Der DFB-Pokalauftritt in Rathenow wird zum Charaktertest für die Mannschaft des FC St. Paulis. Es könnte auch als Endspiel bezeichnet werden. Folgen anschließend Neuzugänge?

Hamburg. Besondere Zuversicht verbreitet ein Blick in die jüngere DFB-Pokalhistorie des FC St. Pauli kaum. Viermal in den vergangenen sechs Jahren kam das Aus in der ersten Runde, das letzte Heimspiel in diesem Wettbewerb datiert gar vom 4. August 2007. Beim 1:0 über Bayer Leverkusen (Torschütze Fabian Boll) standen damals der heutige Co-Trainer Timo Schultz und U23-Chef Thomas Meggle auf dem Rasen. Weil Trainer Roland Vrabec nach nur zwei Spielen schon von einem „Fehlstart“ seines Teams in der Liga spricht, wird die Partie gegen den Fünftligisten Optik Rathenow (Sa./15.30 Uhr) nun zur Nagelprobe.

„Als höherklassige Mannschaft kannst du eigentlich immer nur schlecht aussehen“, weiß auch Kapitän Sören Gonther. „Hinterher heißt es dann, die muss man zweistellig schlagen. Für die ist es das Spiel des Lebens. Deshalb ist für mich absolut nur eines entscheidend: ein Sieg!“ Für St. Pauli ist der Auftritt in Rathenow bereits das erste Endspiel – und das nicht nur aufgrund des K.-o.-Wettbewerbs. Einstellung der Mannschaft, Teamgeist, Spielsystem und Fitnesszustand wurden nach dem leblosen 0:2 in Aalen in einer turbulenten Woche diskutiert. Vrabec schottete das Team drei Tage lang an der Kollaustraße ab, ließ unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainieren.

Sollte der Kiezklub in Rathenow erneut gegen einen unterklassigen Gegner scheitern, drohen personelle Konsequenzen in gleich mehreren Bereichen. Nicht nur Coach Vrabec stünde dann vor der Entlassung, auch Sportchef Rachid Azzouzi rückt zwangsläufig zunehmend in den Fokus. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch der von ihm zusammengestellten Mannschaft. Im brandenburgischen Havelland müssen die Profis einen Charaktertest bestehen. „Natürlich wollen wir dominieren, unsere Spielzüge durchziehen und spielerisch überzeugen, gar keine Frage. Aber das alles Entscheidende ist das Weiterkommen“, betont Gonther.

Nach den ersten drei Pflichtspielen der Saison soll anschließend eine Bestandsaufnahme des Kaders erfolgen. Nach Abendblatt-Informationen spricht sich Vrabec intern für weitere Neuverpflichtungen noch vor dem Ende der Transferperiode am 31. August aus. Speziell im Mittelfeld soll man Nachholbedarf erkannt haben. Denn eines machte der verpatzte Saisonstart besonders deutlich: An charakterstarken Führungsfiguren mangelt es St. Pauli weiterhin.

Weiterkommen in Rathenow garantiert Einnahmen in Höhe von 250.000 Euro

Im Gegenzug denkt das Trainerteam auch darüber nach, Spieler aus dem aktuellen Aufgebot kurzfristig zu verleihen. Vrabec hatte dies bereits vor dem Spiel in Aalen angedeutet. „Wir werden Bilanz ziehen und gucken, wo wir Gespräche führen müssen. Man muss schauen, ob es bei dem ein oder anderen auch über die Saison gesehen nicht reichen wird“, hatte der 40-Jährige auf einer Pressekonferenz erklärt. Nach Stürmer Ante Budimir, dem mit rund 900.000 Euro zweitteuersten Transfer der Vereinsgeschichte, sind weitere kostspielige Verstärkungen jedoch unwahrscheinlich. Ein Weiterkommen in Rathenow würde den finanziellen Spielraum aber erhöhen. Rund 250.000 Euro kassieren die Vereine für das Erreichen der zweiten Runde.

Doch selbst ein klarer Sieg an diesem Sonnabend kann ein weiteres Endspiel am kommenden Freitag nicht verhindern. Gegen Sandhausen muss der erste Heimerfolg seit dem 3. März gelingen. Der Verein meldete am Freitag, für die Partie im zumeist ausverkauften Millerntor-Stadion seien noch Steh- und Sitzplätze verfügbar. Die Stimmung auf St. Pauli droht zu kippen.