Generalunternehmer veranschlagte das Wellemodell für die Millerntor-Gegengerade zu hoch, der FC St. Pauli prüft nun die Kalkulation neu.

Hamburg. Gestern traf sich das Präsidium des FC St. Pauli zur außerordentlichen Sitzung. Ein zusätzlicher Termin, geschuldet den großen infrastrukturellen Projekten Stadion und Trainingsgelände, aber auch der bevorstehenden Jahreshauptversammlung. Und anders als noch in der vergangenen Woche erwartet, diskutierte das Quintett beim Tagesordnungspunkt "Gegengerade Millerntor-Stadion" nicht allein die Durchführung der für den Jahresbeginn 2012 angedachten vorbereitenden Arbeiten.

Auch und vor allem wird weiter über die Gestaltung der neuen Tribüne beraten, obwohl die Entscheidung im Wettbewerb der zwei konkurrierenden Modelle längst gefallen schien. Mit den von Generalunternehmer Hellmich vor zehn Tagen präsentierten Zahlen schien das Rennen bereits über den Preis entschieden - zugunsten der konservativeren Ursprungsplanung. Doch St. Pauli muss nun neu rechnen, die Hellmich Gruppe veranschlagte den von den Hamburger Architekten des Kreativlabors Interpol geplanten Gegenentwurf, die "Welle", möglicherweise sogar beide Kostenrechnungen, deutlich zu hoch.

Die Dinslakener Baufirma, die nach dem Abriss der Südtribüne im Dezember 2006 die Ausschreibung als Generalunternehmer für den Neubau des Millerntor-Stadions gewonnen und bereits die ersten beiden Abschnitte Süd und Haupt durchgeführt hatte, errechnete für die Realisierung des sogenannten Basismodells des Dortmunder Architekturbüros ar.te. plan Kosten in Höhe von 13 Millionen Euro, die Welle wurde auf einer zwei DIN-A4-Seiten kurzen Kostenschätzung mit etwas mehr als 20 Millionen Euro veranschlagt. Eine Differenz von mehr als sieben Millionen Euro, die den Verantwortlichen beim Hamburger Zweitligisten die Entscheidung abgenommen hätte. Das Finanzpaket, das noch in diesem Monat der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll und neben dem Bau der Gegengeraden auch die neue Nordtribüne und das Trainingsgelände samt Funktionsgebäude an der Kollaustraße beinhaltet, besitzt ein Volumen von 20 Millionen Euro - für alle drei infrastrukturellen Projekte zusammen.

Doch das Angebot beinhaltete grobe Fehler. Besonders auffällig: Beim Welle-Modell war das Dreifache der tatsächlich benötigten Stahlmenge berechnet worden. Die Kalkulation wurde unmittelbar um 2,5 Millionen Euro nach unten korrigiert. Der einzige Rechenfehler? Die Unterstützer der Welle sind verwundert über die falschen Zahlen, rechnen sich nun nach der Korrektur aber wieder reelle Chancen auf den Zuschlag aus und haben ihr Modell auf Grundlage der aktuellen Kostenschätzung einer eigenen Überprüfung unterzogen. "Nach unseren Schätzungen gehen wir davon aus, dass die Kosten auf Basis des Status quo um bis zu zwei Millionen Euro weiter gekürzt werden können. Durch entwurfliche Maßnahmen sind darüber hinaus faktisch zusätzliche zwei Millionen Euro Reduktion zu realisieren", stellt das für die Welle zuständige Ingenieurbüro OSD auf Abendblatt -Nachfrage fest. Die Differenz von aktuell 4,5 Millionen würde dann auf ein Minimum verringert werden und so das vom Verein in Auftrag gegebene Modell auf der Zielgeraden noch wettbewerbsfähig gemachet. Vereinsintern war zuletzt immer wieder von einer bei 1,5 Millionen Euro verorteten Schmerzgrenze die Rede.

+++ Schock beim FC St. Pauli: Sobiech fällt lange aus +++

+++ HSV und St. Pauli unterstützen schwule Fußballer in Hamburg +++

St. Paulis Präsidium lässt Angebot und Kostenschätzung nun seinerseits von Projektsteuerer Heiner Peschers umfangreich nachprüfen, um zumindest noch in die Nähe der für den Neubau der Gegengerade ursprünglich veranschlagten neun Millionen Euro zu kommen. Auch das Angebot für das Basismodell des Architekturbüros ar.te. plan, mit dem Hellmich bereits gemeinsam die Fußball-Arenen des MSV Duisburg, des FC Ingolstadt sowie von Alemannia Aachen und Spartak Moskau geplant und gebaut hatte, wird auf seine Richtigkeit untersucht.

Eine bevorzugte Zusammenarbeit mit den Dortmunder Architekten gebe es indes trotz der langjährigen Verbindung nicht, wie Walter Hellmich versichert: "Ich persönlich weiß nichts von dem Rechenfehler, und mir ist auch völlig egal, mit wem ich arbeite. Ich habe auch keine Vorbehalte gegen die Leute, die die Welle entwickelt haben", sagt der Unternehmer, "mir ist allein der Auftraggeber wichtig. Und der muss sich jetzt schnell entscheiden. Wichtig ist, dass St. Pauli innerhalb der nächsten 14 Tage die Planung abschließt und es losgeht. Sonst passt es nämlich zeitlich nicht mehr."

St. Paulis Führungsriege ist sich dessen bewusst, will die Zahlen von Peschers aber auch sorgfältig prüfen lassen, um das Risiko einer überteuerten Gegengeraden zu verringern. Zumal die Kosten auch beim Innenausbau unabhängig der zwei Varianten in die Höhe schießen. 600 000 Euro hat Hellmich allein für die Räumlichkeiten von Fanräume e. V. veranschlagt. Die Organisation, die im Bauch der Gegengeraden eine Heimat finden wird, hatte einen Preis von maximal 400 000 Euro und damit ein Drittel weniger errechnet. Der Klärungsbedarf ist hoch. Für Montag, 16.30 Uhr, ist die nächste Präsidiumssitzung angesetzt.