Das 1:4 in Leipzig dokumentiert die eklatanten Defensivschwächen des FC St. Pauli. Rzatkowski nach Foul am Fuß verletzt, weitere Untersuchungen in Hamburg sollen Gewissheit bringen.

Leipzig. Thomas Meggle ertrug es einfach. Um ihn herum feierte das Gros der 38.660 Zuschauer, „gegen Leipzig, kann man mal verlieren“, schallte es von den Rängen. Im schwarzen Totenkopf-Pullover die Arme verschränkt, stand der Trainer des FC St. Pauli regungslos an der Seitenlinie. Mit 1:4 (0:2) hatte seine Mannschaft gerade das zur Wende auserkorene Spiel gegen RasenBallsport Leipzig verloren. Die Hoffnung auf einen Befreiungsschlag im Abstiegskampf war von vier niederschmetternden Gegentoren zerstört worden. „Das ist ein bitterer Tag für uns“, räumte Meggle ein. „Wir haben das Tempo von RB einfach nicht im Griff gehabt, aber ich werde nicht sagen, dass es zu wenig von meiner Mannschaft war“, erklärte der Coach. Schonungsloser brachte es Verteidiger Sebastian Schachten auf den Punkt: „Wir müssen alles besser machen. Wir hatten null Kompaktheit, null Spiel nach vorne – wir sind richtig dick in der Scheiße“, sagte er.

Meggle hatte angekündigt, keine Rücksicht mehr auf große Namen zu nehmen und dokumentierte dies in seiner Aufstellung. Kapitän Sören Gonther musste auf der Bank Platz nehmen, Philipp Ziereis durfte dafür ran. Die wiedergenesenen Christopher Buchtmann und Marcel Halstenberg gehörten erstmals unter Meggle zur Elf, Jungprofi Okan Kurt verdrängte Dennis Daube. Im Sturm ließ Meggle überraschend Ante Budimir und John Verhoek auf der Bank und gab Lennart Thy eine Bewährungschance.

Ein neues Gesicht verliehen die zahlreichen Umstellungen dem Tabellenvorletzten St. Pauli jedoch keineswegs. Vom Anpfiff weg begann die Elf fahrig und fand kaum zu einem strukturierten Spielaufbau. Die einstudierte Taktik, über lange Bälle gen Gefahrenzone zu kommen, misslang völlig, weil in den Zuspielen Präzision fehlte.

Technische Klasse, Durchsetzungsvermögen und nötiger Wille

Das in der heimischen Red-Bull-Arena noch ungeschlagene Leipzig hingegen bewies technische Klasse, Durchsetzungsvermögen und den nötigen Willen. Schon nach vier Minuten verpasste der brandgefährliche dänische Stürmer Yussuf Poulsen per Kopfball nach einer Ecke nur knapp die Führung. Nach 17 Minuten war die Hamburger Abwehr geschlagen. Poulsen durfte von der linken Strafraumkante herüber bis in die Mitte an Schachten, Sobiech und Halstenberg vorbeimarschieren und zog unhaltbar ab. St. Paulis Verteidiger schienen in Ehrfurcht erstarrt zu sein. „Wir wurden von Poulsen Huckepack genommen. Er hat zwei Spieler auf seinen Rücken gepackt und ist losmarschiert“, gestand Meggle ein.

Kaum sattelfester präsentierte sich die Hintermannschaft in der 30. Minute, als Diego Demme von Schachten ungehindert flanken durfte. Poulsens Sturmpartner Terrence Boyd bekam beim Kopfball nur wenig Gegenwehr von Halstenberg, schlussendlich beförderte Torhüter Philipp Tschauner den Ball aus kurzer Distanz selbst über die Linie. Das 2:0 wurde jedoch dem US-Nationalstürmer Boyd gutgeschrieben. Spätestens jetzt schien klar, dass hier ein künftiger Erstligaclub gegen einen akut abstiegsbedrohten Traditionsverein spielte. Ihre Ablehnung gegen das Red-Bull-Kunstprodukt drückten die rund 5000 mitgereisten St. Paulianer in einem 25 Meter langen Banner mit der Aufschrift „Wer sonst nichts hat, ist stolz auf RB“ aus. Stolz auf das eigene Team konnte der Gästeanhang an diesem Sonntag jedoch kaum sein.

Die von Meggle geforderte kompromisslose Spielweise bewies St. Pauli nur einmal kurz nach dem Seitenwechsel. Sebastian Maier schickte Enis Alushi mit einem präzisen Zuspiel los, dieser schloss im Strafraum per Außenrist zum 1:2 ab (46.). Wer jedoch von der Wende träumte, wurde bitter enttäuscht. Sobiech, Schachten und Ziereis waren es erneut, die nach 53 Minuten viel zu nachlässig verteidigten und Boyd so aus zwölf Metern das 3:1 auflegten. Nach einem Eckball durfte Tim Sebastian dann – erneut wenig bedrängt von Halstenberg – den Ball weiterleiten, der eingewechselte Verhoek fälschte den Ball zum 4:1 (73.) für Leipzig ins eigene Tor ab. „Wir waren hinten ständig in Unterzahl, konnten Leipzig nicht halten und haben keine Ordnung gehabt“, fasste Sobiech das Geschehen treffend zusammen.

Zu einem rabenschwarzen Tag passte zudem die Verletzung von Marc Rzatkowski. Leipzigs Frahn hatte ihn in der 38. Minute böse umgegrätscht und nur Gelb gesehen. Der Fuß des Technikers knickte ab, wie am Vortag bei Dortmunds Marco Reus. Rzatkowski wurde in Leipzig im Krankenhaus geröntgt, weitere Untersuchungen in Hamburg sollen eine Diagnose bringen.

Thomas Meggle versuchte anschließend, etwas Optimismus zu verbreiten. „Leipzig war einfach überlegen. Wir müssen gegen Teams, die auf unserem Level sind, Punkte holen.“ Eine Antwort, wen St. Pauli in der aktuellen Verfassung schlagen kann, waren seine Spieler aber schuldig geblieben. 29 Gegentore und das Torverhältnis von minus 15 sind die Negativwerte der Liga.