Fabian Boll gewinnt Abschiedsspiel mit seinen „Höllenhunden“ 5:1 gegen St. Paulis Profis. Naki träumt von Rückkehr.

Hamburg. Minutenlang standen sie einfach nur da und schauten dem bunten Treiben auf dem Rasen zu. Wie Fabian Boll zum Mikrofon griff und das Millerntor noch einmal an den Rande der Tränen brachte und Deniz Naki so wie einst in Rostock unter tosendem Jubel die Fahne in den Boden rammte. Dort, wo sie sonst die gefeierten Hauptdarsteller sind, gerieten die aktuellen Profis des FC St. Pauli am Sonnabendnachmittag in den Hintergrund. Boll hatte nach zwölf Jahren beim Kiezclub zum Abschiedsspiel geladen und den Nachfolgern mit seinen „Höllenhunden“, einem Team aus ehemaligen Aufstiegshelden, eine Lehrstunde in St.-Paulianisch erteilt.

Sportlich stand nach 90 unterhaltsamen Minuten ein nicht unbedingt eingeplanter 5:1 (1:0)-Kantersieg der Altstars zu Buche. Zwar hatte Trainer Thomas Meggle, der nur einmal für Sekunden aufs Feld gestürmt war und einen Ballkontakt verzeichnete, angekündigt, man werde kein Spielverderber sein, eine Niederlage in dieser Höhe war jedoch nicht vorgesehen.

Vor allem Naki hatte die Defensive der Zweitliga-Elf zeitweise schwindelig gespielt, am Ende ein Tor selbst geschossen (73. Minute) und drei Treffer sehenswert vorbereitet. Auch Boll trug sich nach Zuspiel von Naki in die Torschützenliste ein (48.), die weiteren Tore hatten Marvin Braun (37./74.) und Morike Sako (61.) erzielt. Den Ehrentreffer für die Profis markierte Tom Trybull (83.).

„Mehr Bauchspeck und mehr Erfahrung“ hatte „Höllenhunde“-Trainer Holger Stanislawski ausgemacht. Boll erklärte den Erfolg so: „Wir haben auf unsere alten Tage noch einmal Ehrgeiz entwickelt. Fünf Stück sollte man vielleicht nicht kriegen, aber ich nehme das als nette Geste.“ Von der Qualität her seien er und seine Freunde immer deutlich schlechter gewesen als die heutige Fußballergeneration. „Aber man sieht, was man mit Gemeinschaftsgefühl erreichen kann“, sagte St. Paulis Nummer 17 in Richtung seiner Nachfolger.

Das viel zitierte St.-Pauli-Gefühl, das in den vergangenen Jahren abhandenzukommen schien, flammte gemeinsam mit den mit einem Augenzwinkern bekannt gegebenen 17.017 Zuschauern wieder kräftig auf. Das zeigten auch Szenen und Worte in Richtung des Matchwinners Naki. Nachdem Boll zu den Klängen von „You’ll never walk alone“ verabschiedet worden war, schallte es adressiert an Naki von den Rängen: „Du musst hier nur unterschreiben.“

Ein Wunsch, den nicht nur die Fans hegen. Der Kurde, der für Genclerbirligi Ankara spielt, will die Türkei aus sportlichen und politischen Gründen im Winter verlassen. „Die Situation in der Türkei nimmt mich sehr mit“, sagte der 25-Jährige. „Wenn St. Pauli anruft, nehme ich den ersten Flieger nach Hamburg.“ Boll, den Naki als seinen „großen Bruder“ bezeichnet, will den Stürmer dabei unterstützen. „Ich weiß, dass es ihm nicht gut geht. Wenn er nichts anderes in Deutschland findet, könnte er sich vielleicht zunächst bei meiner U23 fit halten. Ich habe mit Deniz schon locker darüber gesprochen“, erklärte der 35-Jährige, um dann anzufügen, was das „Bollzen“ genannte Abschiedsspiel transportieren sollte: „Wir sind eine große Familie. Wenn es einem schlecht geht, dann hilft man sich.“

Bevor die Rückholaktion möglicherweise in Gang gerät, feierten St. Paulis einstige Aufstiegshelden im Ballsaal der Südtribüne bis tief in die Nacht ihr großes Familientreffen. Fettes Brot und Thees Uhlmann sorgten dabei live auf der Bühne für den musikalischen Rahmen. „Ich hatte den ganzen Tag Gänsehaut. Vielen Dank für einen absoluten Sahneabschluss“, freute sich ein sichtlich glücklicher Fabian Boll.