Im DFB-Pokal beschwört der FC St. Pauli gegen den BVB eine Sensation. Sechs Profis waren einst beim Gegner aktiv

Hamburg. „Laut oder leise?“, fragte St. Paulis Pressesprecher Christoph Pieper in Richtung Thomas Meggle, ob er sein Wasser mit oder ohne Kohlensäure trinken wolle. „Laut“, antwortete Meggle und gab damit am Montagmorgen das Signal für seine Mannschaft. „Das Spiel kommt für uns gerade recht. In der Liga ist es nicht gut gelaufen, aber der Pokal ist ein vollkommen anderer Wettbewerb. Hier sind wir ungeschlagen“, sagte der Trainer des FC St. Pauli mit einem Lächeln. Meggle hatte sich vorbereitet. Nach der 0:4-Pleite gegen den KSC sollte Krisenstimmung unbedingt vermieden werden. Bloß nicht verstecken, so lautete sein Credo vor der zweiten DFB-Pokal-Runde gegen Vorjahresfinalist Borussia Dortmund am Dienstag (20.30 Uhr/ARD, Sky, Liveticker auf abendblatt.de).

St. Pauli läge eine Rolle richtig gut, „die Underdog-Rolle“, erklärte der 39-Jährige mit einem kleinen Rückblick auf seine eigene Profilaufbahn. Damals, in der Saison 2005/06, hatte der Kiezclub als Regionalligist mit Meggle den Sprung bis ins Halbfinale geschafft, dabei der Reihe nach Burghausen, Bochum, Berlin und Bremen aus dem Weg geräumt und war erst an den Bayern gescheitert. „Borussia Dortmund hat auch ein B im Namen“, hat Meggle, die Sensation riechend, erkannt.

Einer, der weiß, wie im Pokal Geschichte geschrieben wird, ist Florian Kringe. Mit der Borussia gewann er 2012 beim 5:2 über den FC Bayern die Trophäe, 2008 war es der Mittelfeldroutinier gewesen, der im Finale in Berlin in der Verlängerung beim Stande von 1:1 knapp an Bayern-Torhüter Oliver Kahn gescheitert war – und 1:2 verloren hatte. „Natürlich wäre es gerade für mich sehr schön, wenn ich gegen Dortmund spielen dürfte. Ich habe es ja seit der Auslosung tausendmal gesagt, dass das für mich ein ganz besonderes Spiel ist“, betonte Kringe im Vorfeld.

Der 32-Jährige gehört zu einer Gruppe von gleich sechs Spielern bei St. Pauli, die eine Vergangenheit im Trikot des BVB haben. Auch Lasse Sobiech (2003–2013, zwischenzeitlich ausgeliehen an Fürth und St. Pauli), Marcel Halstenberg (2011–2013), Christopher Nöthe (2002–2008), Enis Alushi (1995–1998) und Christopher Buchtmann (2005–2008) durchliefen einst die Jugendschule der Dortmunder.

Vor allem Sobiech, der sich sogar Deutscher Meister 2011 nennen darf, pflegt intensive Kontakte ins Ruhrgebiet. „Ich kenne noch fast alle Spieler des Kaders“, sagte die Leihgabe vom HSV: „Ich war ja vor knapp eineinhalb Jahren noch im Trainingslager des BVB dabei. Außerdem habe ich ja auch, bevor ich zum ersten Mal bei St. Pauli war, zwei Jahre lang im Profikader mittrainiert. Ich habe noch zu einigen Jungs Kontakt und auch schon mal den einen oder anderen in Hamburg auf einen Kaffee getroffen.“

Bevor Sobiech nach seinem Engagement am Millerntor 2012 nach Fürth wechselte, planten die Verantwortlichen beim BVB sogar mit ihm als Ersatz für Mats Hummels und Neven Subotic. Doch Sobiech pochte darauf, Spielpraxis bei einem kleineren Club zu sammeln. Gegen seinen Ex-Club werde es darauf ankommen, in den ersten 20 Minuten ohne Gegentor zu bleiben, erklärte der Innenverteidiger nun. „Wir müssen den Dortmundern mit einer kontrollierten Aggressivität das Spiel kaputt machen. Die aktuelle Situation bei ihnen belastet jeden Spieler“, glaubt er. Auch Meggle sieht in einer defensiven Ausrichtung die Chance: „Wir werden auch versuchen, am Spiel teilzunehmen und in Kontersituationen zu kommen. Aber es muss schon das Ziel sein, so zu spielen wie Dortmunds letzte Bundesligagegner: die Räume eng machen, in der Abwehr gut stehen.“ Das Spiel des Champions-League-Finalisten von 2013 sei für ihn berechenbar, weil man wisse, was der Gegner spielt. „Aber das macht es für uns nicht einfacher, weil sie das brutal gut spielen“, sagte Meggle.

Ähnlich wie auf St. Pauli herrscht in Dortmund angesichts von sechs Bundesligapleiten in neun Spielen Katerstimmung. In der Champions League ohne Punktverlust, rangiert das Team von Jürgen Klopp im Ligabetrieb nur auf Platz 15, St. Pauli ist eine Klasse tiefer sogar 16. Stand bei Meggles Pressekonferenz in Hamburg dennoch die Vorfreude auf ein „Highlight-Spiel“ im Vordergrund, musste Klopp drei Stunden später in Dortmund zunächst minutenlang die Krise erläutern. Erst spät kamen Fragen zur Aufgabe am Millerntor. „Auch wenn wir gut drauf wären, hätte ich nicht den Gedanken, St. Pauli schon geschlagen zu haben. Der Charakter des Wettbewerbs ist einzigartig“, sagte er dann. „Bei St. Pauli läuft es auch nicht gerade rund. Wie sie spielen werden, ist mir wurscht. St. Pauli ist der einzige Gegner im Pokal. Das ist unsere Hürde, da wollen wir drüber.“

Meggle sprach indes von einem Spiel, das seine Profis nur selten erleben würden. „Wann spielst du schon einmal gegen Weltmeister und Spieler, die schon im Champions-League-Finale waren“, fragte er suggestiv, um dann Emotionen zu wecken: „Ich hoffe, dass es eine Nacht werden kann, die in die Geschichte des FC St. Pauli eingeht.“

St. Pauli: Tschauner – Schachten, Gonther, Sobiech, Thy – Kringe, Alushi – Rzatkowski, Daube, Maier – Verhoek. Dortmund: Weidenfeller – Piszczek, Sokratis, Hummels, Großkreutz – Bender, Kehl – Mkhitaryan, Kagawa, Reus – Aubameyang. Schiedsrichter: Günther Perl (Pullach).