Torhüter Benedikt Pliquett überzeugt bei Sturm Graz mit starken Leistungen. In Hamburg habe er nie eine echte Chance bekommen, sagt er.

Hamburg. Benedikt Pliquett hat sein Glück gefunden. Das wird sofort klar, als es am Telefon aus ihm heraussprudelt. Die Stadt sei so toll, eine schöne Wohnung zwei Minuten vom Trainingsgelände entfernt habe er bezogen, aber vor allem läuft es sportlich rund wie vielleicht nie zuvor in seiner Karriere. „Ich sitze hier in der Sonne in meinem Garten und schaue auf die Berge“, sagt der neue Torhüter von Österreichs Erstligisten Sturm Graz zufrieden: „Hamburg vermisse ich da keine Sekunde. Außer meine Freunde.“ Seine Ehefrau, den neunmonatigen Sohn und Dalmatiner Curtis hat er für das private Rundumglück ohnehin mitgenommen.

In Österreichs Medien ist der Ahrensburger derzeit gefeierter Mann. Nach seinem Wechsel am 2. September, dem letzten Tag der Transferperiode, vom FC St. Pauli nach Graz, legte Pliquett einen Blitzstart hin. Zunächst reihte er sich hinter Christian Gratzei als Nummer zwei ein, doch dieser sah anschließend die Rote Karte und wurde für drei Partien gesperrt. Pliquetts Chance: „Ich wusste, dass ich hier sportlich eine Riesenperspektive habe, aber dass es so schnell geht, war natürlich Glück“, sagt der 28-Jährige. Seit drei Spielen hat er nun schon kein Gegentor mehr kassiert – zuvor musste die Mannschaft 24-mal in Serie mindestens einen Treffer hinnehmen. Nach Gratzeis abgesessener Sperre wird er wohl trotzdem im Tor der Grazer bleiben.

Ein Grund, warum der frühere Publikumsliebling vom Millerntor heute sagt: „Ich trauere der Zeit nicht hinterher.“ Doch nicht nur sein sportlicher Erfolg hat keine Wehmut über den Abschied von seinem Herzensclub St. Pauli aufkommen lassen. Zu sehr hatten ihn die vergangenen Jahre, als Pliquett vom Ersatztorhüter zur Nummer drei degradiert worden war, heruntergezogen. „Sportlich hat man mir immer suggeriert, dass man zufrieden war, dass ich Schritte nach vorne gemacht habe“, erklärt Pliquett, „dabei ist es immer geblieben. Ich hatte nie eine faire Chance. Teilweise war es schon sehr ärgerlich. Ich war es dann bei St. Pauli irgendwann einfach leid.“

Zum Beispiel als sich Stammkeeper Philipp Tschauner vor der Winterpause 2011/2012 verletzte. Pliquett vertrat ihn unter Trainer André Schubert in zehn Spielen hervorragend, musste anschließend im Saisonendspurt dennoch wieder auf die Bank. „Das war der größte Knacks“, sagt er: „Damit hat mich das Trainerteam rasiert. Das habe ich nicht verstanden und ihnen auch so gesagt.“ Geärgert hat sich der extrovertierte Schlussmann auch in diesem Sommer, als Coach Michael Frontzeck ungewöhnlich früh die Rangfolge der Torhüter festlegte, ihn zur Nummer drei machte und Tschauner zur eins erklärte: „Dass man diese Abfolge so klar und früh festlegt, war nicht förderlich.“

Zu diesem Zeitpunkt hatte Pliquett nach neun Jahren im Verein ohnehin bereits mit dem Kapitel FC St. Pauli abgeschlossen. Zwischenzeitlich beschäftigte er sich sogar mit einem Karriereende. „Ich wusste nicht, ob es mit Fußball noch weitergeht“, gibt er zu. Im Februar war in ihm dann der Entschluss gereift, seinen Verein, seine Stadt zu verlassen. „Als Leute wie Ebbe und Flo (Marius Ebbers und Florian Bruns – die Red.) auch noch verabschiedet wurden, da war es nicht mehr so, dass ich unbedingt dabeibleiben wollte. Vorher wäre es mir menschlich sehr schwergefallen, aber aus unserer einmaligen Zeit ist ja nur noch Fabian Boll da“, erzählt Pliquett. Trotzdem unterschrieb er im Mai einen neuen Vertrag. Doch schon dort war mit dem Club geklärt, dass Pliquett im Falle eines Angebots ablösefrei wechseln dürfe. Er wollte sich bloß nicht als vereinsloser Torhüter bewerben müssen. „Das war ein feiner Zug, dass mir der Verein da noch mal einen Vertrag gegeben hat“, betont er.

Neue Wertschätzung in Graz

Die sportliche Perspektivlosigkeit hatte ihm da aber so zugesetzt, dass er sich andere Wettkämpfe suchte. Pliquett bestritt einen Triathlon und fuhr von seinem Haus in Sasel aus mit dem Fahrrad zum Training an die Kollaustraße. Immer im persönlichen Kampf gegen die Uhr, auf der Jagd nach einer neuen Rekordzeit: „Ich brauchte einen Ausgleich. Ich brauchte eine Bestätigung für meine Arbeit, schlichtweg ein Erfolgserlebnis“, erklärt er. Im Fußball konnte Pliquett diese Momente auf St. Pauli nicht mehr finden. Heute blickt er zurück: „Ich habe mich dadurch auch super in Form gebracht und fünf Kilo abgenommen, es hat sich gelohnt.“

In Graz fühlt sich Pliquett nun endlich wertgeschätzt. Dort ist er nicht mehr nur Aushängeschild für soziales Engagement und Fanliebling, sondern vor allem Führungsspieler. Manager Gerhard Goldbrich und Trainer Darko Milanic, die Pliquett schon im Juli bei einem Testspiel St. Paulis in Grödig beobachtet hatten, beziehen ihn mit ein, holen sich Ratschläge. Auf St. Pauli war seine Meinung nicht immer gefragt. In einem Interview in Österreich beklagte Pliquett jüngst Zensur durch die Medienabteilung St. Paulis. „Ich bin ein erwachsener Mensch und kann meine Meinung kundtun. In Graz kann ich jetzt sagen, was ich denke. Das befreit mich ungemein“, sagt einer, der rundum glücklich wirkt.