Der Torhüter und Vizekapitän will im Auswärtsspiel bei RB Leipzig am Sonntag mit Leistung vorangehen und Imagepflege betreiben

Hamburg. Seinen Humor hat Philipp Tschauner trotz der sportlichen Krise beim FC St. Pauli noch längst nicht verloren. Den Torhüter plagt derzeit ein steifer Nacken, der ihn am Dienstagnachmittag aber nicht vom Training abhielt. „Ich kann den Kopf jedoch nur nach rechts drehen und bewege mich im Moment wie ein Roboter“, grinste der 30-Jährige, dessen Miene sich aber schnell verfinsterte, als man ihn auf die prekäre Situation in der Zweiten Liga ansprach.

Die Bilanz vor dem Gastspiel am Sonntag (13.30 Uhr) bei Aufsteiger RasenBallsport Leipzig ist verheerend: 13 Spiele, zwölf Punkte, Tabellenvorletzter. „Unsere Lage ist ernst und die Tabelle leider aussagekräftig. Das ist mittlerweile schon mehr als nur ein Schuss vor den Bug. Das ist Klassenkampf. Das muss jedem bewusst sein“, sagte der Vizekapitän.

Vor der Länderspielpause, so wirkte es, musste man große Zweifel daran haben, dass ein Großteil der Mannschaft verstanden hatte, was die Stunde geschlagen hat. Fast schon emotionslos ergab man sich beim 0:3-Heimdebakel gegen den 1. FC Heidenheim seinem Schicksal. Das Publikum quittierte den blamablen Auftritt mit ungewohnt lauten Pfiffen, Sportchef Rachid Azzouzi kritisierte anschließend öffentlich die Einstellung seiner Profis.

In der Tat sind es nicht nur die nackten Zahlen, die Grund zur Sorge liefern, vielmehr wirkt es so, als habe die Mannschaft ihre Identität verloren. Jahrzehntelang stand St.Pauli für Kampf, Leidenschaft und Emotionen. Es tat dem Gegner körperlich weh, gegen den Kiezclub zu spielen. Davon ist im Herbst 2014 nichts mehr zu spüren. „Das stimmt. In einigen Situationen hatten wir zu sehr die spielerische Lösung im Kopf, anstatt die Drecksarbeit in den Vordergrund zu stellen. Jedem ist jetzt klar, dass wir mit Schönspielerei nicht weiterkommen. Wenn wir gegen Leipzig einen Katastrophenkick hinlegen und 1:0 gewinnen, ist das Wie des Sieges scheißegal“, sagte Torhüter Tschauner, der den Vorwurf, es würden Charaktere wie einst Dieter Schlindwein oder Fabian Boll im Kader des FC St.Pauli fehlen, dennoch nur bedingt nachvollziehen kann.

„Auf einzelne Typen kommt es nicht an. Mit vier, fünf solcher Spieler gewinnst du auch nichts. Elf Mann auf dem Platz, die drei, die reinkommen, und die fünf Jungs, die dazu noch im Kader stehen, müssen Leipzig zeigen, dass wir den ersten Auswärtsdreier unbedingt wollen“, sagte der gebürtige Bayer und ergänzte: „Wir müssen bis Weihnachten auf Teufel komm raus punkten, um da unten rauszukommen.“

Und doch geht es gegen Leipzig um noch viel mehr als nur um drei Punkte. Gegen den Retortenclub, der vom österreichischen Getränkehersteller Red Bull finanziert wird, kann der Kiezclub 90 Minuten Imagepflege betreiben. Die rund 5000 mitreisenden Fans erwarten eine Reaktion auf die blutleeren Vorstellungen der vergangenen Wochen. Dessen ist sich auch Tschauner bewusst, der das Spiel gegen den ambitionierten Tabellensiebten daher unter das Motto „Wiedergutmachung“ stellt.

„Wir können gegen RB Leipzig bei unseren Anhängern den Kredit zurückgewinnen, den wir im Heimspiel gegen Heidenheim verloren haben. Ich weiß ganz genau, wie wichtig das Spiel für unsere Fanszene ist. Das sollte uns als Team einen zusätzlichen Push geben“, sagte Tschauner, der mit einer guten Leistung dafür sorgen will, dass zu dem steifen Nacken am Sonntag nicht auch noch ein richtig dicker Hals hinzukommt.