Der FC St. Pauli will mit einfachen Tugenden bei RB Leipzig bestehen. Trainer Meggle fordert eine Boxermentalität

Hamburg. Irgendwo tief im Nebel hüpften sie über den nassen Rasen. Schrien, stöhnten und ließen ihrer Freude freien Lauf. Thomas Meggle ließ seine Profis des FC St. Pauli am Freitagmorgen bei dichtem Nebel und eisigen Temperaturen von zwei Grad in einem Kopfballspiel gegeneinander antreten. Berührt werden durfte der Ball nur mit dem Kopf, am besten ohne auf dem Boden aufzukommen, gespielt wurde auf einem Kleinfeld. Was aussah wie ein spaßiges Aufwärmprogramm für Fußball spielende Teenager, hatte durchaus einen ernsten Hintergrund. Denn bei diesem Kopfballspiel ging es in erster Linie um eng geführte Zweikämpfe, der Basis für erfolgreiche Partien.

Jene Härte und Disziplin war den Profis des Kiezclubs zuletzt beim 0:3-Heimdebakel gegen Heidenheim abgegangen. Coach Meggle hatte deshalb in der zweiwöchigen Länderspielpause mit Zusatztraining und vielen Spielformen an die Grundtugenden erinnert. Nun soll St. Pauli am Sonntag beim Spiel gegen RasenBallsport Leipzig (13.30 Uhr) mit Abstiegskampf-Fußball bestehen. „Wir mussten den Fokus noch deutlicher auf Zweikämpfe legen“, erklärte Meggle, „sie wurden zuvor nicht geführt oder nicht gewonnen. Das musste anscheinend deutlicher sein.“

In jeder Einheit auf dem Platz an der Kollaustraße stellte das Trainerteam deshalb zuletzt die Zweikampfführung in den Mittelpunkt. Außerdem studierte die Mannschaft das Spiel mit langen Bällen in die Offensive ein. Bisweilen hatte die technisch gut ausgebildete Elf zu häufig versucht, Situationen spielerisch zu lösen. Meggle will in Zeiten der Krise wieder einfachen Fußball spielen lassen. „Das ist Zweite Liga, Leute“, rief er mehrfach über den Platz. Hochgeschlagene Bälle in die Spitze sollen verwertet, Abpraller erobert und über die Außenbahn schnell in die Strafraumzone gebracht werden.

Zudem wurde der Ton verschärft, Meggle unterbrach viel und wies seine Spieler lautstark zurecht. Es ist die nächste Stufe, um das Team im Überlebenskampf der Zweiten Liga endlich wachzurütteln. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Meggle trotz Niederlagen die positiven Aspekte im Spiel seines Teams herausgehoben, nach der fast leblosen Vorstellung am Millerntor gegen Heidenheim hatte es jedoch deutliche Worte der sportlichen Führung gehagelt. Von mangelndem Willen will Meggle aber nichts wissen. „Da müssen wir andere Adjektive finden, dämlich hätte zuletzt gepasst“, sagte der 39-Jährige. „Wir verschwenden keinen Gedanken an Themen wie Einstellung oder Wille. Ich gehe davon aus, dass das bei jedem da ist.“ Gleichwohl wird Meggle seine Elf, die in Leipzig für eine Trendwende sorgen soll, wohl kräftig umbauen. Gegen die enorm laufstarke Red-Bull-Truppe braucht er physisch topfitte Spieler, die zudem mentale Stärke mitbringen. „Es ist wie beim Boxen“, verglich er die Anforderungen: „Wenn du dir den ersten Niederschlag einfängst, musst du aufstehen, in die Rundenpause kommen und dann weitermachen.“

Christopher Buchtmann könnte für mehr Struktur im Mittelfeld sorgen

Personell durfte er am Freitagmorgen einige Rückkehrer begrüßen. Sören Gonther, Philipp Tschauner, John Verhoek, Enis Alushi und Bernd Nehrig absolvierten die gesamte Einheit wieder auf dem Rasen und sind somit einsatzbereit. In der Mittelfeldzentrale kann Meggle erstmals auf Taktgeber Christopher Buchtmann zurückgreifen. Neun Spiele hatte der 22-Jährige wegen einer schmerzhaften Fußprellung und muskulären Problemen verpasst, nun trainierte er schmerzfrei und sammelte in zwei Einsätzen bei der U23 die nötige Spielpraxis. Kämpfer Buchtmann, der in der vergangenen Saison 14 Gelbe Karten gesehen hatte, erklärte, dass er „heiß“ sei und „Lust verspüre“. „Es war vorher schon Feuer im Spiel, aber jetzt geht es schon richtig zur Sache“, sagte er über die neue Gangart im Training.

Zusätzliche Motivation sieht Trainer Meggle in der von Teilen der Anhängerschaft ausgerufenen Mottofahrt nach Leipzig (Abendblatt berichtete), bei der die bis zu 7000 erwarteten Fans ihre ältesten St.-Pauli-Trikots anziehen sollen. „Das ist eine geile Symbolik, wo man als Spieler viel mitnehmen kann. Ich erinnere mich an eine Mottofahrt ‚Cowboy und Indianer‘, da war ich als Profi noch zehn bis 15 Prozent motivierter“, erzählte Meggle.