Was für ein dramatischer Abschluß der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Italien sicherte sich im Elfmeterschießen den vierten WM-Titel. Frankreich war lange Zeit die bessere Mannschaft. Nach 120 Minuten stand es 1:1. In der Verlängerung verlor Zidane die Nerven. David Trezeguet vergab als einziger vom Punkt.

BERLIN. Ausgerechnet in der schwersten Krise ist Italien auf den Fußball-Thron zurückgekehrt. Dank ihrer Nervenstärke setzte sich die "Squadra Azzurra" am Sonntagabend im ersten europäischen WM-Finale seit 24 Jahren mit 5:3 im Elfmeterschießen gegen Frankreich durch und holte sich nach 1934, 1938 und 1982 zum vierten Mal den Pokal. Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es 1:1 gestanden. Die Italiener, die erstmals ein wichtiges Elfmeterschießen gewannen, haben nun hinter dem entthronten Weltmeister Brasilien (5) die meisten WM-Titel gesammelt.

Vor 69 000 Zuschauern im ausverkauften Berliner Olympiastadion gelang der Mannschaft von Trainer Marcello Lippi trotz der Belastung durch den Fußball-Skandal im eigenen Land mit viel Glück die Revanche für die Endspiel-Niederlage bei der EURO 2000. Marco Materazzi (19. Minute) hatte für Italien ausgeglichen, während Zinedine Zidane sich seinen Traum vom perfekten Karriere-Ende selbst durch einen zu Recht mit Rot geahndeten Kopfstoß gegen Materazzi (110. Minute) selbst zerstörte. Anfangs hatte "Zizou" noch mit einem frechen Foulelfmeter- Tor zum 1:0 (7.) geglänzt.

Jeder WM-Held erhält für den in der Heimat euphorisch gefeierten Triumph 250 000 Euro Siegprämie. Zur Titelparty flogen die Gewinner noch am Sonntagabend in ihr Duisburger WM-Quartier zurück. Mit an Bord war auch der aus 18-karätigem Massiv-Gold bestehende WM-Pokal, den der Italiener Silvio Gazzaniga 1970 in Mailand kreiert hat.

Fünf Tage nach dem 2:0-Erfolg über den WM-Dritten Deutschland ließ Marcello Lippi in seinem 29. Länderspiel als Italiens Coach seine Elf erstmals in unveränderter Formation beginnen. Und obwohl beide Teams wie fast immer nur mit einer Sturmspitze agierten, entwickelte sich bei sommerlichen Temperaturen von 28 Grad statt des befürchteten taktischen Abtastens zunächst eine tempogeladene, später dann aber doch eine recht Ereignisarme Partie. Immerhin: Gleich der erste gefährliche Angriff der diesmal ganz in weiß gekleideten "Blauen" führte zum Strafstoß, den Materazzi an Florent Malouda verursachte: Zidane nutzte die Chance im 785. und letzten Spiel als Profi zu einem spektakulären Treffer: Sein lässiger Schlenzer prallte von der Lattenunterkante nach unten, aber klar hinter der Linie auf.

Damit ist die französische Fußball-Ikone nach Pele, Vava und Paul Breitner der vierte Spieler, der in zwei WM-Endspielen als Torschütze in Erscheinung trat. Er beendete damit zugleich die Serie von Keeper Gianluigi Buffon, der nach 460 Minuten erstmals wieder hinter sich greifen mußte. Die Italiener hatten zunächst Glück, daß Materazzi Sagnols Schuß ans Außennetz lenkte (9.), steckten danach aber den ersten Rückstand bei dieser WM cool weg. Und ausgerechnet Materazzi machte seinen Fehler wett, als er Andrea Pirlos Eckball zum Ausgleich einköpfte (19.). Es war das zweite Turnier-Tor des Nesta-Vertreters.

Danach beruhigte sich das Match wieder, der Spielfluß ging etwas verloren. Die aggressiveren Italiener blieben aber vor allem bei Standards gefährlich: So hatte erneut nach einer Pirlo-Ecke Luca Toni das 2:1 auf dem Kopf, doch der Stürmer traf nur die Latte (36.).

"Ich habe das Gefühl, daß die Franzosen müde und die Italiener etwas besser organisiert sind", unkte Frankreichs Weltmeister von 1998, Emmanuel Petit, zur Pause. Nach dem Wiederanpfiff drückten aber seine Landsleute deutlich mehr aufs Tempo und stellten die von Fabio Cannavaro in dessen 100. Länderspiel organisierte Hintermannschaft durch Thierry Henry (46./50./60.) nach Sololäufen drei Mal vor Probleme. Auch Zidane riß das Spiel wieder mehr an sich. Dagegen wurde Totti von Claude Makelele total abgemeldet und nach gut einer Stunde gegen Vicenzo Iaquinta auswechselte. Bei den Italienern machte sich der Kräfteverschleiß aus dem Deutschland-Spiel bemerkbar, doch ihnen blieb die Verlängerung erneut nicht erspart.

Für diverse Profis aus beiden Nationalteams könnte es allerdings schon Anfang der Woche ein böses Erwachen aus dem WM-Traum geben. Denn nunmehr für Dienstag haben die Juristen erste Urteile im italienischen Fußball-Skandal angekündigt. Insgesamt acht Akteure, fünf Italiener und drei Franzosen, stehen bei Rekordmeister Juventus Turin unter Vertrag, dem der Zwangsabstieg in die 3. Liga droht.