Bei Infrastrukturprojekten, Mannschaft und Geschäftsstelle besteht Handlungsbedarf. Für die ersten Tage seiner Amtszeit kündigte Neu-Präsident Oke Göttlich eine „große Bestandsaufnahme“ an.

Hamburg. Den ersten Sieg in seiner neuen Funktion verbuchte Oke Göttlich bereits viereinhalb Stunden nach seiner Wahl. Erleichtert nahm der neue Präsident des FC St. Pauli zur Kenntnis, dass die noch im CCH verbliebenen Mitglieder den letzten Antrag der Jahreshauptversammlung mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hatten. Es ging dabei um Hamburgs Olympiabewerbung. Wäre der Antrag angenommen worden, hätten sich Göttlich, die vier neuen Vizepräsidenten des Kiezclubs und auch die hauptamtlichen Mitarbeiter „öffentlichkeitswirksam“ gegen eine Hamburger Bewerbung stellen müssen.

Letztlich trug Göttlichs Argumentation und seine Empfehlung, den Antrag abzulehnen, dazu bei, dass er nicht bereits zum Start seiner Amtszeit in die Bredouille geriet. Es wäre eine extrem schwierige Situation gewesen, als Chef des FC St. Pauli einerseits gegen die von der Stadt, dem Hamburger Sportbund (HSB) und der Handelskammer angestrebte Bewerbung zu kämpfen, gleichzeitig aber bei den aktuellen Großprojekten des eigenen Vereins auf das weitere Wohlwollen von Behörden sowie die Unterstützung der Hamburger Wirtschaft angewiesen zu sein.

Dabei geht es vor allem um den Bau der externen Polizeiwache neben dem Millerntorstadion. Hier steht das konkrete Kostenvolumen noch immer nicht endgültig fest. Verhandlungen mit der Stadt sind zudem notwendig, um auf dem gepachteten Gelände neben der bestehenden Anlage das zweite Trainingszentrum für die Nachwuchsteams (Kollau II) errichten zu können.

In seiner Argumentation gegen die Antragsteller war Göttlich geschickt genug, sich nicht auf eine grundsätzliche Debatte über das Für und Wider einer Hamburger Olympiabewerbung einzulassen sondern allein die dem FC St. Pauli drohenden Gefahren in den Vordergrund zu stellen, wenn der Antrag befürwortet werden würde. Spätestens bei der geplanten Volksbefragung, so Göttlich, habe jedes Mitglied die Chance, „sein Kreuz an der für ihn selbst richtigen Stelle“ zu setzen. In keinem einzigen Wortbeitrag hatte es ein Plädoyer für Olympische Spiele in Hamburg gegeben.

Obrigkeit und Establishment

Dies gab durchaus die allgemeine Stimmung und kritische Haltung der Mitglieder gegen alles wieder, was sich unter den Begriffen Obrigkeit und Establishment subsumieren lässt. So war es auch keine Überraschung, dass die vier vom Vorstand der Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) mit einer Wahlempfehlung ausgestatteten Kandidaten Sandra Schwedler (558 Stimmen), Gerrit Onken (475), Sönke Thomas Goldbeck (287) und Karsten Meincke (223) in den Aufsichtsrat gewählt wurden. Hinzu kamen der bisherige Kassenprüfer Kai Scharff (340) sowie als einzige bisherige Aufsichtsratsmitglieder Roger Hasenbein (507) und Marcus Schulz (265), der bisher dem Kontrollgremium vorstand.

In dieser Zusammensetzung kann St. Paulis neuer Aufsichtsrat zumindest als „fannah“ eingeordnet werden. Ob von einer „Machtübernahme der Ultras“, wie teilweise zu hören war, wirklich die Rede sein kann, wird sich erst in Zukunft erweisen. Noch haben sich die Vorstandskontrolleure nicht zu einer konstituierenden Sitzung zusammengefunden, weil Sandra Schwedler bei einem Fan-Projekt in Südamerika weilt und Marcus Schulz am Montag nach Abu Dhabi geflogen ist. „Als Kandidatin mit den meisten Stimmen hat Sandra das erste Recht auf den Vorsitz“, sagte Schulz. Ob die 34-Jährige Senior Account Managerin einer Internetagentur diesen Posten auch anstrebt, ist noch offen.

Unterdessen begann für den neuen Präsidenten Oke Göttlich am Montag die Arbeit. „Es besteht großer Gesprächsbedarf“, hat er schon festgestellt. Für die ersten Tage kündigte er eine „große Bestandsaufnahme“ an. Folgende „Baustellen“ müssen er und seine Mitstreiter jetzt bearbeiten:

Geschäftsstelle: Die hauptamtlichen Mitarbeiter wollen erfahren, wie Göttlich die Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsstelle effizienter gestalten und eventuell neu ordnen will. Dazu besteht Informationsbedarf über die angekündigte Leistungskontrolle.

Stadionbau: Knackpunkt ist noch immer die externe Stadionwache. Hier muss mit der Innenbehörde und der stadteigenen Sprinkenhof GmbH akut geklärt werden, wie hoch die Baukosten konkret sein werden. Dies ist notwendig, um die Finanzierung des Gesamtprojekts Nordtribüne zu realisieren.

Trainingszentrum: Für das Projekt Kollau II müssen Stadt und Bezirk das vorgesehene Areal in Niendorf umwidmen. Die Fläche in unmittelbarer Nachbarschaft der Kollau gilt als Überschwemmungsgebiet, auf dem bisher nicht gebaut werden darf. Maßnahmen zur Trockenlegung dürfen nicht den auf der anderen Seite der Kollau verlaufenden Bahndamm gefährden.

Mannschaft: Als die für den Sport verantwortlichen Männer im Präsidium müssen Göttlich und Vizepräsident Joachim Pawlik die aktuelle sportliche Krise (Platz 17) aufarbeiten und gemeinsam mit Sportchef Rachid Azzouzi und Cheftrainer Thomas Meggle ein Konzept zur Leistungssteigerung erarbeiten. Zudem muss in naher Zukunft geklärt werden, ob Azzouzi über die Saison hinaus das Vertrauen erhält. Andernfalls müsste frühzeitig ein Nachfolger gefunden werden.

Gewinnstreben: Auf der Jahreshauptversammlung am Sonntag wurde deutlich, dass die vom alten Präsidium in den vergangenen Jahren erwirtschafteten Gewinne zwar erfreulich, aber auch notwendig und geplant waren, um die Darlehen für die beiden großen Infrastrukturprojekte zu bedienen. Dies wird auch künftig der Fall sein. Mehr noch: Marcus Schulz rechnete vor, dass der Club in den kommenden fünf Jahren insgesamt 17,1 Millionen Euro an Überschüssen, also rund 3,4 Millionen Euro pro Jahr, wird erzielen müssen, um davon unter anderem die Fan-Anleihe zurückzahlen zu können. Ein Abstieg in die Dritte Liga würde dieses Ziel erheblich gefährden.