Für den FC St. Pauli kann das 3:2 beim SV Sandhausen aufgrund seiner Dramaturgie viel mehr als drei Punkte wert sein

Wenn es beim FC St. Pauli in rund fünf Wochen darum gehen wird, prägende Momente der dann gerade abgelaufenen Saison Revue passieren zu lassen, werden diese neun Minuten am Sonnabend im Hardtwaldstadion von Sandhausen mit einiger Sicherheit erwähnt werden. Womöglich werden sie sogar als entscheidender Wendepunkt in die Geschichte dieser Spielzeit eingehen.

Nach dem fatalen, viel zu zaghaft gespielten Rückpass von Kapitän Jan- Philipp Kalla, der in der 70. Minute zum 1:2 durch Sandhausens Nicki Adler geführt hatte, besann sich das Team von Trainer Roland Vrabec seiner Qualitäten und verwandelte den frustrierenden Rückstand durch Treffer von Sebastian Schachten (76.) und Marc Rzatkowski (79.) in eine 3:2-Führung, die bis zum Ende hielt und den bereits achten Auswärtssieg der Saison bedeutete.

„Ich ziehe den Hut davor, mit welcher Moral und Einstellung die Jungs auf den zweimaligen Rückstand reagiert haben“, sagte St. Paulis Sportdirektor Rachid Azzouzi. Tatsächlich war es beeindruckend, dass sich die St. Paulianer nach gleich zwei schwerwiegenden, individuellen Fehlern, die mit Gegentreffern bestraft wurden, zu einer spektakulären Antwort aufrafften. Dabei bewiesen die entscheidenden Spieler bei den beiden Treffern sogar mehr Übersicht und Präzision als in so manchen Szenen zuvor und drehten kurzerhand das Spiel.

Schon in den Sekunden nach dem Ausgleich zum 2:2 war zu erkennen, dass sich die Hamburger Mannschaft an diesem Tag nicht mit einem Punkt zufrieden geben wollte. Er hätte realistisch betrachtet ja auch nicht viel genützt.

Eine große Rolle in der Erfolgsstory dieser Partie spielte der gegenseitige Umgang der Akteure untereinander. Nach dem 0:1 eilte Außenverteidiger Schachten sofort zu Mittelfeldspieler Sebastian Maier, der mit einem folgenschweren Ballverlust das Gegentor einleitet hatte. „Ich habe ihm gesagt, dass genau in diesem Moment, als das Gegentor gefallen ist, sein Fehler auch schon wieder abgehakt ist“, erzählte Schachten nach dem Spiel. „Und prompt hat er dann ja auch die Antwort mit seinem Freistoß gegeben, der zum Ausgleich führte.“ Den mit dem rechten Fuß von links in den Strafraum getretenen Ball verwandelte Innenverteidiger Sören Gonther im zweiten Versuch (55. Minute) zum 1:1. Die dramatischen neun Minuten aber sollten danach erst noch folgen.

Nach zuvor drei sieglosen Spielen in Folge mit nur zwei von neun möglichen Punkten schien das Thema Bundesliga- Aufstieg für den FC St. Pauli schon praktisch erledigt. Nun aber hat sich die Tür ins Fußball-Oberhaus nach der überraschenden Heimniederlage des zuvor so stark auftretenden SC Paderborn gegen Fortuna Düsseldorf (1:2) wieder ein kleines Stück geöffnet. Die Kiezkicker (46 Punkte) haben statt zuvor sechs jetzt nur noch drei Punkte Rückstand auf die Ostwestfalen (49), die auf dem Relegationsplatz stehen. Der Tabellenzweite SpVgg. Greuther Fürth (ebenfalls 49) muss erst an diesem Montagabend beim FC Ingolstadt 04 antreten.

„Es sind für uns in den abschließenden fünf Spielen noch 15 Punkte zu holen. Davon wollen wir uns so viele wie möglich sichern“, gab Torwart Philipp Tschauner die Devise für die kommenden Wochen aus. Die Sorge, das Team des FC St. Pauli könnte nach den jüngsten Punktverlusten die Saison ohne größere Ambitionen auslaufen lassen, scheint nach dem Erfolg in Sandhausen unbegründet.

Innenverteidiger Sören Gonther gelang sein erstes Tor für den FC St. Pauli

Vielmehr dürfte es schon am kommenden Freitagabend (18.30 Uhr) gegen den ebenfalls noch auf den Aufstieg hoffenden 1. FC Kaiserslautern zu einem weiteren emotional geprägten Duell kommen. Dann allerdings im heimischen Millerntorstadion, in dem den St. Paulianern in dieser Saison erst fünf Siege und damit drei weniger als auf fremden Plätzen gelangen.

„Wir sollten auch jetzt genauso wenig auf die Tabelle schauen, wie wir es vor dem Spiel in Sandhausen getan haben“, sagte Torschütze Sören Gonther. „Immer dann, wenn wir über unsere die guten Perspektiven gesprochen haben, die wir besitzen, haben wir uns im nächsten Spiel schwer getan.“ Am Freitag habe man nun mit dem Heimmatch gegen den 1. FC Kaiserslautern „ein richtig schönes Spiel vor der Brust“. „Danach kommen noch vier Spiele, auf die wir uns jeweils genauso konzentrieren sollten.“ Erst nach dem 34. Spieltag könne man sich dann die Tabelle anschauen und sehen, was dabei herausgekommen ist. „Ich bin aber sicher, dass wir im Bereich da oben bleiben werden“, sagte Gonther weiter.

Wie zur Bestätigung dieser These gaben am Sonntag auch St. Paulis Konkurrenten 1. FC Kaiserslautern (1:1 gegen Bochum) und Union Berlin (2:3 in Aue) wichtige Punkte ab, so dass die Kiezkicker nun wieder als Tabellenvierter in den Saisonendspurt der Zweiten Liga gehen.

Gonther selbst versuchte zwar, den persönlichen Erfolg, der ihm mit seinem ersten Treffer für St. Pauli gelungen war, unter den der gesamten Mannschaft zu stellen. Und doch konnte der 27-Jährige nicht verhehlen, wie sehr er sich über sein Kopfballtor im zweiten Versuch gefreut hatte. „Es fällt viel von einem ab, wenn man endlich getroffen hat. Gerade in einem so emotionalen Spiel wie am Sonnabend in Sandhausen ist es ein besonders schönes Gefühl“, sagte er.

Am Ende gab es sogar noch eine kleine Diskussion mit Stürmer John Verhoek, der Ansprüche angemeldet hatte, den Ball entscheidend über die Torlinie gedrückt zu haben. „Ich habe ihm aber klar gesagt, dass der Ball nach meinem zweiten Kopfball schon im Tor war und es daher ganz klar mein Treffer ist. Das nächste Tor gönne ich jetzt John umso mehr“, sagte Gonther weiter.

St. Paulis Trainer Roland Vrabec hält es für möglich, dass das Wechselbad der Gefühle, das sein Team in Sandhausen erlebte, angesichts des glücklichen Endes mehr positive Wirkungen entfachen könnte, als ein sicher herausgespielter Erfolg. „Die Art dieses Sieges hat bei uns eine gewisse Euphorie freigesetzt, die uns für das Spiel gegen Kaiserslautern einen zusätzlichen Schub geben kann“, sagte er am Sonntag.