Der Torwart rettet dem FC St. Pauli mit einem Kopfballtor in letzter Minute das 2:2 gegen Paderborn. Die Hamburger haben jetzt neun Punkte Vorsprung auf Dresden.

Hamburg. Die Mitspieler stürzten sich auf Philipp Tschauner, der Torwart des FC St. Pauli wurde bei seinem Torjubel schier von den Kollegen erdrückt. "Philipp Tschauner Fußballgott" sangen die Fans auf den Tribünen am Millerntor. Der Hamburger Schlussmann hatte in der 90. Minute des Zweitligaspiels gegen den SC Paderborn dafür gesorgt, dass ein verloren geglaubtes Spiel doch noch versöhnlich zu Ende ging. Mit einem perfekten Kopfball rettete er den Hamburgern ein 2:2-Unentschieden.

"Als Torwart überlegt man immer, wie es denn wohl ist, wenn man ein Tor erzielt", sagte Tschauner. "Jetzt weiß ich es. Ich habe das erste Mal überhaupt in meinem Leben getroffen. Ich habe Tränen in den Augen." St. Paulis Trainer Michael Frontzeck sagte: "Den Kopfball hat der Tschauni gut reingemacht. Er kann mir jede Woche eine Rippe brechen, wenn er dann immer ein Tor erzielt." Ein Trainingszusammenprall mit Tschauner hatte Frontzeck in der vergangenen Woche einen Aufenthalt im Krankenhaus eingebracht. Marius Ebbers frotzelte: "Mit so einem Kopf kann man nur so ein Tor machen." Und der frühere Paderborner Florian Mohr erzählte: "Eigentlich war der Ball für mich gedacht. Ich habe dann nur gehört, wie es klack gemacht hat."

Dank Tschauners Treffer in letzter Minute hat die Mannschaft vom Millerntor jetzt neun Punkte Vorsprung auf den 16. Tabellenplatz und damit so viele wie noch nie in dieser Saison. Lange hatte es nicht nach einem guten Ende ausgesehen. Es sollte der entscheidende Befreiungsschlag im Kampf um den Klassenverbleib werden, doch zwischenzeitlich lag der FC St. Pauli mit 1:2 zurück. Es waren ausgerechnet die beiden früheren St.-Pauli-Profis Deniz Naki und Mahir Saglik, die in einer Gemeinschaftsproduktion für Paderborns Führung sorgten.

Frontzeck hatte diesmal wieder den zu Saisonbeginn vom SC Paderborn ans Millerntor gekommenen Florian Mohr in die Innenverteidigung beordert. Weichen musste nun Jan-Philipp Kalla, dessen Position als rechter Außenverteidiger Christopher Avevor einnahm, der zuvor als Innenverteidiger aufgelaufen war. "Ich spiele beide Positionen sehr gern", sagt der von Hannover 96 ausgeliehene U-20-Nationalspieler.

Auf der rechten Außenbahn erhielt in der Offensive Joseph-Claude Gyau eine Chance. Akaki Gogia war von Frontzeck aus disziplinarischen Gründen gestrichen worden.

Eine besondere Huldigung erfuhr schon Minuten vor dem Spiel St. Paulis früherer Publikumsliebling Naki. Als Stadionsprecher Rainer Wulff die Aufstellung des SC Paderborn vorlas, skandierten die St. Pauli-Fans bei jedem Nachnamen "Naki". Dramaturgisch perfekt kam Naki dann tatsächlich als letzter der elf Akteure in Paderborns Startelf an die Reihe, weil er mit der "31" die höchste Rückennummer trug. SC-Trainer Stephan Schmidt hatte es ihm offenbar nicht übel genommen, dass er in der Woche vor dem Spiel im "Abendblatt" ganz offen seine Sympathie für den FC St. Pauli geäußert und gesagt hatte, er würde sofort seine Koffer packen und "zu Fuß nach Hamburg gehen", wenn er denn wieder ein Angebot vom Kiezclub erhalten würde.

+++ DER SPIELVERLAUF ZUM NACHLESEN +++

Beim Einlauf der Mannschaften zündeten einige hundert Zuschauer Wunderkerzen an und widersetzten sich damit dem Verbot durch den DFB und dem entsprechenden Aufruf des FC St. Pauli.

Brandgefährlich wurde es auch auf dem Spielfeld in der ersten Halbzeit nur äußerst selten. Die erste und einzige Torchance hatte in der 20. Minute der von Marius Ebbers im Strafraum geschickt angespielte Florian Kringe. Sein Schuss war etwas zu hoch angesetzt.

Ansonsten endeten viele im Ansatz hoffnungsvolle Angriffe zu früh durch ungenaue Zuspiele. Einen erheblichen Anteil am mangelhaften Kombinationsspiel hatte aber der schlechte Rasen.

Dies erwies sich in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit aber auch als Glück für die St. Paulianer. Als Naki bei einem Konter den völlig freistehenden Ex-Hamburger Daniel Brückner (HEBC) anspielte, versprang der Ball, Brückner schoss über das Tor.

"Ich wünsche mir, dass zur zweiten Halbzeit Florian Bruns eingewechselt wird und damit die Qualität auf der Außenbahn erhöht wird", sagte in der Pause St. Paulis Präsident Stefan Orth. Trainer Frontzeck erfüllte diesen Wunsch prompt, was sich schnell auszahlte. Bruns spielte in der 53. Minute Linksverteidiger Sebastian Schachten an, der den Ball direkt auf Ebbers weiterleitete. Dessen Direktschuss in linke obere Toreck bedeutete die 1:0-Führung. Es war Ebbers' 101. Tor in der Zweiten Liga. Die Freude währte nur drei Minuten. Paderborns Deniz Yilmaz nutzte eine Verlegenheit in St. Paulis Abwehr freistehend zum 1:1 (56.).

Die turbulente Schlussphase stellte das Spielgeschehen dann auf den Kopf. Die letzten Minuten gehörten dem Mann des Abends: Philipp Tschauner.

Schema

St. Pauli: Tschauner – Avevor, Mohr, Thorandt, Schachten – Boll, Funk – Gyau (46. Bruns), Kringe (77. Daube), Bartels – Ebbers (58. Thy). – Trainer: Frontzeck

Paderborn: Lukas Kruse – Jens Wemmer, Ziegler, Strohdiek, Bertels – Demme, Mario Vrancic (88. Zeitz) – Meha, Brückner – Yilmaz (79. Saglik), Naki (90. Philipp Hofmann). – Trainer: Schmidt

Schiedsrichter: Tobias Welz (Wiesbaden)

Tore: 1:0 Ebbers (53.), 1:1 Yilmaz (56.), 1:2 Saglik (84.), 2:2 Tschauner (90.)

Zuschauer: 28.278

Gelbe Karten: Gyau, Schachten (5), Thorandt (8), Bartels (6) – Meha (5)