St. Paulis Cheftrainer Ewald Lienen kritisiert die Arbeitsbedingungen und die für ihn zu kurze Dauer des Aufenthaltes in Belek

Belek/Hamburg. Bei Nebel und leichten Minusgeraden landete die Delegation des FC St. Pauli am Mittwochmorgen rund 20 Minuten früher als geplant auf dem Flughafen in Fuhlsbüttel. Neun Tage Trainingslager in Belek an der türkischen Riviera bei deutlich angenehmeren Witterungsbedingungen lagen hinter den Zweitligaspielern, dem Trainergespann und Funktionsteam. Kurz vor der Abreise hatte sich Chefcoach Ewald Lienen, 61, Zeit genommen für eine Bilanz und einen Ausblick. Dabei sagte er über ...

... die neuen Erkenntnisse aus dem Trainingslager: „Natürlich bringt uns jeder Tag ein Stück weiter. Aber wir können nicht erwarten, dass es jetzt jede Woche grundlegende, neue Erkenntnisse über die Mannschaft gibt. Auch wenn wir nicht beim Punkt Null anfangen müssen, versuchen wir doch, bestimmte Dinge von Grund auf neu und systematisch aufzubauen. Es hat in der Hinrunde sehr viele Verletzungen gegeben. Dem wollen wir jetzt vorbeugen, indem wir einen ruhigen und auch individuellen Aufbau im Kraft- und Schnelligkeitsbereich betreiben.“

... die Sinnhaftigkeit der drei Testspiele: „Wir haben in Belek nur zwei, drei Tage trainieren können, bis das erste Testspiel gegen Kaiserslautern (0:1, die Red.) anstand. Bis zum zweiten Spiel gegen Gaziantepspor (2:3, die Red.) waren nur zwei Tage dazwischen und dann nur einer bis zum dritten Spiel gegen Winterthur (2:0, die Red.). Daher verbietet es sich für mich, von einem richtigen Trainingslager zu reden. Bei mir fängt ein Trainingslager bei zwei Wochen an. Da habe ich dann auch einmal eine ganze Woche Zeit, vernünftig zu trainieren, bestimmte Dinge aufzubauen und danach in die Spielbelastung zu gehen. Dies mussten wir jetzt schon früher machen, was dazu geführt hat, dass wieder einige Leute ausgefallen sind. Besonders unerfreulich ist, dass Bernd Nehrig auf der Strecke geblieben ist und wir nicht absehen können, wie schnell er wiederkommt.“

... die positiven Aspekte der Testspiele: „Auch wenn ich vor dem Spiel gegen eine Zweitliga-Spitzenmannschaft gern länger taktische Dinge einstudiert hätte, gab es positive Erkenntnisse. Mir hat gefallen, dass wir uns gegen die 70 Minuten in Unterzahl spielenden, tief stehenden Lauterer einige gute Torchancen herausgespielt haben. Gegen Gaziantepspor haben wir abgesehen von den unglücklichen und selbst verschuldeten Gegentoren keine großen Chancen dieser sehr guten Mannschaft zugelassen. Am Ende wäre auch ein Unentschieden möglich gewesen. Winterthur war sicherlich der leichteste Gegner. Auch hier haben wir nur ganz wenig zugelassen. Nach vorn war hier auch noch Luft nach oben. Insgesamt müssen wir die hochkarätigen Chancen, die wir uns erarbeiten, einfach konsequenter nutzen. Da gab es in allen drei Spielen einige Szenen, die wir den Jungs jetzt auf Video zeigen werden.“

... die Arbeitsbedingungen im Trainingslager: „Ich könnte mir für die Zukunft einige Optimierungen vorstellen. Neben eines längeren Aufenthaltes wäre es mir lieber, wenn wir den Trainingsplatz nicht mit einer anderen Mannschaft teilen müssten. So waren wir zeitlich festgelegt in unserer Arbeit. Ich konnte nicht mal länger trainieren. Zudem hätte ich es gern gehabt, dass unsere Spiele später am Tag stattgefunden hätten, um vorher noch eine Trainingseinheit einlegen zu können. Positiv war, dass die Plätze in einem sehr guten Zustand waren.

... seine Einschätzung, ob die Spieler den Ernst der Lage für den gesamten Verein erkannt haben: „Davon bin ich überzeugt. Wir achten in jedem Training darauf, dass die Spieler mit der richtigen Einstellung auf den Platz kommen. Das gilt auch für die Spiele. Da war richtig Pfeffer drin, alle waren richtig aggressiv. Das waren die Gegner aber auch, vor allem die Lauterer waren keine Kinder von Traurigkeit. Da hätten wir uns noch etwas mehr wehren sollen. Insgesamt sehe ich die Spieler in dieser Hinsicht auf einem guten Weg. Und wer sich nicht wehrt, bekommt mitgeteilt, dass es so nicht geht.“

... ein Gerüst für eine Stammelf zum Wiederbeginn der Zweiten Liga am 7. Februar mit dem Auswärtsspiel beim SV Sandhausen: „Es wäre ja schlimm, wenn wir kein Gerüst hätten. Dennoch sage ich natürlich nicht, dass bestimmte Spieler gesetzt sind. Aber wenn alle gesund bleiben, werden wir jetzt am Sonnabend im Testspiel beim SC Paderborn einen Fingerzeig geben. Da werden wir sicherlich nicht mehr alles bunt durcheinander würfeln. Für Paderborn ist es schon die Generalprobe eine Woche vor dem Bundesligaspiel in Mainz. Und für uns ist es die vorletzte große Probe, in der wir versuchen wollen, Leute auf den Platz zu bringen, die in der Meisterschaft auch so spielen könnten. Klar ist aber auch, dass einige Positionen noch vakant sind.“

... die noch ausstehende Entscheidung in der Torwartfrage: „Wenn ich sehe, wie unsere drei Torhüter auftreten, muss ich sagen, dass dies die Position ist, auf der wir am besten besetzt sind. Ich könnte da auch würfeln, und es wäre egal, was dabei herauskommt. Jeder der drei würde eine gute Rolle spielen. Es ist immer der größte Härtefall, wenn man sich für einen Torwart und damit gegen die anderen entscheidet. Man würde aber auch niemandem einen Gefallen tun, wenn man immer hin- und herwechseln würde.“