Hamburg. Die Britin Florentyna Parker erlebt ihr bestes Sportjahr – und hat aus politischen Gründen deutschen Pass beantragt.

Ja, es ist grau und kalt im November in Norddeutschland. Und trotzdem: Heimat bleibt Heimat. Die wenigen Tage daheim in Kisdorferwohld nahe dem Golfplatz Gut Waldhof genießt Florentyna Parker. Batterien aufladen, Freunde, Familie – wer immer in der Weltgeschichte unterwegs ist, braucht einen Anker. Vergangene Woche ist Hamburgs beste Golferin mit einem geteilten fünften Platz aus Indien zurückgekehrt, am Sonntag ging es schon wieder nach Katar. Stress? „Ach, ich finde das nicht so schlimm, es geht ja auch in schöne Länder mit schönem Wetter.“

US-Open sind ihr großes Ziel

Seit acht Jahren spielt sie als Profi auf der Ladies European Tour. Aber so, wie es derzeit aussieht, wird sie 2016 das erfolgreichste Jahr ihrer Karriere erleben. „9000 Euro fehlen noch, um meinen bisherigen Höchstverdienst aus 2010 zu übertreffen“, sagt die 27-Jährige, „das sollte wohl klappen.“ Zwei reguläre Turniere vor dem Ende der Saison belegt die gebürtige Hamburgerin Platz fünf im Tour-Ranking, auch das ist besser als je zuvor, und diesen Platz gilt es unbedingt zu halten: „Wenn ich das schaffe, bin ich für die US Open qualifiziert.“ Eines ihrer großen Ziele.

Vater Tim trainiert sie immer noch

Das andere ist die Teilnahme in Europas Team am Solheim Cup, dem prestigeträchtigen Kontinentalvergleich mit den USA, der alle zwei Jahre ausgetragen wird. Platz drei belegt sie im europäischen Ranking, Platz vier muss es am Ende sein, damit sie im August in Des Moines (Iowa) zum zwölfköpfigen europäischen Team gehört. „Es wäre super und eine Ehre“, sagt sie.

Als Tochter eines Golflehrers ist man ja praktisch mit dem Schläger in der Hand geboren, denkt man. War auch so, aber Florentynas Hauptinteresse galt als Kind dem Tennis, erst mit 13 Jahren hat sie den einen Schläger gegen 14 Schläger eingetauscht, den Filzball gegen die kleine Hartplastikkugel und sich auf Golf konzentriert. Vater Tim war ihr Trainer damals in Gut Waldhof. Und er ist es immer noch. „Er kennt meinen Schwung ganz genau und kann mich am besten korrigieren.“ Wenn sie nicht, wie in diesen Tagen, daheim ist und auf Dads Indooranlage auf Gut Kaden trainiert, dann läuft das Coaching über kleine Videos per Internet. „Ich schicke einen Film, und Vater schickt seine Anmerkungen zurück“, erzählt sie, „das klappt sehr gut.“

Ihre Basis soll Europa bleiben

Aber will sie da nicht mal auf die noch größere, viel lukrativere amerikanische LPGA-Tour, wo auch die Deutschen Sandra Gal und Caroline Masson spielen? Knapp 770.000 Euro Karrierepreisgeld hat Parker in Europa bisher eingespielt. Masson war 2010 bis 2012 mit ihr auf der Europatour aktiv und schaffte dann den Sprung in die USA, ihr Karrierepreisgeld liegt nun bereits bei 1,8 Millionen Dollar. Dennoch: Parkers Basis soll Europa bleiben: „Ich fühle mich hier sehr wohl. Und ich spiele lieber regelmäßig vorn in den Top Ten mit, als irgendwo im großen Feld um den Cut zu kämpfen.“ Denn Golf ist zwar ihr Job, aber der soll auch Spaß machen.

Deutschen Pass beantragt

Parker hat wie ihre Familie einen englischen Pass, geht auch im Golf für England an den Start, wie im Mai bei den World Ladies Championships in China. Dabei ist Hamburg für sie die Heimatstadt, hier ist sie zweisprachig aufgewachsen, sie ist sogar Fan des HSV. Vor zwei Wochen hat sie nun wie ihre Eltern einen deutschen Pass beantragt. Eine Reaktion auf den Brexit.

Über Weihnachten trifft sich die Großfamilie auch mit Bruder Ben, der inzwischen in Düsseldorf wohnt, in London. Vorher schlägt Florentyna noch bis Sonntag in Katar und beim Jahresfinale, dem Ladies Masters in Dubai (7. bis 12. Dezember), ab und vertritt dazwischen in Japan erstmals die European Tour in einem Teamwettbewerb gegen Japan, die koreanische Tour und Australien. „Das ist ein schöner Bonus nach einem tollen Jahr“, sagt Parker.