Folgt nach verpatztem Start, Trainerwechsel und zwei Wochen Pause in Paderborn die Wende? Auch für Michael Frontzeck ist es eine Chance.

Hamburg. Sie haben mit sieben Punkten aus neun Spielen eine Bruchlandung hingelegt, die letzten fünf Partien nicht mehr gewonnen, warten auswärts seit mehr als acht Monaten auf einen Sieg. St. Paulis Saisonverlauf ist von Misserfolg gekennzeichnet - und Unruhe. Im Mai musste Sportchef Helmut Schulte gehen, vor dreieinhalb Wochen dann auch Cheftrainer André Schubert, und zwischendurch waren die Profis auf dem Trainingsgelände aufgrund eines dilettantisch geplanten Neubaus des Funktionsgebäudes in ein Containerdorf umgezogen.

Nein, an störenden Nebengeräuschen und unnötigen Nebenkriegsschauplätzen hat es nicht gemangelt. "Wir wollen nicht zurückgucken, wir schauen nach vorn", sagt Michael Frontzeck, was vor dem Auswärtsspiel am Sonntag beim SC Paderborn (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) zwangsläufig den Blick nach oben bedeutet. Nach zweiwöchigem Boxenstopp nehmen die Hamburger das enge Rennen in der Zweiten Liga vom vorletzten Tabellenplatz auf - wenngleich mit neuem Piloten und leicht veränderter Abstimmung. "Es ist eine Art Neuanfang", sagt Mittelfeldspieler Fin Bartels, "ich denke, dass Lockerheit und der Spaß am Fußball jetzt wieder mehr zu spüren sind." Auch seine Kollegen berichten von einer angenehmen Klimaveränderung, die sich in den Tests gegen Fürth (1:0) und bei Viktoria Wien (6:1) positiv bemerkbar gemacht habe. Frontzecks erstes Verdienst? "Für das, was in den vergangenen Tagen trainiert worden ist, ist die Stimmung tatsächlich gut", bestätigt der Trainer mit verschmitztem Grinsen, "aber warten wir mal acht Wochen ab, ob die Spieler dann immer noch so reden ..." Überhaupt seien die ersten zwölf Tage nicht ausreichend, um eine umfassende Beurteilung der Lage vorzunehmen.

So hat sich der 48-Jährige zunächst in die Beobachterrolle begeben, viel im physischen Bereich arbeiten lassen. Zirkeltraining und Kräftigungsübungen dominierten den Plan. Die Stellschrauben wurden behutsam bewegt, er hat das System vom 4-2-2-2- in das gegen den Ball ohnehin praktizierte 4-2-3-1-Schema modifiziert, personell sind keine Überraschungen zu erwarten. Dass Christopher Avevor im Abwehrzentrum verteidigt, ist Florian Mohrs Rückenproblemen geschuldet. Frontzeck hat Skalpell statt Keule gewählt, nimmt im Training immer wieder leichte Einschnitte und Korrekturen vor, führt Einzelgespräche, muntert auf. Ein Klaps auf den Po hier, ein Schulterklopfen dort. Grundlegende Änderungen seien erst mittelfristig zu erwarten, aktuell ist das Mittel des Trainerwechsels das Ziel. Alle wollen und müssen sich zeigen, empfehlen. Was war, zählt nicht mehr. "Ich denke, dass die Testspiele gute Ansatzpunkte gezeigt haben, um den Turnaround zu schaffen. Wir fahren nach Paderborn, um drei Punkte zu holen - egal wie", sagt Sportdirektor Rachid Azzouzi, "Sonntag ist Neustart." Angesichts des Rückstands auf die Konkurrenz allerdings einer mit Handicap.

Was auch für Frontzeck gilt, der nach sportlich allenfalls durchwachsenen Engagements in Bielefeld, Aachen und Mönchengladbach sowie 20 Monaten ohne Verwendung auch die persönliche Trendwende schaffen will. Mittelfristig. "Wir haben genügend Zeit, diese Situation zu lösen", sagt er. Paderborn kann nur der Anfang sein. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.