Carlos Zambrano über die Gefahren in der peruanischen Heimat, seine Ziele beim FC St. Pauli und ausbaufähige Kochkünste.

Hamburg. Beim 3:1-Sieg des FC St. Pauli in Freiburg lieferte er ein glänzendes Debüt ab. Der vom FC Schalke 04 ausgeliehene Verteidiger Carlos Zambrano gewann 80 Prozent seiner Zweikämpfe. Vor fünf Jahren kam der Peruaner nach Deutschland und spielte in der Jugend des FC Schalke 04, bevor er dort seinen ersten Profivertrag erhielt. Wenn der 21-Jährige über seine Heimat und das Essen seiner Mutter spricht, glänzen seine Augen.

Abendblatt: Haben Sie schon als Kind daran gedacht, Profifußballer zu werden?

Carlos Zambrano: Als Kind noch nicht, nein. Ich habe Fußball gespielt, weil es mir riesigen Spaß machte. Zu Anfang auf der Straße. Es gab nur wenige Fußballplätze und die, die es gab, wurden von irgendwelchen Unternehmen gekauft, und dann sollten wir Kinder bezahlen, um dort zu spielen, oder sie haben den Platz abgerissen. Als ich zehn war, bin ich dem Klub Deportiva Cantolao beigetreten. Die ersten sechs Monate musste mein Vater Beiträge bezahlen, dann hat mein Trainer erkannt, dass ich gut spiele, und ich durfte kostenfrei mitmachen. Meine Familie hatte immer Geldsorgen, und ich merkte, dass ich ihnen nur helfen kann, wenn ich mit Fußballspielen Geld verdiene. Mit 15 Jahren änderte sich dann meine Mentalität. In Peru kannst du so hart arbeiten, wie du willst, niemand verdient so viel Geld wie ein Fußballprofi. Gott sei Dank habe ich es geschafft und kann meine Familie mit dem Geld, das ich heute verdiene, unterstützen.

Würden Sie sagen, Sie haben das Fußballspielen im Verein oder auf der Straße gelernt?

Was das Spiel an sich angeht, habe ich es auf der Straße gelernt. Ich habe zwar im Verein gespielt, aber nie aufgehört, mit meinen Freunden auf der Straße zu spielen. Mein Vater und mein Trainer meinten, es wäre zu gefährlich, aber ich habe nicht auf sie gehört. Ich habe fast jeden Tag auf der Straße gespielt.

Wieso hielten sie es für gefährlich auf der Straße zu spielen?

Callao ist eine gefährliche, kriminelle Stadt.

In welchen Verhältnissen sind Sie aufgewachsen?

Sehr behütet und ruhig. Obwohl wir nicht viel Geld hatten, bekamen wir alles, was wir brauchten. Es war zwar nicht viel, aber meine Eltern haben alles für mich und meinen Bruder getan. Deshalb gebe ich ihnen jetzt zurück, was ich zurückgeben kann. Sie haben mittlerweile ein neues Haus und wohnen nicht mehr in der Favella.

2005 haben Sie als 15-Jähriger an der U-17-WM im eigenen Land teilgenommen. Das muss ein spezielles Ereignis gewesen sein?

O ja, das war wunderschön. Eine WM ist für jeden Fußballer etwas Besonderes. Und mit 15 Jahren umso mehr. Wir haben nicht viel erreicht, aber für mich war es natürlich ein tolles Turnier, weil Schalke 04 auf mich aufmerksam geworden ist.

Und Ihre Familie?

Meine Eltern waren sehr zufrieden. Sie wussten, dass ich viel Geld verdienen könnte. Klar waren sie traurig und haben sich Sorgen gemacht, da ich ja noch sehr jung war. Aber sie dachten auch an das Geld und ließen mich gehen. Heute sind sie sehr stolz auf mich.

Und für Sie selber war der Wechsel über den Ozean sicher auch nicht leicht.

