St. Pauli siegt bei 40 Grad mit 3:0 und zieht in die zweite Pokalrunde ein. Der formstarke Angreifer trifft doppelt, Boll hofft auf O-Serie.

Offenburg. "Auf einmal wurde es ganz weiß", sagte Patrick Funk und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht, das ihm literweise über den Kopf geschüttet worden war. Kurz zuvor, es lief die 90. Minute des DFB-Pokalspiels beim Offenburger FV, war der Mittelfeldspieler nach einem Kreislaufkollaps zu Boden gegangen und vom Platz geschleppt worden. André Schubert winkte nur noch ab, als sich Funk an der Seitenlinie berappelte und mit wackeligen Knien wieder aus dem Schatten trat. Der Trainer ersparte dem 22-Jährigen die zwei Minuten Nachspielzeit wie auch das Auslaufen mit den Kollegen, die auf ihrer Stadionrunde anders als in den vergangenen Jahren diesmal nicht mit Spott bedacht wurden. St. Pauli siegte beim Fünftligaklub mit 3:0, die kalte Dusche hatte Funk exklusiv.

Die ersten Hitzeopfer hatten an diesem klimatisch nur schwer erträglichen Nachmittag in Südbaden auf den Rängen des ausverkauften Karl-Heitz-Stadions gestanden. Bereits während der ersten Halbzeit verließen Besucher die Partie mit einem Sonnenstich durch die Stadiontore, wo gefüllte Wasserkübel zum Trinken und Abkühlen bereitstanden. Die Maßnahmen gegen die auf mehr als 40 Grad angestiegene Temperatur waren vielschichtig. Hunderte der meist halbnackten 10 000 Zuschauer hatten ein nasses Handtuch als Kopfbedeckung gewählt, ein OFV-Fan schob vier Stadionzeitungen unter seine Mütze. Schweißgeruch statt Bratwurstduft auf den drei Stehrängen! Menschenschlangen bildeten sich einzig an den Getränkewagen. Es wurde gefächert, gepustet - und gespritzt. Als die 1500 St.-Pauli-Fans ein Banner "Gegen Polizeiwillkür" entrollten, eröffnete die Feuerwehr zehn Minuten vor dem Anpfiff das Wasser und warf unter dem Gejohle der Anhänger mehrere Hektoliter im hohen Bogen in den Auswärtsblock.

"Es war knackeheiß! Ich habe die ganze Zeit gewartet, dass der Schiri 'nen Pinienaufguss macht. Aber der kam dann doch nicht", berichtete Mannschaftskapitän Fabian Boll vom Feld, "für mich sind diese Bedingungen nichts. Ein Grund mehr, nicht in die Wüste zu wechseln." Dabei trotzte seine Mannschaft den ungewohnten Bedingungen, übernahm mit dem Anpfiff die Kontrolle über die Partie, die von 21 Akteuren in der Offenburger Spielhälfte ausgetragen wurde. Einzig die 17. Minute, als der OFV zielstrebig konterte, Angreifer Christian Seger Jan-Philipp Kalla enteilte und erst an Philipp Tschauner scheiterte, barg Gefahrenpotenzial. Ansonsten erinnerte nichts an die Serie an Pleiten, Pech und Pannen der jüngeren Pokalgeschichte. Auch wenn einige Male zu langsam umgeschaltet wurde, um eines der wenigen Löcher in der engmaschigen OFV-Defensive zu nutzen, hatten die Hamburger diesmal die richtigen Mittel parat: temporeiche Kombinationen, variables Spiel, Suchen und Finden von direkten Duellen, Zug zum Tor. "Ich mache zehn Kreuze", pustete Schubert, der neben den Routiniers Florian Bruns, Marius Ebbers und Florian Kringe auch Dennis Daube aus der Startelf genommen hatte, nach dem Abpfiff durch, "wir haben alles immer im Griff gehabt, zu null gespielt und sind souverän weitergekommen."

Auch weil die Stürmer ihre ersten Pflichtspieltreffer erzielten. Allen voran Mahir Saglik sorgte im Sturmzentrum für Belebung und schwang sich mit technisch versierten Dribblings und zwei entscheidenden Hitzeschlägen gegen den OFV (23., 68.) zum Matchwinner auf. Bei 40 Grad und in den Sand-Camouflage-Trikots der historischen Pokalsaison 2005/2006 war es ein Wüstensturm statt des bei den vergangenen Erstrundenniederlagen in Chemnitz 2010 (0:1) und Trier 2011 (1:2) wüsten Sturms. Da passte es, dass der eingewechselte Angreifer Daniel Ginczek Sagliks zweiten Treffer vorbereitete und 13 Minuten vor dem Ende den Schlusspunkt zum 3:0 setzte.

Der Auftakt zu einem ähnlichen Husarenstück wie 2006, als St. Pauli mit Siegen über Burghausen, Bochum, Hertha BSC Berlin und Bremen seine B-Serie startete und erst im Halbfinale unglücklich am FC Bayern München scheiterte? Boll blinzelte in die Sonne, versuchte vergeblich sich mit dem durchnässten Trikot den Schweiß vom Gesicht zu wischen und gab das Motto aus: "Das nächste O, bitte!"

Statistik:

Offenburg: Streif - Kopf, Gassmann, Kahle, Haas - Schwenk (64. Feger), Vollmer, Schlieter (72. Schwab), Petereit (35. Wittwer) - Seger, Herrmann. St. Pauli: Tschauner - Kalla (64. Avevor), Mohr, Thorandt, Schachten - Boll, Funk - Bartels, Gogia - Saglik (84. Andrijanic), Thy (64. Ginczek). Tore: 0:1 Saglik (23.), 0:2 Saglik (68.), 0:3 Ginczek (77.). SR.: Leicher (SV Neuhausen). Z.: 10 000.