Selbstmord in Berlin mit 33 Jahren nach schweren Depressionen

Berlin. Am vergangenen Sonntag sendete Andreas Biermann eine SMS an seinen Trainer von den Spandauer Kickers, vielleicht die letzte. Es gehe ihm nicht gut, Fieber, er könne nicht zum Spiel der Senioren kommen. Keiner ahnte, dass der ehemalige Bundesligaprofi da schon seinen Abschied aus dem Leben vorbereitete. Es hatte nichts darauf hingedeutet, im Gegenteil.

Andreas Biermann wurde 33 Jahre alt. Er litt an Depressionen. In der vergangenen Woche nahm er sich in seiner Berliner Wohnung das Leben. Er hatte vergangenes Wochenende seine Kinder abholen sollen, er lebte mit seiner Frau in Scheidung, aber er kam nicht. Sein Handy war eingeschaltet, doch er meldete sich nicht. Böse Vorzeichen der Tragödie. Am Mittwoch tauchte Biermanns Vater Gernot in Spandau beim Bürgermeisterpokal auf dem Fußballplatz auf, so wird es berichtet. Er suchte seinen Sohn, händeringend, ob irgendjemand irgendetwas wisse?

Biermanns Vater soll die Feuerwehr alarmiert haben, die Tür seiner Wohnung wurde aufgebrochen, doch da war es schon zu spät. Am Freitag unterrichtete Biermanns Vater den Verein. Die angesetzten Spiele der Spandauer Senioren, bei denen Biermann der erfolgreichste Torschütze war und die er in der vergangenen Saison zur Vizemeisterschaft geführt hatte, wurden abgesagt. Biermann war äußerst beliebt, keine Allüren, große Sozialkompetenz.

Nach dem Selbstmord von Enke machte Biermann seine Krankheit öffentlich

Diejenigen, die ihm im Verein nahestanden, hatten keine Ahnung, wie schlimm es um Biermann gestanden haben muss. Wie sehr er dieses Leben nicht mehr leben wollte. Es ist ein Charakteristikum von depressiv Kranken, dass sie gut verbergen können, wie sehr sie leiden. Sie funktionieren in der Öffentlichkeit, erst wenn sie allein sind, bricht ihr Kartenhaus zusammen. Biermann hatte drei Suizidversuche hinter sich, den letzten 2012. Noch im Juni war er mit mehreren Dutzend Spandauer Spielern zur großen Sause aufgebrochen. Saisonabschlussfahrt, Mallorca. Acht Tage Sonnenschein. Hinweise auf seine Verzweiflung? Nichts erkennbar, war von den Mitreisenden zu hören. Biermann hatte das mal seinen „Dämon“ genannt, der in ihm hauste und immer mal wieder sein Unwesen trieb. Ihm etwas einflüsterte, durch das er sich elend fühlte. Biermann hatte angefangen, Psychologie zu studieren. Er wollte anderen helfen, denjenigen, die das Gleiche wie er durchlitten. Als Musik lief bis zuletzt auf seinem Handy bei einem Freiton Songtext und Video des Lieds „Wonderful Life“ der Band Hurts.

In seinem 2011 erschienenen Buch („Rote Karte Depression“) beschrieb er eindringlich, wie ein früherer Versuch ablief. „Es dauerte nur zehn Minuten, bis er wusste, wie er sterben wollte. Keine Schmerzen wollte er dabei haben. Er hielt sich für einen Schisser, wenn es um Schmerzen ging. Direkt nach einem Training fuhr er zu einem Baumarkt, er verzog die Mundwinkel, als er einparkte und dabei den fetten Werbespruch an der Fassade des Baumarktes las: ,Mach Dein Ding.‘ Er war ganz ruhig, er bewegte sich so lässig, als ob er einen Eimer Tapetenkleister kaufen wollte. In der Gartenabteilung wählte er eine Rolle Klebeband, das etwas aushalten konnte, und den Schlauch mit dem größten Durchmesser. Er war grün und so groß, dass er ihn ohne große Mühe um den Autoauspuff befestigen konnte.“

Biermann hatte für Union Berlin und den FC St. Pauli gespielt, als es ihm noch etwas besser ging. Nachdem er seine Krankheit öffentlich gemacht hatte, wollte ihn kein Proficlub mehr unter Vertrag nehmen. Auslöser für seinen Gang an die Öffentlichkeit war die bewegende Pressekonferenz von Teresa Enke im November 2009. Die Witwe sprach über den Selbstmord und die Krankheit ihres Mannes, des ehemaligen Nationaltorhüters Robert Enke. Da erkannte auch Biermann, dass er depressiv war. „Es war, als hielte sie mir einen Spiegel vor. Als würde sie über mich sprechen.“

St.-Pauli-Profi Jan-Philipp Kalla, der mit Biermann noch zusammen spielte, reagierte geschockt: „Das Tückische an dieser Krankheit ist offenbar, dass andere denken, es würde einem gut gehen. Ich habe ihn als einen ruhigen, introvertierten Mitspieler erlebt. Ich habe es überhaupt nicht mitbekommen, dass er unter Depressionen leidet. Nachdem er St. Pauli verlassen hatte, hatten wir nur noch kurz Kontakt miteinander. Ich hatte den Eindruck, dass er sich abkapseln wollte.“

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der kostenlosen Nummer: 0800/1110111.