17 Spiele hat Roland Vrabec als Trainer des FC St. Pauli erlebt. Eine Bilanz

Hamburg. Roland Vrabec war es ein Bedürfnis. Er wollte einfach nur Danke schön sagen. Dafür, dass die Mannschaft des FC St. Pauli in den vergangenen fünf Monaten so akribisch mitgezogen und zu ihm gestanden hatte. Das sei schließlich nicht selbstverständlich, wenn der Co-Trainer plötzlich zum Chef ernannt würde, sagte der Coach seinem Team vergangene Woche in einer Kabinenansprache. Denn mit der Partie gegen den 1. FC Kaiserslautern am Freitag (2:3) schloss sich für Vrabec ein Kreis. Seit 17 Spielen, also genau einmal gegen jede Mannschaft, steht der 40-Jährige nun als Hauptverantwortlicher an der Seitenlinie St. Paulis. Mit der Partie bei Energie Cottbus an diesem Donnerstag (18.30 Uhr) beginnt seine persönliche Rückserie.

Auf den ersten Blick scheint seit seiner Amtsübernahme mit dem Heimsieg über Cottbus (3:0) am 11. November alles neu rund ums Millerntor. Drohte der Club unter Michael Frontzeck zuvor im grauen Mittelfeld der Zweiten Liga zu versinken, führte Vrabec das Team in den Aufstiegskampf und hielt bis zur jüngsten Niederlage gegen den FCK den Anschluss an die Spitzenplätze. Die Statistik seiner bisherigen Amtszeit spricht dennoch eine andere Sprache. 1,59 Punkte pro Spiel sammelte der Kiezclub unter Vrabecs Regie, 1,46 waren es zuvor unter Frontzeck. In einer seit dem 14. Spieltag erstellten Tabelle (siehe unten) belegt St. Pauli den fünften Rang, Vrabec hatte das Team als Achter übernommen. Einen nachhaltigen Aufschwung lassen diese Zahlen nicht erkennen. Besonders zu Hause gelang es auch dem Trainerneuling bislang nicht, für sichtbaren Erfolg zu sorgen. Während die Spitzenteams Köln, Fürth, Paderborn und Kaiserslautern sich in der Heimtabelle auch auf den oberen Plätzen tummeln, belegt St. Pauli dort nur Rang 14.

Vrabec selbst beschreibt seine Hinserie so: „Wir haben ein Wellenbad der Gefühle erlebt. Es gab alles, was man im Fußball miterleben kann. Von packenden Spielen wie gegen Kaiserslautern bis zu langweiligen Auftritten gegen Ingolstadt.“ Auswärts präsentierte der Club zumeist erfrischenden Offensivfußball, geprägt von einem schnellen und technisch anspruchsvollen Umschaltspiel. Während Frontzeck viel Wert auf die Abwehrarbeit legte, will Vrabec sehr offensiv ausgerichtet agieren lassen. „Er gewinnt lieber 4:3 als 1:0, wir sollen früher attackieren als zuvor“, erklärt Verteidiger Sören Gonther die Maßgaben seines Chefs.

Am Millerntor, dort wo sich die Vereinsführung besonders stürmischen Erlebnisfußball wünscht, gelang es jedoch zu selten, Chancen gegen defensiv gut organisierte Gegner zu kreieren. „Wir werden besser im Spiel mit eigenem Ballbesitz, aber dann erleiden wir auch immer noch zu viele Rückschritte“, sagt Vrabec. Weiterhin kassieren die Hamburger zu häufig Gegentore nach Standardsituationen, insbesondere bei Eckbällen. Dieses Manko hat auch der Frontzeck-Nachfolger nicht in den Griff bekommen. „Wir haben bei Standards viel probiert, aber es ist leider trotzdem nicht besser geworden“, gibt er zu, „Ansätze sind erkennbar, aber in allen Bereichen haben wir weiter viel Arbeit vor uns“. Probleme, die den akribischen und mitunter hochemotionalen Vrabec zu Wutausbrüchen am Seitenrand treiben können.

Wenngleich das Thema Aufstieg nie öffentlich auf die Agenda gesetzt wurde, so schielte der Trainer stets auf Konkurrenz und Tabelle. Nicht weniger als St. Paulis Rückkehr in die Bundesliga ist das Ziel des Mannes, der zuvor Nachwuchsmannschaften des FSV Frankfurt und von Mainz 05 coachte. „Wir haben überdurchschnittlich viel Potenzial in der Mannschaft, aber rufen es bislang zu selten ab“, konstatiert Vrabec, weshalb der Aufstieg aber in der kommenden Saison klare Zielvorgabe sein dürfte. „Diese Schwankungen wurmen mich natürlich, und da muss ich manchmal innehalten, damit mich das nicht auf die Palme bringt“, sagt er.

Durch innovative und überraschende Trainingsformen darf sich Vrabec aber auf die Fahne schreiben, junge Profis wie Verteidiger Philipp Ziereis deutlich weiterentwickelt zu haben. Seine Devise lautet, die Spieler im Training zu überfordern, um Situationen im Wettkampf als vergleichsweise einfach erscheinen zu lassen. Der gebürtige Frankfurter überrascht immer wieder mit neuen Aufstellungsvariationen und scheut sich nicht, auch etablierte Spieler auf Bank oder Tribüne zu setzen.

Auch wenn die Aufstiegschancen St. Paulis bei sechs Punkten Rückstand und vier Partien wohl nur noch theoretischer Natur sind, ist der Ehrgeiz des Trainers ungebrochen. „Mein Anspruch ist nicht, diese Spiele abzuschenken, ich will die Anspannung weiter hochhalten.“ Denn schließlich, daran habe sich nach 17 Spielen als Cheftrainer nichts geändert, „habe ich den besten Job der Welt“.

Fabian Boll muss sein Comeback wegen einer Kapselzerrung in der rechten Hüfte verschieben und wird nicht mit nach Cottbus reisen. Der Kapitän hatte am Dienstag das Training abbrechen müssen.