Andrew Meredith gewann mit den deutschen Herren zweimal Olympiagold. Heute arbeitet der Australier beim FC St. Pauli als Videoanalyst. Damit ist er nicht der einzige Hockey-Experte im Profifußball.

Hamburg. Freitag, 29 Grad, Sonne. Die Strände am St. Vincent Golf liegen um die Ecke und locken mit feinstem Sand und azurblauem Wasser. Adelaide, ein australischer Frühlingstraum. Andrew Meredith aber steht dick eingemummelt auf dem Trainingsplatz an der Kollaustraße, es windet kühl, der Himmel ist überwiegend grau. Meredith verfolgt die Übungen der Fußballprofis vom FC St. Pauli. „Ich mag es, wenn es kalt ist, ich mag den Winter und Jahreszeiten“, sagt Meredith.

Andrew Meredith aus Adelaide in Südaustralien ist Hockeyspieler und -coach. Oder war es. Noch einer, der den Weg in den Profifußball gefunden hat. Nach Deutschland geholt hat ihn einst Bernhard Peters, der seit dem Sommer beim HSV als Direktor Sport verantwortlich für die einheitliche Grundausrichtung von der Jugend bis zu den Profis ist. Peters wollte als Bundestrainer der Hockeyherren einen Fachmann für schnelle Torschüsse haben. „Die Australier waren uns in der Technik und Abschlussstärke im Schusskreis immer überlegen“, erzählt Peters, „Andrew ist ein unheimlich akribischer Arbeiter, der auch an der Persönlichkeit seiner Spieler interessiert ist.“

Neben Meredith ist auch Assistent Tobias Hentschel ehemaliger Hockeyspieler

Meredith ist einer der unbekannten Größen hinter den Triumphen des deutschen Hockeyteams. Von 2004 bis nach den Olympischen Spielen 2012 gehörte er dem Staff der Nationalmannschaft auch unter Peters’ Nachfolger Markus Weise an, gewann mit dem Team die Weltmeisterschaft 2006 und Olympiagold 2008 und 2012. „Er hat immer schon für die einzelnen Spieler Szenen auf dem Laptop aufgearbeitet und ihnen auf USB-Sticks zur Verfügung gestellt“, erinnert sich Weise. „Ein absoluter Fachmann in dieser Videoaufbereitung“, sagt Peters, „er war einer der Ersten, der diese australische Analysesoftware nach Deutschland gebracht hat.“

Tobias Hentschel hatte sich daran erinnert. Auch ein ehemaliger Hockeynationalspieler, der sich im Profifußball tummelt. Bei St. Pauli ist er als Assistent von Sportchef Rachid Azzouzi für das Scouting verantwortlich. Er sprach Meredith im letzten Jahr an, es war zunächst ein Projekt mit der einst für Hockey entwickelten „Sportstec“-Software, ein Versuchsballon. Meredith war seit September 2013 „Berater“. Immer mehr Bundesligisten arbeiten inzwischen mit dem Programm, der FC Bayern, Hoffenheim, seit Neuestem auch der HSV. Beim FC St. Pauli überzeugte Meredith mit seinen Analysen. Seit Beginn dieser Saison ist er angestellt. „Ich unterstütze den Trainer“, sagt Meredith. „Es geht um Mannschaftstaktik, Gruppentaktik, individuelle Taktik. Wir wollen für die Spieler Prozesse, Fehler und richtige Handlungen visualisieren, damit sie daraus lernen.“ Das ist Arbeit, Arbeit, Arbeit. „Pro Spiel erstelle ich über 2000 geschnittene Clips“, sagt Meredith, „wir haben verschiede Blickwinkel für alle Positionen.“

Das ist ein Trainingsansatz, den die Hockeyspieler unter Peters begonnen hatten. „Ich habe versucht, das Training differenziert nach Positionsgruppen zu machen“, sagt Peters, „im Fußball versuche ich das auch zu etablieren.“ Hockey war Fußball in der technischen Aufbereitung und Analyse von Spielen und Taktiken lange Zeit voraus. Ging es zunächst vor allem um das Erfassen von Strafeckensituationen – wie läuft der Gegner raus? – wurden die Videostudien mit der Zeit immer umfangreicher: Laufwege, Verschieben der Teams, Pressingmöglichkeiten, Räume, in die man stoßen kann. Seit Jahren haben die Hockeyspieler einen Analysten auf der Tribüne, der seine Erkenntnisse in Echtzeit runter auf ein Laptop der Coaches auf Bank übermittelt. „Im Fußball ist das noch nicht erlaubt“, sagt Meredith, „aber wir könnten das inzwischen bei St. Pauli auch tun.“

Vorerst hat der neue Videoanalyst sein Ziel gefunden

Stattdessen bereitet Meredith seine Analysen für die Tabletts und Smartphones des Trainer- und Funktionsteams auf. Beim Hockey, erzählt er, hatte er zwei Stunden nach Spielende die individuellen Analysen für jede Position fertig. So weit ist er bei St. Pauli noch nicht. Seit Thomas Meggle die Mannschaft übernommen hat, ist die Arbeit für Meredith eher mehr geworden. Bei der Videoanalyse für die Mannschaft vor dem Karlsruhe-Spiel am Sonnabend war er dabei, obwohl sein Job doch eigentlich „nur“ das Erstellen des Bildmaterials ist. Meggle hat sogar darum gebeten, dass der Australier bei den Trainingseinheiten zuschaut, hört, was er den Spielern bei den taktischen Übungen zuruft. „Es geht um Prozesse, kleine Details, die die Spieler richtig machen sollen, dann wird die ganze Mannschaft besser. Aus meiner Sicht sind wir auf einem sehr guten Weg.“

Mit Wegen kennt sich Meredith aus. 42 Jahre alt ist der ausgebildete Grafikdesigner. Mit fünf Jahren nahm er in Adelaide erstmals einen Hockeyschläger in die Hand. Meredith, dessen Vater ein hoher Funktionär im Hockeyweltverband war, wurde Nationalspieler, spielte in England und Holland. Musste mit 27 Jahren aufhören wegen einer Knieverletzung. Wurde Trainer. War auch Nationalcoach von Irland., zuvor auch mal beim Club an der Alster und in Mönchengladbach tätig. In Hamburg lernte er seine Frau Tanja kennen, mit der er zwei kleine Kinder hat. Der Weg war lang und manchmal verworren, jetzt, so scheint es, hat er ein Ziel gefunden. An der Kollaustraße, im kühlen deutschen Herbst. „Ich habe keinen Plan nach Australien zurückzugehen.“