Natürlich nicht. Ich konnte kein Wort Deutsch, und das Essen hat mir Probleme bereitet, es ist einfach anders. Ich habe zu Anfang jeden Tag bei McDonald's oder Döner gegessen. Bis heute kann ich nicht kochen, Reis und Eier bekomme ich gerade noch hin. Meine Familie konnte mich nur ab und zu besuchen, aber ich wollte unbedingt Profispieler werden, und es hat ja auch geklappt.

Mittlerweile fühlen Sie sich aber wohl in Deutschland?

Ja, jetzt ist alles gut. Zweimal im Jahr fahre ich nach Peru und besuche alle. Ich habe auch einen kleinen Sohn zu Hause, Luciano Francesco. Er ist schon fast drei Jahre alt und lebt mit seiner Mutter bei meinen Eltern. Ich trage seinen Namen auf meinen Schuhen. Bald werden er und meine Freundin nach Deutschland kommen.

Worin sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Peru und Deutschland?

Alles ist anders. Das Beste an Peru ist das Essen. Und Deutschland? Ein Land mit großer Bedeutung für ganz Europa. Es herrscht Ordnung, Professionalität, Disziplin. Peru ist genau das Gegenteil. Da herrscht meistens ein fürchterliches Chaos. Trotzdem sind die Menschen in Peru, in ganz Südamerika sehr glücklich. Das Zusammenleben in der Familie ist sehr wichtig. Wir haben zu siebt in einem Haus gewohnt, jetzt sind es sogar zehn. Das macht viele zufrieden.

Und die Unterschiede auf dem Platz?

Die Ordnung, die Disziplin, die hier herrscht, gibt es in Peru nicht. Deshalb spielt Deutschland regelmäßig bei Weltmeisterschaften ganz vorne mit, und wir nehmen nicht einmal teil. Außerdem ist die Organisation hier perfekt. Dabei hat Peru sehr gute Spieler. Farfan, Pizarro, Guerrero, Vargas, der beim AC Florenz spielt. Aber wenn die Spieler nach Peru kommen, wollen sie sich nicht verpflichten lassen, gehen keine Kompromisse ein. Sie sehen es oft als Urlaub. Wir haben eine gute Mannschaft, aber zusammen funktioniert die Mannschaft irgendwie nicht. Jetzt haben wir einen neuen Trainer, und wir träumen alle davon bei der WM 2014 in Brasilien dabei zu sein.

Beim FC St. Pauli ist schon jetzt abzusehen, dass Sie eine wichtigere Rolle einnehmen als bei Schalke.

In Schalke kam ich nicht so zum Zug, wie ich es mir gewünscht hatte. Die Möglichkeit, zu St. Pauli zu wechseln, kam sehr gelegen. Ich habe immer Kontakt gehalten zu Helmut Schulte. Wir kennen uns mittlerweile sehr gut, und er weiß, was ich kann, und hat glücklicherweise immer Interesse an mir gehabt. Schon vor einem Jahr hatte St. Pauli angefragt, und ich hätte auch in der Zweiten Liga gespielt, aber Schalke wollte mich noch nicht gehen lassen.

Wie funktioniert die Kommunikation mit der Mannschaft?

Ich wurde toll aufgenommen, es gab überhaupt keine Probleme. Am ersten Tag, es war mein Geburtstag und ich war etwas nervös, haben mir alle ein Ständchen gesungen, und das Eis war gebrochen. Und der Trainer ist ein besonderer Mensch. Wenn es um Arbeit geht, dann ist volle Konzentration angesagt. Aber drum herum macht er viele Späße. Ich höre ihm gerne zu, wenn er über Fußball redet.

Können Sie sich vorstellen, wie es sein wird, am Sonnabend beim ersten Heimspiel gegen Hoffenheim aufzulaufen?

Das Einzige, das ich mir vorstelle, ist, dass wir gewinnen. Dann ist das ganze Stadion zufrieden. Ich hoffe natürlich, dass ich spiele und dass die Fans uns bis zur letzten Minute anfeuern.