Nach dem desaströsen Auftritt des FC St. Pauli in Aalen wäre es zu voreilig, reflexartig die typischen Mechanismen der Branche anzuwenden. Ein Kommentar

Als Roland Vrabec im vergangenen Winter nach vier Siegen in seinen ersten fünf Spielen als neuer Held vom Millerntor gefeiert wurde, zeigte er einen bemerkenswerten Realismus. Er wisse, sagte er, dass es auch schnell andere Zeiten geben könnte. Gut ein halbes Jahr später hat ihn seine Ahnung eingeholt. Bei Teilen der St.-Pauli-Fans ist Vrabec der Sündenbock für die sportlichen Enttäuschungen am Ende der vergangenen Saison und den Fehlstart in die aktuelle Spielzeit. Sein Team hat zuletzt im April ein Spiel gewonnen, den bisher letzten Heimsieg gab es gar am 3. März. Es gab schon Trainerentlassungen für kürzere Phasen der Erfolglosigkeit.

Und doch wäre jetzt zu banal, nach dem desaströsen Auftritt in Aalen reflexartig die typischen Mechanismen der Branche anzuwenden. Tatsache ist, dass das Team unter Vrabec mitreißende und fußballerisch ansehnliche Spiele gezeigt hat. Bisher gibt es keine plausible Erklärung, warum diese Fähigkeit abhandengekommen ist. Deshalb gilt es jetzt, genau hier mit einer schonungslosen Analyse anzusetzen. Ist die Atmosphäre zwischen Trainer und Spielern so vergiftet, dass der Auftritt in Aalen ein Hilferuf der Mannschaft war? Oder sind die Spieler nur verunsichert, weil sie Vrabec’ Spielsystem noch nicht automatisiert haben oder davon gar nicht überzeugt sind. Solange es noch eine Chance gibt, dass sich Vrabec und die Mannschaft zusammenraufen, sollte diese genutzt werden. Beide besitzen Qualitäten. Die Vereinsführung ist gefordert, diese wieder in dieselbe Richtung zu lenken.