St. Pauli kassiert mit einem 0:1 beim 1. FC Köln die zweite Niederlage in Folge. Wie schon gegen Hoffenheim fehlt es an Genauigkeit.

Köln. Holger Stanislawski hatte seine gefalteten Hände in den Nacken gelegt. Etwa eine halbe Minute stand er in regungsloser Verkrampfung an der Seitenlinie, nachdem Schiedsrichter Christian Dingert aus Lebecksmühle mit seinem Schlusspfiff die 0:1-Niederlage beim 1. FC Köln besiegelt hatte. Dann löste St. Paulis Trainer die Pose, schlug sich auf den Oberschenkel und sorgte mit einem extralangen Pusten für den überfälligen Druckabfall.

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Die Schlussphase hatte Stanislawski in ihren Bann gezogen. Seine Mannschaft stemmte sich gegen die Niederlage, und die unmissverständliche Dauergestik des Trainers, der seinen Spielern permanent mit dem Zeigefinger in Richtung Kölner Strafraum deutete, war eigentlich unnötig gewesen. Die Hamburger belagerten das gegnerische Tor ohnehin, waren nur noch in eine Richtung unterwegs. Wie übrigens auch der Trainer, der seine Coaching Zone längst hinter sich gelassen und der Spielverlagerung entsprechend in Richtung Nordtribüne gefolgt war.

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Ein Aufwand, der in den letzten Sekunden des Spiels beinahe noch für einen zufriedenstellenden Ertrag gesorgt hätte, doch Richard Sukuta-Pasu traf in der ersten Minute der Nachspielzeit lediglich aus Abseitsposition, und in der 93. Minute köpfte der Angreifer aus einem Meter Entfernung über das Tor. "Wir haben in der zweiten Halbzeit wahnsinnigen Druck aufgebaut, nur leider vergessen, das Tor zu machen. Vielleicht sollten wir einen Antrag stellen, die Torlatten höher zu hängen", sagte der Trainer und hatte damit zwar nicht den vermissten Punkt, dafür aber immerhin seinen Humor wiedergefunden.

Allerdings war es nicht nur der eingewechselte U-21-Nationalstürmer, der an diesem Tag zu ungenau zielte. Wer von elf Schüssen nur einen auf das gegnerische Tor bekommt, darf am Ende nicht über fehlenden Ertrag lamentieren. 54 Prozent Ballbesitz und zehn Ecken auf fremdem Platz standen als weitere Zeugen einer alles in allem selbstbewussten Vorstellung, bei der es den Braun-Weißen jedoch - wie schon bei der vorangegangenen 0:1-Heimniederlage am Millerntor gegen die TSG Hoffenheim - zu sehr an Genauigkeit und Effizienz fehlte.

Nach vielversprechenden ersten Minuten war St. Pauli immer mehr von seinem Konzept abgewichen, der Rückstand in der 17. Minute, eingeleitet durch einen Ballverlust von Fabian Boll und ermöglicht durch kollektive Passivität, forcierte diese Entwicklung zusätzlich. "Wir waren bis zum Gegentor die bessere Mannschaft, hatten dann viele Stockfehler drin, das Selbstvertrauen war kurz, aber insgesamt zu lange angeknackst", berichtete Matthias Lehmann später. Der Mittelfeldspieler selbst hatte auf dem Platz mit einigen Aktionen versucht, seine Mitspieler wachzurütteln, griff die Kölner immer wieder giftig an und betätigte sich im Rahmen seiner 82 Ballkontakte - Bestwert aller 28 Spieler - nebenbei noch als Ankurbler des immer träger werdenden Offensivspiels, das mit Ausnahme einiger ungenauer Fernschüsse viel zu lange eingestellt wurde. Erfrischende, überraschende Aktionen blieben den 50 000 Fans im ausverkauften Rhein-Energie-Stadion verwehrt. Deniz Naki, in der vergangenen Saison oft das belebende Element in vergleichbaren Situationen, war von Stanislawski wegen schwacher Trainingsdarbietungen aus dem Kader gestrichen worden. Und Charles Takyi, bei seinem Saisondebüt nach starken Trainings- und Testspielleistungen von Stanislawski dazu auserkoren, Passschnelligkeit und -genauigkeit im Angriff auf ein höheres Niveau zu heben, hatte ein Vakuum verursacht, das aber auch Lehmann allein nicht zu füllen vermochte.

So war es allein Torhüter Thomas Kessler zu danken, dass St. Pauli gegen biedere Kölner in der Schlussphase überhaupt noch die Chance auf einen Punkt besaß. "Uns fehlte da heute sicherlich auch etwas Glück", befand Sportchef Helmut Schulte, "aber nach dieser ersten Hälfte von uns brauchen wir uns nicht über die Niederlage zu beschweren."

Eine Woche vor dem mit großer Spannung erwarteten Stadtderby gegen den HSV ist der hervorragende Start zu einem durchschnittlichen Ergebnis verkommen. Aus einem Sieg nach einem Spiel wurden drei Punkte aus zwei Partien. Eine weitere später ist St. Pauli mit drei Zählern Tabellen-13. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in Schönheit sterben", mahnt Holger Stanislawski. Eine Problematik, die angesichts der Brisanz für die kommende Partie ausgeblendet werden kann. Im Derby vor eigenem Publikum sind andere Qualitäten gefragt.