Was brachte die Hinrunde für die Spieler des Aufsteigers FC St. Pauli, und was brachten diese in der ersten Halbserie? Die Einzelkritik.

Hamburg. "Für uns alle geht ein Traum in Erfüllung", sagte Trainer Holger Stanislawski, "die meisten von den Jungs haben noch nie Bundesliga gespielt, für die anderen ist es die große Chance, sich noch einmal zu beweisen." Sieben Monate und 17 Ligaspiele ist die Aussage alt, St. Pauli war gerade in die höchste Spielklasse aufgestiegen. Und heute? Was brachte die Hinrunde für die Spieler, und was brachten diese in der ersten Halbserie? Die Einzelkritik.

Traumhafte Werte liefert die Bilanz von Matthias Lehmann. Der zentrale Mittelfeldspieler verpasste als einziger Akteur keine Saisonminute, ist ballsicherer Leistungsträger und unersetzbarer Schlüsselspieler im Kader. Zweikampf-, lauf- und schussstark sowie mit technischen wie taktischen Qualitäten gesegnet machte er sich auch für andere Vereine interessant, unterschrieb nun aber doch bis 2013 am Millerntor. Der 27-Jährige ist eine Klasse für sich.

Etwas träumerisch wirkte Bastian Oczipka im letzten Spiel. Ansonsten gab der Linksverteidiger Anlass zu Hoffnung. Oczipka ist in der Bundesliga angekommen, hat eine Entwicklung nachgewiesen und ist sportlich eine feste Größe. Der Reifeprozess muss in der Rückrunde forciert werden. Gleiches gilt für die Offensivkräfte Max Kruse und Rouwen Hennings, die beide gute Ansätze zeigten. Vor allem von Kruse darf 2011 einiges erwartet werden. Wie auch von Carlos Zambrano und Richard Sukuta-Pasu. Nach tollem Start fanden beide zuletzt keine Berücksichtigung mehr. Der eine aus disziplinarischen, der andere aus gesundheitlichen Gründen. Bei Mittelfeldmann Dennis Daube verhinderte eine Fußverletzung, dass den Einsätzen gegen Schalke und Leverkusen weitere folgten. Sechs junge Wilde, die angreifen werden.

Mit traumwandlerischer Sicherheit gehen "die Berechenbaren" ihren Job an. Es ist vor allem die Berufseinstellung, die Stanislawski an seinen Verteidigern Carsten Rothenbach, Florian Lechner, Moritz Volz und Ralph Gunesch sowie Mittelfeldmann Timo Schultz und Torhüter Mathias Hain schätzt. Verlässlichkeit, die aber auch für Rothenbachs ungenaue Flanken, Lechners, Schultz' und Volz' beschränkte technische Fähigkeiten, Guneschs Probleme im Aufbau sowie Hains Mängel in der Strafraumbeherrschung gilt. Ihr Wert liegt auch abseits des Platzes: als Regulativ zu den jungen, unerfahrenen Kräften.

Nur träumerische Prognosen sahen Thomas Kessler, Markus Thorandt, Fabio Morena, Fabian Boll und Fin Bartels vor Saisonbeginn in der Rolle, die sie tatsächlich einnahmen. Torwart Kessler entpuppte sich als sicherer Rückhalt und garantierte mit konstant starken Leistungen einige Punkte. Eine Reihe vor ihm konnten auch Thorandt und Morena überraschen. Während "Torre" einen perfekten Start erwischte, die Bundesligastürmer zweikampfstark und -hart an die Kette legte, verblüffte Kapitän Morena zum Ende durch läuferische Klasse und abgeklärte Spielweise. Boll vollzog gemeinsam mit dem Klub seinen zweiten Aufstieg und wies auch in der Bundesliga Kopfballstärke, Torgefahr und Antizipation nach. Bartels legte die Rolle des Ergänzungsspielers ab und wirbelte sich in die Startelf, muss aber effektiver werden.

Eher albtraumhafte Wochen haben Charles Takyi und Deniz Naki hinter sich. Ihre Suspendierung aus disziplinarischen Gründen war der negative Höhepunkt einer verkorksten Hinrunde mit kleinen Verletzungen und Formkrisen. Gerald Asamoah und Marius Ebbers enttäuschten ebenfalls. Sie sollten im Angriff vorangehen, traben Ball und Gegner oftmals aber nur hinterher. Jeweils zwei Torerfolge beschreiben das Offensivproblem, das auch den seltenen Zuspielen geschuldet ist. Von Florian Bruns kommen diese immer seltener. Der Mittelfeldmann hat sich auf die Bank gespielt, die für Marcel Eger als Innenverteidiger Nummer fünf schon einen Erfolg bedeutet.

Traumatisch waren die sieben Monate für die Eigengewächse Jan-Philipp Kalla und Davidson Drobo-Ampem. Keinmal schafften sie es in den Ligakader. Die Abwehrspieler spielen in Stanislawskis Planungen keine Rolle. Nicht zu bewerten sind die Ersatztorhüter Benedikt Pliquett und Arvid Schenk sowie Oberliga-Angreifer Nils Pichinot.

Wie dieser Traum weitergeht, kann jeder selbst entscheiden. Dass er weitergeht, steht aber fest. Fabio Morena: "Gewohnheit ist es nicht geworden. Wer bei St. Pauli spielt, sollte es niemals normal nehmen, in der Bundesliga zu spielen."