Zwischen den Fans und dem Profikader des Kiezclubs werden Risse immer deutlicher. Gegen Kaiserslautern droht ein frostiger Empfang

Hamburg. Rund 7000 Fans reisten mit Bussen, per Bahn oder Auto nach Leipzig, um den FC St. Pauli zu sehen. Die kommenden vier Heimpartien am Millerntor sind bereits nahezu ausverkauft, lediglich VIP-Tickets noch verfügbar. Auf den ersten Blick scheint rund um den Kiezclub alles wie immer. Doch trotz zahlreicher Unterstützung in der sportlich schweren Krise im Herbst 2014 werden die Risse zwischen Teilen der Anhängerschaft und dem Profiteam immer deutlicher.

Der Frust des treuen Anhangs nach dem 1:4-Debakel in Leipzig entlud sich in den sozialen Netzwerken. Teammanager Christian Bönig hatte in einem emotionalen Beitrag auf Facebook zum Zusammenhalt aller Beteiligten aufgerufen. Zwar hatte er damit nach eigener Aussage nicht die Fanszene kritisieren wollen und erhielt mit rund 2800 Likes auch viel Unterstützung, dennoch griffen zahlreiche Fans in Kommentaren Spieler und Sportchef Rachid Azzouzi harsch an. Lustlosigkeit, eine „Mir doch egal“-Haltung der Profis und keine Identifikation mit dem Club wird ihnen vorgeworfen. Eine Userin schreibt: „Meggle tut mir echt leid. Er muss ausbaden, was Herr Azzouzi verbockt hat mit seinen tollen Einkäufen. Die Spieler haben immer noch nicht begriffen, was es heißt, für St. Pauli spielen zu dürfen.“ Ein anderer Fan meint, sportlich seien Entscheidungen getroffen worden, „die in ähnlich großen Unternehmen in der Wirtschaft zu erheblichen Konsequenzen führen, nur bei uns eben nicht“.

Viel Zuspruch, aber auch Kritik, erhält St.-Pauli-Fan „Momo Rulez“ für einen in seinem Blog „Metalust“ veröffentlichten Brief an die Mannschaft. „Ich bin nun schon dreimal mit diesem Verein abgestiegen, und die Bindung zu denen auf dem Platz war immer da. Aber so was – nee“, schreibt er. Es folgt eine Entschuldigung beim vorigen Trainer Roland Vrabec, „weil es schon frappierend ist, dass ihr es unter Thomas Meggle noch bunter zu treiben scheint“. Die leblosen Vorstellungen der Elf bezeichnet er als „würdelos“ und „fernab jeglichen Stolzes“. Er spricht von „Demontage von Azzouzi und Meggle“, die „einfach unverzeihlich“ sei. Pfiffe gegen die eigenen Akteure waren auf St. Pauli jahrelang tabu, doch immer mehr Fans distanzieren sich von den Protagonisten auf dem Rasen.

Einer, der seit elf Jahren das Trikot St. Paulis trägt, meldet sich deshalb nun bei Facebook zu Wort. Profi Jan-Philipp Kalla schrieb in einer Reaktion auf den Kommentar von Bönig: „WIR ZUSAMMEN. Es ist für uns alle keine einfache Situation, aber wir schaffen das. Auch mich erreichen Nachrichten, bei denen mir die Ohren schlackern. Und wenn ich dann etwas lese wie „ich bin seit zig Jahren Pauli-Fan, und ihr seid alle armselig und sch***“ – dann bin ich mir nicht sicher, ob derjenige Sankt Pauli wirklich verstanden hat.“

Die Stimmungslage rund um den Kiezclub ist vor der Partie am Sonntag gegen den 1. FC Kaiserslautern (13.30 Uhr) explosiv. Schon nach dem 0:3 gegen Heidenheim im vergangenen Heimspiel hatte es deutlich hörbare Pfiffe, Unmutsbekundungen gegen die Mannschaft und einzelne „Azzouzi raus“-Rufe gegeben. In den letzten 20 Minuten hatten die Fans gar das Singen eingestellt, stattdessen zu „Oh, wie ist das schön“ beim Gästeblock eingestimmt und die Rückkehr von Publikumsliebling Deniz Naki gefordert. Wie in Leipzig dürfte zwar auch am Sonntag die Unterstützung zu Spielbeginn groß sein, doch bleibt eine kämpferisch und aufopferungsvolle Reaktion erneut aus, droht ein frostiges Aufeinandertreffen.

Teammanager Bönig setzt auf das Wirgefühl beim FC St. Pauli: „Fangen wir an, uns zu entzweien, haben die anderen schon gewonnen“, appellierte er in dem viel diskutierten Post.