draufhast. Bei uns gibt es keine Handbremsen. Ein Flugzeug kann auch nur mit Vollgas abheben.

Interview: R. Grünberg, A. Leoni