Während die Entscheidung des FC St. Pauli über die Bauart der Gegengeraden am Millerntor kurz bevorsteht, gibt es neue spektakuläre Ideen.

Hamburg. Rauscht die Welle heran oder ist sie in Kürze ein Auslaufmodell? Das ist eine Frage, die nicht nur viele Fans des FC St. Pauli bewegt. Spätestens bis Mitte Oktober soll die Entscheidung über den Neubau der Gegengeraden am Millerntor fallen. Es konkurrieren der von Hamburger Kreativen ins Rennen geschickte Entwurf in Form einer überdimensionalen Welle und ein konservativeres Modell des Architekturbüros ar.te.plan aus Dortmund, das sich am bisherigen Stadionbau orientiert. Nach Informationen des Abendblatts liegen dem Präsidium des Kiezklubs mittlerweile Kostenschätzungen für die Umsetzung der beiden Tribünenentwürfe vor.

"Die Trends sind mitgeteilt", bestätigt der mit dem Neubau des Stadions beauftragte Generalunternehmer Walter Hellmich, der allerdings keine konkreten Zahlen nennen möchte. "St. Pauli wird sich das ansehen und sich in den nächsten Tagen entscheiden." Der Klub lässt sich dabei von einem unabhängigen Sachverständigen beraten. Ein entscheidendes Kriterium wird neben den Kosten, die sich in jedem Fall in zweistelliger Millionenhöhe bewegen dürften, auch die zu veranschlagende Bauzeit sein, da die neue Tribüne in der Sommerpause 2012 errichtet werden soll. Grundsätzlich seien beide Entwürfe umsetzbar, sagt Hellmich. "Wir sehen das neutral."

Die zunächst mit Blick auf das Wellen-Modell aufgekommenen Sicherheitsbedenken scheinen weitgehend ausgeräumt zu sein. Die beiden obersten Ränge in bis zu 24,15 Meter Höhe, die wegen ihrer nahen Platzierung am Spielfeldrand einen völlig neuen Blick auf das Geschehen auf dem Platz ermöglichen würden, sollen im Fall einer Umsetzung mit Sicherungen gegen das versehentliche Fallenlassen von Gegenständen ausgestattet werden.

Zur Sicherheit beitragen könnte zudem eine spektakuläre Idee des Kreativlabors Interpol, das gemeinsam mit dem Frankfurter Ingenieurbüro OSD und dem Architekturbüro Werkstatt Zwei an den Wellen-Plänen arbeitet. Demnach könnten die beiden obersten Stehränge fest an Dauerkarteninhaber vergeben werden. Dies wäre ein im deutschen Profifußball einzigartiges Experiment. Der Vorschlag fußt unter anderem auf der Annahme, dass die Schwelle, von seinem ganz persönlichen, vielleicht sogar mit Namensschildern markierten Stammplatz absichtlich einen Gegenstand zu werfen, höher ist als aus der Menge heraus. Keine Option ist dagegen die Umwandlung in Sitzplätze, wie auch die AG Stadionbau betont.

+++ St. Paulis neue Welle: Endgültige Entscheidung naht +++

+++ Großer Wirbel um die Welle +++

+++ So könnte das neue Millerntorstadion aussehen +++

Die AG vertritt die vom Neubau der Gegengeraden und der Nordkurve (Abriss voraussichtlich 2014) betroffenen Anhänger. Fanklubs sind in ihr genauso vertreten wie die Organisationen Fanladen und Fanräume. Sie berät die Vereinsführung und setzt sich für die Bedürfnisse und Wünsche der Anhänger ein, die, seit Ende August erste Abbildungen veröffentlicht wurden, lebhaft Argumente zum Für und Wider der Entwürfe austauschen. Ein klares Meinungsbild gibt es nicht, auch wenn immer neue interessante planerische Details und Ideen wie die Verwendung von Seitenschutzwänden beim Wellen-Modell (bis zu 14 180 Plätze) für eine bessere Akustik oder die nachträglich deutlich erhöhte Kapazität beim konservativeren Entwurf auf 13 156 Plätze für eine immer detaillierte Diskussionsgrundlage sorgen.

Auch im weiteren Umfeld des Vereins gibt es durchaus kontroverse Meinungen zum Gegengeradenbau. Rolf Horstmann, Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in St. Pauli, ist strikt gegen eine mögliche einheitliche Gestaltung des Stadions. "Der Entwurf hat den gleichen Charme wie die Möbelhäuser und anderen Abziehbauten, die im Stadtteil entstehen. Was mich überrascht: Seit wann gibt sich der FC St. Pauli so angepasst?" Auch Martin Paulekun, Pastor der St.-Pauli-Kirche und seit 20 Jahren Gegengeradenbesucher befindet sich in Sachen Stadion im doppelten Sinne mit Horstmann auf einer Wellenlänge. "Der FC St. Pauli und das Millerntor sind zentraler Teil unseres Stadtteils. Sie sind Botschafter eines bunten und menschlichen St. Paulis. Das muss sich auch in der Architektur der neuen Gegengeraden zeigen. Eine Tribüne wie überall ist nicht mit dem St. Pauli vereinbar, das wir lieben", meint Paulekun.

Die GAL-Landesvorsitzende Katharina Fegebank setzt dagegen in diesem Fall auf Konservatives. "Ich persönlich habe Sympathie für einen Neubau in ähnlichem Design wie die jetzige Haupttribüne. Eine geschwungene Welle hat zwar ihren Reiz, auf einer Geraden ist sie mir aber eine zu runde Sache." In der Vereinsführung hält man sich mit wertenden Äußerungen dagegen noch zurück. "Man muss das alles in Ruhe prüfen", sagt Vizepräsident Gernot Stenger. Es muss schließlich an alles gedacht sein. Zum Beispiel an ausreichende Lagerflächen, wie die AG Stadionbau in einem Dokument anführt, - mit Platz für Stühle für europäische Wettbewerbe. Dort sind nur Sitzreihen erlaubt.