Spielführer Fabian Boll nutzt das Trainingslager in Husum, um die acht neuen Spieler ins Team des Zweitligaclubs zu integrieren.

Husum. Mit seinen nunmehr 34 Jahren hat Fabian Boll schon etliche Trainingslager erlebt. Auch in Husum war er im Gegensatz zu den meisten seiner aktuellen Mitspieler vor Jahren mit dem FC St. Pauli schon einmal, um hier die körperlichen Grundlagen für die kommende Spielzeit zu legen. Und doch gibt es auch für den Kapitän des FC St. Pauli immer einmal wieder etwas Neues. „Noch nie zuvor hatte ich im Trainingslager Geburtstag. Eigentlich war ich an dem Tag immer noch im Urlaub“, erzählt er. Am Sonntag war es aber diesmal so weit. Der Grund für diese spezielle Premiere liegt auf der Hand. Weil in dieser Saison die Zweite Liga schon am 19. Juli in ihre neue Saison startet, also zwei Wochen vor der ersten DFB-Hauptrunde und drei Wochen vor dem Beginn der Ersten Bundesliga, nahm auch der FC St. Pauli so früh wie nie zuvor seinen Trainingsbetrieb auf.

Neu sind für Fabian Boll in diesem Sommer auch gleich acht Mitspieler, die Sportchef Rachid Azzouzi verpflichtet hat. Für den Kapitän der Mannschaft bedeutet dies auch immer eine besondere, aber auch interessante Herausforderung. In erster Linie ist er gefragt, die Neuzugänge mit den Besonderheiten des Kiezclubs vertraut zu machen und ihnen das oft zitierte, spezielle St.-Pauli-Gen zu vermitteln.

„Ich habe einen sehr guten ersten Eindruck von den überwiegend jungen, neuen Spielern. Sie sind recht zurückhaltend, vielleicht sogar etwas schüchtern. Aber das finde ich zunächst einmal gar nicht schlecht“, sagt Boll. Da fällt es dann auch leichter, den Jungs das für einen St.-Pauli-Spieler angemessene Verhalten außerhalb des Platzes nahezubringen. „Es ist mir wichtig, dass sie freundlich, bescheiden und demütig auftreten und zum Beispiel auch ,Bitte‘ und ,Danke‘ sagen“, erläutert Boll.

In den nächsten Wochen will er die Neuzugänge auch mit den verschiedensten Institutionen, die es rund um den FC St. Pauli gibt, vertraut machen. „Besonders wichtig ist auch der Stadtteilrundgang“, sagt Boll. „Die Jungs sollen mit offenen Augen und Ohren ihre neue Umgebung wahrnehmen.“ Dabei soll ihnen klarwerden, in welchem sozialen Umfeld sich der FC St. Pauli befindet und welche Verantwortung daraus resultiert.

Einer der Neuen ist der offensive Mittelfeldspieler Sebastian Maier. Schon im Alter von elf Jahren wechselte er aus seiner Heimatstadt Landshut zum TSV 1860 München, wo er schon mit 17 Jahren seine ersten Einsätze in der Zweiten Liga hatte. „Die positiven Gespräche mit Trainer Michael Frontzeck und Sportdirektor Rachid Azzouzi haben mich überzeugt, zum FC St. Pauli zu wechseln“, sagt der 19 Jahre alte Maier. Zudem habe auch der frühere 1860-Torwart Philipp Tschauner, der seit zwei Jahren am Millerntor ist, ihm empfohlen, zum FC St. Pauli zu gehen. „Nach den ersten Tagen hat sich mein gutes Gefühl absolut bestätigt. Gerade die etablierten Spieler wie Fabian Boll sind auf mich zugekommen und haben mir sofort das Gefühl gegeben, dass ich dazugehöre“, erzählt der deutsche U19-Nationalspieler.

Da er immerhin schon 24 Partien in der Zweiten Liga bestritten hat, will er jetzt auch richtig dazugehören, wenn es um Punkte geht. „Natürlich möchte ich spielen, das ist gerade für einen jungen Spieler auch ganz wichtig, um sich weiterzuentwickeln. Aber ich habe mir jetzt für das erste Jahr keine bestimmte Zahl an Einsätzen vorgenommen“, sagt Maier, der seine Schnelligkeit und seinen Zug zum Tor als Stärken beschreibt. „Im Defensivverhalten und körperlich muss ich noch zulegen“, sagt der 1,79 Meter große, aber zierlich wirkende Maier. Bis Juni 2016 hat er bei St. Pauli unterschrieben, womit schon deutlich wird, dass er zu den Akteuren gehört, die mittelfristig idealerweise eine erstligataugliche Mannschaft bilden sollen.

Auch die anderen jungen Zugänge wie Philipp Ziereis, 20, Michael Gregoritsch, 19, und Marcel Halstenberg, 21, hat Kapitän Fabian Boll in den vergangenen Tagen schon angesprochen und damit quasi in die St.-Pauli-Familie aufgenommen. „Es ist ein Vorteil, dass wir hier in Husum nicht mit dem Bus, sondern zu allen Trainingseinheiten mit dem Fahrrad fahren. Da ist es viel einfacher, mit verschiedenen Spielern locker ins Gespräch zu kommen“, sagt er. Und auf dem Platz hat er festgestellt: „Es sind richtig gute Kicker dabei.“

Noch weiß Boll nicht, ob er in einem Jahr noch einmal mit dem FC St. Pauli ins Trainingslager gehen wird. Er hat lediglich einen Vertrag für eine Saison abgeschlossen. „Ich muss sehen, wie es läuft, und werde mich dann irgendwann entscheiden. Heute kann ich weder ausschließen, dass ich in einem Jahr aufhöre, noch, dass ich noch weiterspielen will“, sagt er. Man spürt, dass ihn die vergangene Saison mit den vielen Spielen, bei denen er zum Zuschauen verdammt war, nachdenklich gemacht hat. Doch auch die Vorfreude, jetzt noch einmal nach einer intensiven Vorbereitung mit neuen, vielversprechenden Mitspielern anzugreifen, ist ihm deutlich anzumerken.