Mentalitätsmängel, bisher kaum überzeugende Neuzugänge, fehlende Autorität der Führungsspieler und Verletzungen. Der FC St. Pauli wollte oben mit spielen, stattdessen befindet sich der Kiezclub im Tabellenkeller.

Hamburg. Die Spieler des FC St. Pauli hatten offenkundig ihren Spaß, als sie am Sonntag zum Abschluss ihrer Trainingseinheit auf großem Feld Fußball-Tennis mit zehn gegen zehn spielten. Die Profis feuerten ihre Kollegen an, zählten die Berührungen und reklamierten bei dem als Schiedsrichter agierenden Co-Trainer Timo Schultz, wenn sie auf der Gegenseite eine Regelwidrigkeit entdeckt hatten. Der unvorbelastete Betrachter konnte den Eindruck gewinnen, dass hier Teamgeist herrscht und gelebt wird. Von Niedergeschlagenheit nach dem 0:3 am Freitagabend beim Zweitliga-Schlusslicht Erzgebirge Aue, das zum Sturz auf den vorletzten Tabellenplatz führte, war in diesen Minuten nicht mehr viel zu spüren. Trainer Thomas Meggle hatte mit der Auswahl dieses Trainingsspiels offenbar bewusst den Fokus darauf gelegt, vor dem Heimspiel am Dienstag (17.30 Uhr, Sky live) gegen Eintracht Braunschweig mit kleinen Erfolgserlebnissen wieder zu einer positiven Grundhaltung zu kommen.

Dies ist angesichts des bisherigen, so enttäuschenden Saisonverlaufs mit nur einem Sieg, einem Unentschieden und schon vier Niederlagen auch dringend nötig. Warum der FC St. Pauli, der in der vergangenen Saison lange im Kampf um einen Aufstiegsplatz mitmischte, überhaupt einen so schwachen Saisonstart hinlegen und in die aktuelle Bredouille geraten konnte, hat verschiedene Gründe.

Transfers: Die Zugänge Daniel Buballa, Lasse Sobiech, Michael Görlitz und Ante Budimir konnten bisher insgesamt noch nicht beweisen, dass sie das Team entscheidend verstärken. Vor allem Außenverteidiger Buballa hinkt seinen Leistungen aus der Vorsaison beim VfR Aalen hinterher und wirkt verunsichert. Der kurz vor Transferschluss verpflichtete Enis Alushi ist bisher nicht zu bewerten, da er anfangs noch nicht hundertprozentig fit und zuletzt verletzt war. Der Verlust von Topscorer Fin Bartels, der sich bei Werder Bremen einen Stammplatz erkämpft hat, konnte bisher nicht kompensiert werden.

Vorbereitung: Die ebenso lange und wie intensive Saisonvorbereitung machte Hoffnung, die enttäuschende Schlussphase der vorherigen Saison vergessen zu lassen. Das Team blieb ungeschlagen, erzielte gegen unterklassige Teams zum Teil eine Vielzahl von Toren und erkämpfte sich gegen die namhaften, internationalen Erstligisten Udinese Calcio (0:0) und Celtic Glasgow (1:0) achtbare Resultate. Allerdings waren genau diese beiden Teams kein Maßstab, weil sie nicht in Bestbesetzung und -form angetreten waren.

Mentalität: Solange die Mannschaft in der vergangenen Saison an der Tabellenspitze mitspielte, glänzten auch die diversen jungen, in den Nachwuchsleistungszentren ausgebildeten Spieler. Als es darauf ankam, Rückschläge zu verkraften und Kampfgeist zu zeigen, waren viele von ihnen nicht mehr zu sehen. So stürzte die Mannschaft ganz am Ende der Spielzeit noch auf den achten Rang der Abschlusstabelle und machte sich selbst eine lange Zeit sehr ansprechende Saison kaputt. Entgegen aller Beteuerungen gab es danach keinen Schlussstrich. Vielmehr setzte sich der Negativtrend insgesamt fort.

Führungsspieler: Noch besitzt der zu Saisonbeginn neu zum Kapitän bestimmte Sören Gonther nicht die natürliche Autorität, wie sie sich sein Vorgänger Fabian Boll über Jahre erarbeitet hatte. Der Absturz zum Ende der vergangenen Saison hing aber auch damit zusammen, dass Boll wegen Verletzung fehlte und auch deshalb keinen Zugang zu den meisten jüngeren Spielern mehr hatte. Bezeichnend ist zudem, dass der von Ex-Trainer Roland Vrabec zum Kapitäns-Stellvertreter bestimmte Torwart Philipp Tschauner von den Spielern nicht in den fünfköpfigen Mannschaftsrat gewählt wurde.

Trainerwechsel: Da das Verhältnis zwischen Teilen des Kaders und Roland Vrabec offenbar nachhaltig gestört war, war die Ablösung des Trainers unvermeidbar. Die zum Teil blutleeren Auftritte des Teams legten den Schluss nahe, dass eine Trennung schon vor Saison sinnvoll gewesen wäre. Nachfolger Thomas Meggle startete zwar mit zwei Niederlagen, dennoch waren vor allem beim unglücklichen 1:2 gegen 1860 München positive Ansätze zu erkennen. Seine Arbeit aber wird erst zu bewerten sein, wenn ihm wieder ein Kader mit mehr gesunden Spielern zur Verfügung steht.

Verletzungen: Bei den Spielen gegen 1860 München und zuletzt in Aue fehlten aus der nominellen Idealbesetzung drei der vier Abwehrspieler (Sebastian Schachten, Sobiech, Gonther) sowie beide „Sechser“ (Alushi, Christopher Buchtmann). Dazu gingen einige Profis angeschlagen ins Spiel.

Vereinsführung: Seit der Ankündigung des Aufsichtsrats, im November einen neuen Präsidenten zur Wahl vorzuschlagen und den bisherigen Amtsinhaber Stefan Orth abzulösen, herrscht im Innenleben des Kiezclubs Unruhe und Aufregung. Davon bleiben auch die sportliche Führung und die Spieler nicht unbeeindruckt.